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Berthold A. Hummel: „Im Bereich der CRO-Slots sehe ich einen klaren Verkäufermarkt“

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Berthold A. Hummel: „Im Bereich der CRO-Slots sehe ich einen klaren Verkäufermarkt“
White conceptual keyboard - CRO (blue key)

Bildnachweis: ArtemSam – stock.adobe.com, Baker McKenzie.

In jüngster Zeit die Kanzlei Baker McKenzie die deutsche MODAG GmbH mit Stammsitz in Wendelsheim bei Mainz bei dem Abschluss einer langfristigen strategischen Zusammenarbeit mit der börsennotierten (NYSE) israelischen Teva Pharmaceutical Industries beraten. Darüber hinaus wurde die Sozietät in diesem Jahr zum wiederholten Mal mit dem JUVE Award in der Kategorie Gesundheitswesen ausgezeichnet.

 

Plattform Life Sciences: Baker McKenzie hat zuletzt das deutsche Biotech-Unternehmen MODAG, Hoffnungsträgerin bei der Entwicklung von Medikamenten gegen neurodegenerative Erkrankungen, im Rahmen einer strategischen Zusammenarbeit mit dem israelischen Konzern Teva Pharmaceuticals beraten. Um welche Kernpunkte ging es bei dieser Transaktion?

Hummel: Die Inhalte sind natürlich vertraulich. Wie bei allen Pre-Revenue-Biotechs ging es auch hier bei der Partnerwahl um den besten Mix aus Schnelligkeit bei der Entwicklung und Kommerzialisierung des Medikaments versus der korrelierenden Unternehmensfinanzierung. Mit Teva wurde ein Partner gefunden, der Interesse an der schnellen Kommerzialisierung des MODAG Key Compounds hat, über die nötige Entwicklungsexpertise und Ressourcen verfügt und vor allem auch ausreichende Produktions- und Vermarktungsmöglichkeiten stellt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass MODAG den klassischen Weg über eine Series-B-Finanzierung für die Phase IIb bzw. III ausgelassen hat, obwohl dies aktuell große Volumina an Venture Funding versprochen hätte. Die Entwicklung der MODAG Leitsubstanz gegen MSA / Parkinson ist so weit fortgeschritten, dass dem Management ein strategischer Partner als One-Stop-Shop bis zum Verkauf der Arzneimittel als der beste Weg erschien.

Berthold A. Hummel, Partner und Co-Head der Corporate / M&A Praxisgruppe, Baker McKenzie.

Da MODAG selbst bei Gründung per Tech-Transfer von der bayerischen Patentallianz und dem MPI einen wichtigen Teil der IP einlizensiert hat, stellen sich hieraus bedingt regelmäßig komplexe Fragen der Synchronisierung von Vertragsbedingungen der Einlizensierung der IP bei Beginn des Ventures mit den von einem Big Pharma Partner regelmäßig geforderten einzelnen Vertragsbedingungen der Auslizensierung als Teil der strategischen Kollaboration.

Ein letzter Kernpunkt ist die deutsche Außenwirtschaftskontrolle. Diese Regularien gelten unter bestimmten Umständen auch für exklusive Lizenztransaktionen, weshalb die rechtliche Bindungswirkung der Verträge von der Freigabe durch das BMWi abhängen. Anders als bei der Fusionskontrolle ist die Einhaltung außenwirtschaftsrechtlicher Schutzvorschriften nicht nur bußgeld-, sondern auch strafbewehrt. Das sogenannte „Gun Jumping“ hat dabei wesentliche Bedeutung, es dürfen keinerlei sensitive Informationen vor Vollzug der Transaktion mit dem Pharmapartner ausgetauscht werden. Das ist schmerzvoll, wenn man es eilig beim Kampf gegen MSA und Parkinson hat.

Welches sind die generellen Herausforderungen und Besonderheiten bei vergleichbaren Transaktionen?

Bei dieser Art von Deals benötigt man spezialisiertes Wissen aus vielen Rechtsgebieten im Kontext der jeweiligen Market Practice. Kernbereiche sind „Corporate“ und „IP“. Handelt es sich um einen M&A-Deal oder einen Lizenz-Deal? Im letztgenannten Fall sind beispielsweise unsere Transactional IP-Anwälte gefragt. Daneben gibt es viele Besonderheiten, etwa das Thema Due Dilligence. Welche Informationen präsentiert man in welcher Phase? Das gilt insbesondere für die Behandlung von IP-Themen in der Due Diligence wie der Science als solcher und von IP relevanten Verträgen wie den gängigen Materialübergabeverträgen (MTAs) zur Evaluierung des Wirkstoffs durch Forschungspartner. Verhandelt man mit Venture- oder Private-Equity-Investoren, spielen Fragen der vertraglichen Absicherung von Eigenkapitalinvestitionen eine wichtige Rolle, daneben Deal-Management und das Aufsetzen eines Datenraums.

