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Während Länder wie die USA und China Milliarden in eine „High-Tech-Bioökonomie“ investieren und sie durch kluge Regulierungen und gezielte wirtschaftliche Anreize vorantreiben, hat Deutschland den Anschluss an diese Entwicklungen verloren. Es bräuchte mutige und progressive Strategien und Initiativen, damit Deutschland noch eine Chance hat, wieder eine führende Rolle in diesem Strukturwandel einzunehmen.
Die angesprochene Biorevolution ist kein Zukunftsschloss, sondern bereits heute Realität!
Der jüngste Chemie-Nobelpreis für die Entwicklung von KI-gestützten Proteindesign-Methoden zeigt eindrucksvoll das enorme Potenzial der Konvergenz von Biologie und KI. Doch während Europa in der Grundlagenforschung und auch im Bereich der Erfindungen noch Weltklasse ist, hinkt der Kontinent bei der Umsetzung in marktfähige Innovationen hinterher. Gerade bei Schlüsseltechnologien wie der Genomeditierung und Biotechnologie fehlt es an einem innovationsfreundlichen Regulierungsrahmen.
Die Herausforderungen sind groß und gerade Deutschland hätte einiges zu tun
Die Potenziale für das Vorantreiben einer High-Tech-Bioökonomie sind in Deutschland grundsätzlich vorhanden, aber sie können nicht genutzt werden, da die ökonomischen Risiken, für die jeweiligen Entrepreneure zu hoch sind. Punktuelle Initiativen zur Verbesserung dieser Situation reichen nicht aus. Es bräuchte eine konstatierte Aktion im Schulterschluss mit der EU, um die politischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Deutschland könnte dabei innerhalb Europas auch mutig vorangehen, denn gerade mit der produzierenden Industrie, insbesondere im Chemiebereich, hätte sie alle Voraussetzungen dafür, die Transformation voran zu treiben.
Konkret bräuchte die High-Tech-Bioökonomie mehr öffentliche Förderung: flexibel, unbürokratisch und über alle Technology Readiness Levels (TRLs) hinweg. Programme wie SPRIND müssten ausgebaut, bioökonomische Geschäftsmodelle validiert und ein nationales Biomanufacturing-Programm vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nach dem US-Vorbild BioMADE gestartet werden. Besonders wichtig wäre eine innovationsfreundliche Regulierung und Rechtssicherheit für Schlüsseltechnologien wie Gene Editing und genetisch modifizierte Organismen. Steuerliche Anreize könnten zusätzlich die Transformation beschleunigen und der High-Tech-Bioökonomie ermöglichen, mit der traditionellen chemischen Industrie, die auf 100 Jahre Optimierungshistorie zurückblickt, gleichzuziehen. High-Tech-Bioökonomie steht nicht nur für Nachhaltigkeit, sondern für Zukunftsfähigkeit in einer komplexen Welt.
High-Tech-Bioökonomie fördert Resilienz
Spätestens seit Verteidigungsminister Pistorius von einer „kriegstüchtigen Wirtschaft“ spricht, wird vielen deutlich, wie stark Deutschland von externer Versorgung in essenziellen Bereichen wie Energie, Lebensmitteln und Gesundheit abhängig war und weiterhin ist. Diese Abhängigkeit offenbart nicht nur wirtschaftliche und sicherheitspolitische Schwächen, sondern verdeutlicht auch die Dringlichkeit, eine widerstandsfähigere und unabhängigere Infrastruktur aufzubauen. Auch aus diesem Grund muss an einer zukunftsfähigen High-Tech-Bioökonomie gearbeitet werden, die in all diesen Bereichen Abhängigkeiten reduzieren kann.
In den USA ist das Potenzial der High-Tech-Bioökonomie, insbesondere der synthetischen Biologie und Biomanufakturen, längst erkannt. Organisationen wie DARPA und das Office of Naval Research investieren massiv in den Ausbau dieser Technologien. Zudem widmet sich die Kongressabteilung für Emerging Biotechnology unter der National Security Commission diesem Thema. In Deutschland hingegen wird kaum über den Beitrag der Biotechnologie zur Resilienz und zum Schutz von Sicherheit und nationalen Interessen gesprochen, trotz des Sprechens von einer „kriegstüchtigen Wirtschaft“, die eben nichts anderes ist als eine unabhängige, resiliente Wirtschaft.
