„Als Königsweg beim Exit gilt heute der Early Upfront Share Deal“

Plattform Life Sciences: Interview mit Berthold Hummel, Partner, Baker McKenzie

Bildnachweis: Baker McKenzie.

Bei „Early Upfront Share Deals“ handelt es sich um eine attraktive Exit-Möglichkeit für wagniskapitalfinanzierte Biotechfirmen. Im Fokus dieser M&A-Transaktion steht die Kombination einer initialen Kaufpreis-zahlung bei Vertragsabschluss und künftigen Meilensteinzahlungen. Im Interview erklärt Berthold Hummel, Partner der Kanzlei Baker McKenzie, was Early Upfront Share Deals auszeichnet, und zeigt wichtige Voraussetzungen und Vorteile auf.

Plattform Life Sciences: Herr Hummel, Sie beraten seit rund 25 Jahren Venture-Capital-(VC-)Deals rund um das Thema Biotechnologie. Was hat sich verändert?

Hummel: Gründerteams und Investoren unterliegen bei der Wirkstoffentwicklung einem immer stärkeren internationalen Wettbewerb. Heutzutage sind Eigenkapitalfinanzierungen schon in den Frühphasen sehr großvolumig und werden häufig von internationalen Syndikaten gestellt, um die Qualität und Geschwindigkeit bei der Medikamentenentwicklung gleichermaßen zu sichern. Dies treibt das Thema Exit sehr viel stärker als früher. Aufgrund der Renditeziele ihrer Investmentfonds suchen erfolgreiche VC-Investoren einen frühen Cash-Event im Unternehmensportfolio. Als Königsweg beim Exit gilt heute der Early Upfront Share Deal.

Was versteht man unter Early Upfront Share Deals? Was zeichnet diese aus?

Die Idee ist, Biotechunternehmen bereits nach Abschluss der klinischen Phase-I-Studie an Big Pharma zu verkaufen. Die Gesellschafter erhalten dabei einen signifikanten Kaufpreisanteil als Upfront-Zahlung bei Vertragsabschluss. Es folgen weitere Kaufpreistranchen, die an die Erreichung bestimmter Entwicklungsmeilensteine gekoppelt sind. Gleichzeitig besteht die Käuferverpflichtung, das Medikament erfolgreich zu Ende zu entwickeln, zuzulassen und zu vermarkten.

Welche Vorteile ergeben sich durch diese M&A-Variante für die verschiedenen Stakeholder?

Im Gegensatz zum Lizenzdeal oder zum Verkauf in einer späteren Phase bietet diese Deal-struktur allen Beteiligten an VC-finanzierten Biotechs attraktive Vorteile.

Die Gesellschafter können das Medikament bzw. die Produktpipeline auf Basis des bisherigen Entwicklungsstandes sofort in ihrer Vermögenssphäre monetarisieren, da der Basiskaufpreis („Upfront“) gegen Anteilsübertragung direkt zufließt. Gleichzeitig wird der Abschluss der klinischen Entwicklung, Zulassung und Kommerzialisierung an einen geeigneten Pharmapartner ausgelagert, jedoch dabei nicht unkontrolliert aus der Hand gegeben. Trotz Aufgabe der Unternehmenskontrolle mit Anteilsverkauf werden in einem detaillierten Entwicklungsplan einklagbare Regelungen getroffen, die den Käufer dazu verpflichten, das Medikament zur Zulassung und Vermarktung zu führen. Bei einem Verstoß gegen diese Covenants kann sogar eine Pflicht zur Rückgabe des Programms und seiner IP bestehen.

„Der Early Upfront Share
Deal bietet allen Beteiligten
an VC-finanzierten
Biotechs attraktive Vorteile.“

Positiv für VC-Fonds ist es, die Beteiligung mit Transaktionsvollzug nicht mehr in den Büchern zu haben und ihren LPs frühzeitig einen Exit mit Cash-Event berichten zu können. Darüber hinaus gibt es ein weiteres Upside-Potenzial, durch mögliche zukünftige Meilen-steinzahlungen als verlängerten Kaufpreis.

Der Erwerber sichert sich hier im Gegensatz zu einem Lizenzdeal zusätzlich die Kontrolle über das übernommene Unternehmen, mit allen internen und externen Ressourcen rund um das Programm. Zwar bringt eine Übernahme auch einen gewissen Integrationsaufwand mit sich. Doch die Vorteile für strategische Käufer überwiegen. Synergieeffekte werden gehoben und es geht keine Zeit in der Entwicklung verloren.

Ein wesentlicher Pluspunkt für das übernommene Biotech liegt darin, dass die künftige Finanzierung gesichert ist und die Suche nach weiteren VC-Gebern entfällt. Zudem bestehen mit Abschluss der Transaktion auch klare Verhältnisse in Sachen Governance. Nicht zuletzt partizipieren Schlüsselmitarbeiter am Exit anders als beim Lizenzdeal durch die direkte oder virtuelle Unternehmensbeteiligung an der Upfront-Zahlung.