Neben der bereits oben beschriebenen Rechtsexpertise, etwa in Außenwirtschaftsfragen, geht es auch um Gesellschaftsrecht, Governance, Kontrollgremien, Informationsrechte und Fragen rund um die Patente wie etwa Patentpflege und die damit verbundenen Kosten. Es ist nicht überraschend, wenn man als Transaktionspartner vom CEO um Rat gefragt wird, ob sein Unternehmen den Weg über eine Venture-Finanzierung, eine Kollaboration oder einen Upfront-M&A Deal gehen soll. Diese Fragen vorab für das Biotech und seine Gesellschafter zu klären, ist für Unternehmen und seine Gesellschafter besonders wichtig, weil in all diesen Transaktionen heute sehr viel Geld im Spiel ist und die Transaktionskosten gut gemanaged sein wollen.

Erst kürzlich wurde Baker McKenzie mit dem JUVE Award in der Kategorie Gesundheitswesen ausgezeichnet. Welche besondere Life Sciences-Expertise hat das Team von Baker McKenzie und wie wird diese in solche Transaktionen eingebracht? Wie ist Ihr Team hier aufgestellt?

Was Baker McKenzie besonders macht, ist die spezifische Expertise im Team zu haben, um Biotechnologieunternehmen, Finanzinvestoren, Pharmaunternehmen und Management das gesamte Beratungsspektrum in jeder Phase anbieten zu können, welches in puncto Transaktion für M&A, Finanzierung, Regulatory, Commercial Agreements und die Vollzugserfordernisse erforderlich ist. Wir können von allen Seiten ganzheitlich beraten.

Dazu kommt die globale Aufstellung der Kanzlei in der Healthcare&Life Sciences Industriegruppe. Bei der MODAG-Teva-Kollaboration haben wir im Transactional Lizenzrecht mit der sehr versierten und erfahrenen Kollegin Dr. Julia Schieber aus unserem Züricher Büro und Oren Livne aus New York gearbeitet, weil es immer auch um einen international relevanten Marktstandard geht. Das kann mit unterschiedlichen Preisvorstellungen US-amerikanischer oder chinesischer Partner bei den Royalties zu tun haben oder mit Fragen der voraussichtlichen Erstattungsfähigkeit des marktfähigen Arzneimittels durch die lokalen Krankenversicherungen. Wenn ich als Lizenzgeber einen weltweiten Lizenzdeal eingehe, muss ich mich im Erstattungsrecht nicht nur in Deutschland oder Europa auskennen.

Der JUVE Award ist für uns eine tolle Auszeichnung, die die gelebte Interdisziplinarität der geleisteten Rechtsberatung widerspiegelt. Thilo Räpple hat im Pharma- und Medizinrecht einst den Grundstein gelegt mit seinem Team. In den letzten drei Jahren haben wir ein starkes Corporate/M&A-Team auf die Beine gestellt, um die Beratung rund um Biotechs mit M&A, VC und Venture Debt, Board Room Advice und ECM abzudecken. Julia Braun ist hier als eine führende Corporate Anwältin in dem Bereich zur Partnerin ernannt worden. Wir haben mit Christian Burholt einen in der Pharmaindustrie eng vernetzten, renommierten Kartellrechtler im Team. Anahita Thoms schließlich ist im Außenwirtschaftsrecht eine wichtige Stütze für Transaktionsgeschwindigkeit aufgrund ihrer guten Kontakte ins BMWi.

Wir bedienen damit eine breite Mandantenbasis aus Biotech, Pharma, Venture Capital, aber auch Private Equity. Gerade PE wird im Healthcare Early-Stage-Bereich immer wichtiger. Auch die projektspezifische Finanzierung von Phase 2 – oder Phase 3 Studien mit der Hilfe von Venture-Debt- oder sogar Senior-Debt spielt eine Rolle. Zu nennen ist dabei unser Banking Team um Oliver Socher in Frankfurt, was hier hilft, wenn Biotechs diese Art von Secured Borrowing-Beratung anfragen. Weitere Themen sind Patent Litigation, Compliance und Außenwirtschaftsrecht. Jeder Berufsträger verfügt hier über das spezifische Verständnis zu Life Science, Medtech und Healthcare. Nur dies ermöglicht es Mandanten schnell in Austausch mit uns zu den Rechtsthemen zu kommen, die sich im Alltagsgeschäft stellen.