High-Tech-Bioökonomie braucht zentrale Steuerung
Um in Deutschland eine High-Tech-Bioökonomie aufzubauen, bräuchte es die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle. Ebenso bedürfte es der Neuberufung eines innovations- und wirtschaftsnahen High-Tech-Bioökonomierats. Nur so könnten die verschiedenen, durchaus positiven Initiativen und Maßnahmen der Bundesländer, effektiv gebündelt und gezielt vorangetrieben werden. Nur durch ein holistisches Vorgehen in all diesen Bereichen könnte Deutschland seine Position in der globalen High-Tech-Bioökonomie stärken und die Chancen dieses zukunftsträchtigen Sektors voll ausschöpfen. Es ist dabei weniger Konsens, sondern progressive Initiative gefragt.
Ohne Köpfe, die eine Revolution stemmen, geht es nicht
Für diese Revolution sind Experten mit interdisziplinären Kompetenzen unerlässlich – Fachkräfte, die sowohl in der Biotechnologie als auch im Bereich Wirtschaft ausgebildet sind. Daher ist es entscheidend, die Bildung im Bereich Biobusiness zu fördern. So müssten beispielsweise an Hochschulen spezialisierte und internationale Studiengänge für Wirtschaftsbiotechnologie und Bio-Unternehmertum etabliert werden. Dies würde einem Mangel an sektorspezifischen Businessentwicklern und späteren Geschäftsführern entgegenwirken.
Es braucht entschlossene Maßnahmen für eine neue Gründerzeit
Für neue Unternehmen sind niedrigschwellige Investitionen entscheidend. Nach britischem Vorbild sollten steuerliche Anreize für Angel-Investments geschaffen werden (Enterprise Investment Scheme – EIS). Gleichzeitig bräuchte es nicht nur in Deutschland, sondern in Europa, bessere Wachstumsfinanzierungen für Scale-ups, etwa durch Ansätze wie in Italien, wo Pensionsfonds in Venture-Capital investieren müssen. Deutschland sollte solche Maßnahmen prüfen, um Hightech-Unternehmen zu fördern. Geld allein reicht jedoch nicht: Universitäten treiben Forschung und Erfindungen voran, bremsen aber oft den Markteintritt und somit bei der eigentlichen Innovation. Der Transfer von Forschung in marktfähige Produkte muss verbessert, standardisiert und beschleunigt werden, etwa durch innovative Ansätze wie das SPRIND IP 3.0-Modell.
Fazit: Vom Reden ins Handeln kommen!
Deutschland muss den present bias überwinden, mutig handeln und mit der High-Tech-Bioökonomie als Schlüsselindustrie die Zukunft gestalten, ansonsten verpasst das Land eine wirtschaftliche Revolution. Deutschland, eingebettet in ein progressives Europa, hat das Potenzial die Zukunft zu gestalten.
Spätestens nach der Bundestagswahl sind nun klare Weichenstellungen und eine mutige, progressive Agenda erforderlich, um den Weg zu einer resilienten Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu ebnen und deren Potenziale voll auszuschöpfen. Deutschland sollte es wie Brecht halten: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Hinweis: Die Autoren waren an der Erarbeitung relevanter Positionspapiere zur Bioökonomie beteiligt, darunter das Papier „Nachhaltige Bioökonomie jetzt weiterentwickeln!“ und die Positionierung der Bundesagentur für Sprunginnovationen – SPRIND, welche unter folgenden Links ab dem 15. Januar abrufbar sein werden: https://bioeconomy-science-hub.uni-hohenheim.de/ und https://www.sprind.org/. Der Artikel spiegelt die persönliche Meinung der Autoren wider und wurde in keiner Weise mit den ihnen zugeordneten Organisationen abgestimmt. Die dargestellten Ansichten entsprechen nicht notwendigerweise den Positionen dieser Organisationen.