Bildnachweis: PL BioScience GmbH.
Aus einem universitären Spin-off ist binnen weniger Jahre ein wachstumsstarkes Biotech-Unternehmen geworden: Die PL BioScience GmbH aus Aachen hat sich zum Ziel gesetzt, die Zell- und Gentherapie mit einer entscheidenden Ressource zu versorgen – Human Platelet Lysate (HPL). Nach Jahren der Entwicklungsarbeit steht das Unternehmen nun an einer Schwelle: Mit einem „neuen“ Standort, einer klaren Skalierungsstrategie und internationaler Unterstützung will PL BioScience die industrielle Produktion sichern und globale Märkte erschließen. Von Urs Moesenfechtel
Der Markt für Zell- und Gentherapien wächst rasant, doch die Kulturmedien sind ein Engpass. HPL, bislang aus Spenderblut gewonnen, ist begrenzt verfügbar. Mit der Entwicklung von künstlichem HPL – einer weltweit einzigartigen Innovation – löst PL BioScience diese Abhängigkeit. Die zentrale Botschaft: unbegrenzte Skalierbarkeit, stabile Chargenqualität, höchste regulatorische Standards.
Standort Aachen als strategischer Vorteil
PL BioScience bleibt Aachen nicht aus Nostalgie treu, sondern aus Überzeugung. Der Standort bietet die Nähe zur RWTH Aachen, aus der das Unternehmen hervorgegangen ist – und damit den Zugang zu einem Pool an Talenten, die für ein forschungsintensives Biotech unverzichtbar sind. Mit dem im Jahr 2025 eröffneten neuen Headquarter hat das Unternehmen den nächsten Schritt gemacht: Auf rund 1.200 Quadratmetern entstehen Reinräume, GMP-konforme Produktionslinien und Forschungskapazitäten unter einem Dach.
Genau darin liegt die Strategie: Skalierbarkeit schaffen, noch bevor der Bedarf exponentiell wächst. Denn die regenerative Medizin, insbesondere die Stammzelltherapie, steckt zwar noch in den Kinderschuhen, zeigt aber in ersten klinischen Erfolgen bereits ihr Potenzial. Damit steigt auch der Bedarf an standardisierten, sicheren Kulturmedien. „Wir sind nicht angetreten, um die Probleme von heute, sondern die von morgen zu lösen. Der heutige Weltmarkt liegt derzeit noch unter den von uns geplanten Kapazitäten“, sagt CEO Hatim Hemeda. „Aber das kann sich sehr schnell ändern. Und wenn es so weit ist, wollen wir als Marktführer bereitstehen – nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern auch in den USA und Asien.“
Zentrale Bündelung aller Aktivitäten
Noch laufen die Umbauten, doch die Richtung ist klar: Alle Aktivitäten sollen in Aachen gebündelt werden – von Forschung und Entwicklung über Marketing und Vertrieb bis hin zur GMP-Produktion. So entsteht ein zentraler Standort, aus dem künftig sämtliche Innovationen hervorgehen und von dem aus der weltweite Markt – mit Ausnahme der USA – beliefert werden kann. „Wir nehmen uns für diesen Umbau bewusst die Zeit, die es braucht, um Prozesse auf höchstem Standard aufzusetzen“, betont Hemeda. „Unser Anspruch ist es, in Aachen Maßstäbe zu setzen, State of the Art zu sein. In Technologie und Prozessen. Und das, was wir hier entwickeln, bleibt in unserer Hand.“ Der Standort ist dabei für das Unternehmen nicht nur funktional, sondern auch symbolisch von Bedeutung. Wenn PL BioScience in Asien, insbesondere in China oder Südkorea, auftritt, dann gilt Aachen als Synonym für Qualität und Innovation.
