Bildnachweis: Stimmungsfänger.

Sie setzen auf künstliche Intelligenz, auf Nanostrukturen oder auf neuartige minimal-invasive Behandlungsmethoden: Beim 9. MedTech Pitch Day am 29. März im Langenbeck-Virchow-Haus in Berlin präsentierten zehn Medizintechnik-Start-ups ihre Ideen, wie sie mit innovativen Technologien die Gesundheitsversorgung verbessern wollen. Für die Veranstaltung, die erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder in Präsenz stattfand, hatten sich mehr als hundert junge Unternehmen aus ganz Europa beworben. Die ausgewählten Start-ups aus Deutschland, Tschechien, Schweden und Italien bekamen nun die Gelegenheit, Investoren von ihren Konzepten zu überzeugen und sich mit Entscheidern führender Medizintechnikunternehmen und Kostenträger zu vernetzen. Mehr als 40 Investoren sowie viele weitere Start-ups nahmen teil.

Medtech: KI, Nanostrukturen und minimal-invasive Behandlungsmethoden

Ausgerichtet wurde der MedTech Pitch Day wieder von der B. Braun-Stiftung, dem High-Tech Gründerfonds, Dräger, dem B. Braun Accelerator, dem Health Innovation Port und der Techniker Krankenkasse. Das Langenbeck-Virchow-Haus, in dem einst die Volkskammer der DDR getagt hatte, sei damit zum „Parlament der Innovation“ geworden, sagte Dr. Thilo Brinkmann, Geschäftsführer der B. Braun-Stiftung

In jeweils zehnminütigen Live-Pitches stellten die Start-ups ihre Konzepte und Geschäftsmodelle vor und mussten anschließend die kritischen Nachfragen des internationalen Fachpublikums beantworten.

Ein Schwerpunkt lag auf der Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen. Mithilfe von KI will U-Care Medical aus Turin Komplikationen auf Intensivstationen vermeiden, während Datlowe aus Prag therapieassoziierten Infektionen im Krankenhaus vorbeugen möchte. Über die Webplattform „DocRobin“ von Medical Intelligence Lab aus München sollen Patienten KI-gestützt schnell und unkompliziert eine ärztliche Zweitmeinung zum Beispiel zu Knieoperationen einholen können. Acorai aus Stockholm kombiniert Sensortechnologie und maschinelles Lernen für eine nicht-invasive Überwachung des Herzinnendrucks bei Herzinsuffizienz. Das Dresdener Start-up Altavo setzt KI zusammen mit nicht-invasiver Radarsensorik ein, um Menschen nach einem Stimmverlust eine natürlich klingende Stimme zurückzugeben.

Auf Digitalisierung setzt auch das Berliner Start-up IntensivKontakt, das mit einer App die Kommunikation zwischen Patienten, Angehörigen und medizinischem Personal vereinfachen möchte.

Doch nicht alle vorgestellten Innovationen waren digital. DeepEn aus Jena entwickelt haarfeine holografische Endomikroskope für Neurowissenschaften und Medizin. Sedivention aus Straßlach bei München möchte mit einer Magensonde, die den Hungernerv einfriert und so die Weiterleitung des Hungergefühls an das Gehirn stoppt, eine minimalinvasive Alternative zur Adipositas-Chirurgie schaffen. PoroUS aus Potsdam will mit einer neuartigen Ultraschalltechnologie die Diagnose von Osteoporose erleichtern. Und Nanoshape aus Karlsruhe versieht Implantate mit antibakteriell wirkenden Nanostrukturen, die sich das Start-up von der Natur abgeschaut hat.

Für Markus Helfenstein, CEO von Medical Intelligence Lab, war es die erste Teilnahme an einem Pitch Day überhaupt. „Das motiviert tierisch“, sagte er. „Wir haben einige Start-ups gesehen, die schon zwei oder drei Schritte weiter sind als wir, und damit sozusagen in unsere eigene Zukunft schauen können.“ Besonders gefreut habe ihn, dass so ausführlich über die Nutzung von Daten und den Einsatz künstlicher Intelligenz diskutiert wurde.

Denn bevor die Start-ups zu den Pitches antraten, hatten Expertenvorträge mit anschließenden Workshops auf dem Programm gestanden. Dr. Thorsten Brackert und Dennis Cole von der Techniker Krankenkasse erklärten, wie Innovationen ihren Weg in den deutschen Gesundheitsmarkt finden können – und dass man dafür wegen der gesetzlichen Vorgaben und der geforderten klinischen Studien einen langen Atem braucht. „Wenn das zwei Jahre dauert, ist das phänomenal“, sagte Cole. „Normal sind mindestens fünf Jahre.“

Über den Umgang mit Daten im Gesundheitswesen sprach Dr. Sassan Sangsari, Gründer und CEO des MedTech-Unternehmens Datonomy. „Information ist für die Medizin, was Sauerstoff für den Körper ist“, sagte der Mediziner. Aber: „Wir müssen die Autonomie der Patient*innen hinsichtlich der Nutzung ihrer Daten respektieren.“ Dafür Lösungen zu finden, sei die zentrale Herausforderung.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.