Internationalität ist uns wichtig. Wir arbeiten mit integrierten Teams über verschiedene Länder grenzüberschreitend. Dr. Julia Schieber als Transaktions IP Anwältin ist über die Grenzen hinaus eine wichtige Stütze. Unsere Mandanten denken überregional, wenn sie uns als Berater engagieren, weil wir über die Jurisdiktionen hinaus im Life Science aufgestellt sind. Unser Wissen um Dealstrukturen und Zugänge zu Kapital ist zum Einstieg oft wichtiger als die Frage, nach welchem Recht sich ein Lizenz- oder Gesellschaftsvertrag richtet. Dieses Wissen oder der Direktzugang hierzu über unser Netzwerk ist der Einstieg in den eigentlichen Beratungsprozess, wenn ein Unternehmen beispielsweise einen globalen strategischen Partner sucht und gleichzeitig eine Finanzierung braucht.

Registrieren Sie ein vermehrtes Interesse von US-Pharma- oder Biotech-Konzernen an deutschen Biotech-Firmen?

Das Interesse ist enorm. US-Venture Fonds suchen systematisch und zielstrebig nach Investitionsmöglichkeiten. Vor allem Crossover-Runden laufen häufig mit aktiver Beteiligung von US-Venture-Fonds. In der Folge werden auch US-Pharma-Konzerne aufmerksam auf deutsche Investitionsziele, weil sie mit den Fonds konkurrieren wollen und müssen. Von daher haben Early-Upfront- und Crossover-Finanzierungsdeals schon vor einigen Jahren zugenommen und befinden sich auf hohem Niveau. Wir sehen auch vermehrt strategische Eigenkapitalengagements von Big Pharma in deutsche Biotechs.

Was wir noch nicht haben sind US-IPO Banken, die als Underwriter Nasdaq-IPOs begleiten und im Deal Sourcing bereits in der IPO Vorbereitungsphase verbindlich Aktien zeichnen um sich im Konsortium einen festen Platz als Left Bookrunner zu sichern. Das ist in den USA seit Jahren zu beobachten; in Deutschland gibt es diesen Trend noch nicht.

Welche weitere aus Ihrer Sicht bedeutende Transaktion können Sie uns aus der jüngeren Vergangenheit nennen?

Aus unserer Beratungstätigkeit aus München ist Numab Therapeutics mit Sitz in Wädenswil, Schweiz sehr spannend. Diese haben wir zusammen mit unseren Schweizer Kollegen im Rahmen einer 100m+-USD-Crossover-Finanzierung mit Blick auf einen US-Börsengang begleitet.

Ähnlich ist der Weg der Berliner t-knife mit einer Series B-Finanzierung über 110 Mio. USD und der Ambition, per Fast Track ein transatlantisches Immunonkologieunternehmen zu werden sowie die besseren IPO-Bedingungen zu nutzen. Das Thema des Zugangs zu den US-Märkten ist zwar nicht neu und wurde schon vor 20 Jahren als sog. „US-Flip“ der gesamten Firma diskutiert. Es ist aber beeindruckend zu sehen, welche konzertierte Dynamik herrscht, um die strategischen Ziele in einem umkämpften Bereich wie der Immunonkologie zu erreichen. Das ist richtungsweisend.

Bemerkenswert finde ich auch die strategische Kollaboration zwischen LSP und EQT. Dort nennt es sich „Joining Forces“. Hier erscheint übergeordnet zu dem Deal-by-Deal Ansatz das strategische Ziel eines PE Asset Managers zu sein, Zugang zu dem Early-Stage-Healthcare Bereich im Wege des Erwerbs einer ganzen Einheit von Life Science Investoren über die Managementgesellschaft zu bekommen. LSP kann EQT dabei als eine Art „Enabler“ für PE gesteuerte Übernahmen dienen. Auch wenn die Übernahme der TECHNOLOGIEHOLDING durch die börsennotierte 3i Group plc vor 20 Jahre ähnlich Ziele verfolgte, war die Motivation damals eher die Equity Story von 3i zu schönen. Eine strategische Verbindung wie die von LSP und EQT gibt es dagegen so noch nicht. Sie zeigt die überragende Bedeutung von iBank unabhängigem sogenannten pre-emptive Deal Flow für die Private Equity Fonds.

Welche Veränderungen haben sich im internationalen Transaktionsgeschäft aus Ihrer Sicht in den letzten 24 Monaten eingestellt?