Finanzierung und internationale Investoren
Den entscheidenden finanziellen Rückenwind für weiteres Wachstum erhielt PL BioScience im August 2024 mit einer Series-A-Finanzierung über 7,8 Millionen Euro. Das Investorenkonsortium ist bewusst international aufgestellt: AVANT BIO (USA), LePure Biotech (China), die b.value AG (Dortmund) sowie better ventures (München). Unterstützt wird das Konsortium durch die Bestandsinvestoren Brightlands Venture Partners (Niederlande) und den TechVision Fonds (Aachen). Eine weitere Finanzierungsrunde – die genaue Höhe wurde noch nicht bekannt gegeben – ist bereits in Vorbereitung und soll die Expansion in den USA und Asien beschleunigen – inbesondere die USA sind derzeit der wichtigste Markt für Zelltherapien. „Im Rahmen unserer Wachstumsstrategie haben wir konkrete Pläne, in diesem Markt präsent zu werden, und führen bereits Gespräche, um diese Schritte vorzubereiten. Als einziges Unternehmen, das aktuell patentiertes gamma-bestrahltes HPL anbieten kann – ein entscheidender Vorteil in der Herstellung von Zelltherapien für medizinische Anwendungen – und mit dem künftigen Angebot von künstlichem HPL, sehen wir uns bestens aufgestellt, unsere Rolle als Vorreiter auch im US-Markt einzunehmen“, so Hemeda. „Dazu suchen wir nicht Investoren, um kurzfristig unseren Cashflow zu sichern, sondern um in die Zukunft zu investieren.“ Dass alle bisherigen Investoren auch in der nächsten Runde an Bord bleiben, wertet das Unternehmen als Vertrauensbeweis für seine Strategie.
Kooperationen als Innovationsmotor
Ein zentraler Baustein dieser Expansionsstrategie ist die Kooperation mit DewCell Biotherapeutics aus Südkorea. Seit Frühjahr 2025 arbeiten beide Unternehmen eng zusammen. Gemeinsam gelang es, das weltweit erste künstliche HPL zu entwickeln, gewonnen aus im Labor erzeugten Blutplättchen. „Damit lösen wir uns von der Limitierung durch Spenderblut und schaffen eine praktisch unbegrenzte Ressource“, so Hemeda. Die Partnerschaft mit DewCell unterstreicht, wie PL BioScience seine internationale Ausrichtung mit technologischer Substanz hinterlegt. Gleichzeitig betont das Unternehmen, dass es bewusst offen für weitere Kooperationen bleibt – auch mit europäischen Akteuren – um flexibel auf Markt- und Technologieentwicklungen reagieren zu können. „Unser Ziel ist es, HPL breit verfügbar zu machen“, betont Hemeda. „Jede Partnerschaft, die uns diesem Ziel näherbringt, ist willkommen – und Impulse kommen dabei nicht zuletzt auch aus der Region Aachen.“
Next-Gen-Innovation
„Wir sind nicht allein revenue-orientiert, sondern innovationsgetrieben“, so Hemeda. „Und unser Innovationsanspruch geht weit über das bisher Erreichte hinaus.“ Hemeda beschreibt HPL als eine „Toolbox“ – einen Baukasten aus Wachstumsfaktoren, der sich für unterschiedliche Anwendungen anpassen lässt. Die Vision lautet: „Next-Generation-HPL“. Künftig sollen maßgeschneiderte Formulierungen für verschiedene Zelltypen entstehen – beispielsweise für CAR-T-Zellen oder NK-Zellen, die in der modernen Krebsimmuntherapie eine zentrale Rolle spielen. Damit könnte HPL zu einer Plattformtechnologie für individualisierte Zellkulturmedien werden, die sich an den jeweiligen therapeutischen Bedarf anpassen lässt. Doch das Potenzial endet nicht bei der Zell- und Gentherapie. Auch in der Wundheilung, der Ästhetik und sogar in der Kosmetik eröffnen sich Anwendungsmöglichkeiten. Hemeda sieht PL BioScience deshalb nicht nur als Zulieferer für Forschung und Therapie, sondern als zukünftigen Plattformanbieter mit globaler Relevanz – ein möglicher Kandidat für die nächste Generation führender Biotech-Unternehmen aus Europa.
Fazit
PL BioScience steht beispielhaft für ein Biotech-Unternehmen, das aus einem universitären Spin-off heraus konsequent auf Standorttreue, Skalierung und internationale Expansion setzt. Mit Aachen als Basis, globalen Investoren im Rücken und einer Innovationspipeline, die über das Heute hinausdenkt, könnte das Unternehmen den Standard in der Zellkultur neu definieren – und ein entscheidendes Kapitel für die Zell- und Gentherapie schreiben.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.