Warum sind Early Upfront Share Deals besonders in der Life-Sciences-Industrie zu beobachten bzw. sinnvoll?

Die Entwicklung von Medikamenten und Therapien ist kapital- und zeitintensiv. Sie gibt die Strategie eines Biotechunternehmens sehr linear vor: Wirkstoffdesign, präklinische Forschung, klinische Studien und Zulassung. VC-finanzierte Biotechs agieren in der Frühphase viel schneller als die Konzern-R&D. Dabei ist der innovative Beitrag an der Arzneientwicklung oft mit der Phase-I-Studie abgeschlossen, wenn die klinischen Daten vielversprechend sind. Zu diesem Zeitpunkt neigt sich dann auch der beschleunigende Effekt von Eigenkapitalfinanzierung und der Mehrwehrt durch VC-Life-Sciences-Fonds eher dem Ende zu. Wird das Biotech bereits in dieser Phase an einen Pharmakonzern verkauft, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines schnellen Zulassungs- und Vermarktungserfolges. Das hat natürlich auch Vorteile für Big Pharma. Aus diesen Gründen ist ein „Upfront Share Deal“ oft für alle sinnvoll.

„VC-Fonds haben die Beteiligung
mit Transaktionsvollzug
nicht mehr in den
Büchern und können ihren
LPs frühzeitig einen Exit
mit Cash-Event berichten.“

Was sind die besonderen rechtlichen Fragestellungen und Fallstricke bei Early-Upfront-M&A-Transaktionen?

Insbesondere die Voraussetzungen für weitere Meilensteinzahlungen erfordern ein genaues Verständnis der Life-Sciences-Branche und Rechtslage: Von relevanten Zulassungs-verfahren bei FDA und EMA über die Gepflogenheiten bei Vermarktung und Gestaltung von Lizenzzahlungen bis hin zur Kaufpreisauswirkung von sogenannten Kombinationspräparaten und -therapien ist umfassendes Know-how sowohl im Urheber- und Medizinrecht als auch zu internationalen Vertragsstandards wichtig.

„Der strategische Käufer
kann Synergieeffekte
heben und es geht keine
Zeit in der Entwicklung
verloren.“

Großen Stellenwert haben Inhalt, Zeitrahmen und Umfang der Covenants, die den Unternehmenserwerber zur weiteren Entwicklung des Präparates verpflichten, sowie Auskunfts- und Einsichtsrechte. Da Käufer sehr oft Pharmakonzerne aus den USA sind, ist spezielle Expertise in angelsächsischer Vertragsgestaltung gefordert. Zudem ist bei Early Upfront Share Deals das Haftungsregime aus den Garantien anders verhandelbar als bei üblichen M&A-Deals, weil ein signifikanter Kaufpreisanteil erst später in weiteren Tranchen fällig ist und daher besonderes Schutzinteresse besteht.

Sehen Sie einen Trend hin zu Early Upfront Share Deals in der Biotechbranche?

Vor mehr als 15 Jahren gab es in den USA die ersten Deals dieser Art. Auch in Deutschland haben wir – mit der Übernahme der Münchner Rigontec durch Merck & Co. und dem Verkauf der Breath Therapeutics an Zamboni – in jüngster Zeit zwei dieser Early Exits gesehen. Ein breiter Trend ist jedoch nicht erkennbar. Trotzdem können sie eine attraktive M&A-Variante darstellen, wenn einige wichtige Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Sie eignen sich ausgezeichnet für VC-finanzierte Single-Compound-Biotechunternehmen in einem spannenden Indikationsfeld, die im Zuge der Phase-I-Studie vielversprechende Daten zeigen. Letztlich hängen Early Upfront Share Deals aber immer von der Risiko-bereitschaft von Big Pharma ab, Programme in einer frühen Entwicklungsphase zu übernehmen. Trotz genauer Prüfung von Science und Unternehmen ist es eine Wette auf gute klinische Daten in Phase II und III sowie auf die Zulassungsfähigkeit. Die Biotechbranche bleibt ein von den BD- und M&A-Abteilungen der Pharmaunternehmen getriebener Käufermarkt.

Herr Hummel, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Markus Hofelich. Es wurde für die Ausgabe 3/2019 der Plattform Life Sciences Biotechnologie 2019 geführt.

ZUM INTERVIEWPARTNER

Berthold Hummel ist Partner bei Baker McKenzie in München. Er ist spezialisiert auf M&A, Private Equity, Wagnis- sowie Wachstumskapital und verfügt über langjährige Erfahrung bei der Beratung von Healthcare-Transaktionen. Er beriet das Syndikat veräußernder Biotech-Finanzinvestoren bei der Übernahme von Rigontec durch MSD Merck & Co, Hitachi Chemical beim Erwerb der apceth Biopharma von der Strüngmann Gruppe sowie die AESKU.GROUP bei der Übernahme der MBL BION mit Sitz in Illinois.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.