Ich sehe keinen besonderen Covid-Effekt. Es ist weiter sehr viel Geld im Markt, weswegen die Finanzierungsrunden auch in Deutschland signifikant größer geworden sind. Aktuell gibt es kaum eine Series B-Finanzierung, die kleiner als 50 Mio. USD ist. Die Dynamik bei der Syndizierung und dem Abschluss ist enorm und die Rolle des Lead-Investors wird immer wichtiger. Die Unternehmen, die sich mit einem Lead-Investor einlassen, können darauf vertrauen, dass dieser ein Syndikat für eine so große Summe zusammenstellen kann.

Die Außenwirtschaftsverordnung mit ihren kürzlich in Kraft getretenen Novellen und der extensiven Auslegung des Schutzbereichs haben es der Life Science Industrie nicht leichter gemacht. Hier gibt es großen Erklärungs- und damit auch Beratungsbedarf.

Schließlich betreiben Investoren heute vermehrt ein gezieltes Ausgründungs-Scouting bei Pharma-Firmen und Forschungseinrichtungen, so dass ganz konkret ein Screening nach klinischen Programmen erfolgt. Das klassische Vorgehen, dass man auf eine Ausgründung wartet, in die man dann vielleicht investieren kann, wird seltener. Venture- und Private-Equity-Fonds wollen vielmehr frühzeitig in eine günstige Position gelangen, um die Nase vorn zu haben. Dies geschieht regelmäßig mit Hilfe eines ausgeprägten Wissens um die Programme der Pharmaunternehmen und deren Priorisierung im Konzern und wie umstritten oder solitär ein bestimmtes Programm tatsächlich im Konzern vorangetrieben wird.

Und welche Entwicklungen erwarten Sie für die nächsten 12 bis 24 Monate?

Bei den Industrietrends sind weiter die Therapie von Autoimmunerkrankungen zu nennen wie auch Früherkennung und Therapie neurodegenerativer Erkrankungen. In Deutschland noch weniger ein Thema sind Ventures rund um Exosome. Diese bilden einen Footprint der DNA bzw. RNA mit der Möglichkeit krankheitsspezifische Zelllinien zu kultivieren, also genmanipuliertes Material herzustellen und in den Dienst der Therapie einer bestimmten Indikation zu stellen. Das Zögern der Unternehmensgründer mag in Deutschland ethisch bedingt sein. In unseren Nachbarländern ist das Thema erkannt und sehr dynamisch.

Weiterhin drängt Private Equity vermehrt in den Markt, auch in frühere Unternehmens- phasen in den Bereichen Life Science, Medtech, Diagnostics und DigitalHealth.

Strukturell auf Deals bezogen glaube ich, dass wir noch flexibler hinsichtlich der Art der Beratung von Transaktionen werden müssen. Dual Tracks von Eigenkapitalfinanzierung und Lizenzdeal sind heute schon Teil der Beratungswirklichkeit. Auch Dual Tracks von IPO und Trade Sales per Early-Upfront Share Deals werden geprüft. Die Monetarisierung der Lizenzeinnahmenpipeline von Unternehmen mit Plattformtechnologie wird im anhaltend positiven Kapitalmarktumfeld weiter eine Rolle spielen.

Spannend finde ich die offensichtliche Verknappung kurzfristig verfügbarer CRO-Slots. Biotechs und Pharma reißen sich geradezu um diese Slots bei CROs (Clinical Research Organizations). Hier herrscht ein Verkäufermarkt mit materiellen Implikationen für Biotech Ventures, die sich diese verfügbaren Leistungszeiträume erst nach der Sicherung einer Finanzierung einkaufen können. Das ist ein bedenklicher Vorteil zu Gunsten etablierter Pharmaunternehmen. Hier ist denkbar, dass Private-Equity- oder große Venture-Fonds versuchen, sich für ihr gegenwärtiges und zukünftiges Portfolio derartige Slots durch strategische Kollaborationen zu sichern, weil es für die Unternehmensfinanzierung sehr relevant ist, wie schnell z.B. mit bestimmten Größenordnungen von Probandenkohorten bei klinischen Studien ein CRO-Slot besetzt werden kann. Hier kann es trotz rechtlich wirksam geschlossener CRO Verträge zu faktisch langen Wartezeiten von bis zu 24 Monaten kommen, und die CROs sind in einer Machtposition die vertraglichen Bedingungen was Leistungszeitraum- und -umfang anbelangt zu diktieren. Es wird eine wichtige Rolle im Wettlauf bei der Medikamentenentwicklung spielen, wer am Ende die größte Einkaufskraft für solche CRO-Slots besitzt.

Herr Hummel, ich danke Ihnen für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Holger Garbs.

 

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