Bildnachweis: Dominik Tryba / Introduce Productions.

Frühphasenfinanzierung bewegt sich immer zwischen Risiko und großem Potenzial. Seit seiner Gründung hat der High-Tech Gründerfonds (HTGF) die Entwicklung des deutschen VC-Marktes entscheidend mitgeprägt – und über 800 Technologiegründungen in Bereichen wie Digital Tech, Industrial Tech und Life Sciences finanziert. Doch wie sehen die Chancen und Herausforderungen im aktuellen Marktumfeld aus? Von Dr. Angelika Vlachou

 

Als der HTGF 2005 startete, war der deutsche VC-Markt praktisch nicht existent. Heute zeigt sich ein ganz anderes Bild: In den vergangenen Jahren hat sich das Ökosystem deutlich professionalisiert und an Reife gewonnen – auch wenn der internationale Vergleich zeigt, dass weiterhin Aufholpotenzial beim verfügbaren Kapital besteht. Diese positive Entwicklung haben wir als Public-Private-Partnership in der Seed- und Frühphase aktiv mitgestaltet.

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Breites Portfolio mit klaren Schwerpunkten

Wir sind ein agnostischer Seed-Investor und unterstützen Gründerinnen und Gründer unabhängig von spezifischen Branchen. Einer unserer drei Investitionsschwerpunkte liegt im Bereich Life Sciences und Chemie. Unser diversifiziertes Portfolio umfasst Biotechnologie, Medizintechnik, Diagnostik, Digital Health, Pharma sowie Chemie. Damit decken wir ein breites Spektrum an innovativen Technologien von neuen Wirkstoffen und Therapien über Plattformtechnologien bis hin zu Lösungen für eine nachhaltigere Industrie ab. Unser Fokus liegt auf Vielfalt in Modalitäten, Indikationen und frühen Phasen.

Unsere Bilanz bestätigt diesen Ansatz: zwei Unicorn-Exits. In den letzten zwölf herausfordernden Monaten haben wir fünf Trade Sales in einem anspruchsvollen Marktumfeld abgeschlossen.

Weniger Deals, mehr Zurückhaltung

Deutschland ist ein starker Standort. Aber die Zahl der Deals ist rückläufig. Die VC-Aktivitäten im Biopharma-Bereich sind auf dem niedrigsten Stand seit 2020, und die Fenster für Börsengänge sind geschlossen. Das Hoch im Jahr 2024 war vor allem durch wenige große Finanzierungsrunden geprägt. Im ersten Halbjahr 2025 ist die Eigenkapitalfinanzierung deutlich eingebrochen und der Rückgang ist sowohl bei Erstinvestitionen als auch bei Folgeinvestitionen zu verzeichnen. Auf niedrigerem Niveau setzte sich das Bild aus 2024 fort: Kapital konzentriert sich auf wenige größere Runden.

Eindruck vom HTGF Family Day 2025. Copyright Foto: Dominik Tryba / Introduce Productions
Eindruck vom HTGF Family Day 2025. Copyright Foto: Dominik Tryba / Introduce Productions

Deutsche Biotech-Unternehmen haben es in diesem Umfeld schwer, neues Kapital zu gewinnen. Investoren agieren angesichts geopolitischer Spannungen, Zollstreitigkeiten, Inflationssorgen und unsicheren makroökonomischen Rahmenbedingungen zurückhaltend.

Optimismus trotz schwieriger Rahmenbedingungen

Für 2025 sind wir dennoch optimistisch. Deutschland verfügt über eine exzellente Grundlagenforschung, die eine starke Basis für neue Gründungen bildet. Zwar sind die Hürden bei der Erstfinanzierung gestiegen, doch überzeugende Projekte mit solider Datenlage sind in der Lage die ersten zwei bis vier Mio. EUR an Seed-Finanzierung einzuwerben. Der Biotech- und Life-Sciences-Sektor bleibt attraktiv, auch international. Insgesamt stabilisiert sich der Markt, doch Investoren prüfen deutlich genauer, nehmen sich mehr Zeit und stellen höhere Anforderungen.

Besonders herausfordernd ist derzeit die Anschlussfinanzierung, also das Geld nach dem ersten Geld zu bekommen. Der Prozess ist komplexer geworden und dauert länger. Denn mit dem volumenmäßigen Wachstum der Fonds der spezialisierten Life Science-Investoren, sind auch ihre Anforderungen an den zu finanzierenden Investment Case weiter gewachsen, sowohl in Bezug auf die Quantität als auch Qualität der Daten. Die Due Diligence ist intensiver geworden und bindet mehr Managementkapazitäten. Zudem konzentrieren sich viele Fonds zunehmend auf spätere Finanzierungsphasen.

HTGF: Begleiter von Anfang an

Für uns bedeutet das keine grundsätzliche Neuausrichtung, aber eine Schärfung bestehender Ansätze. Seit jeher begleiten wir Gründerinnen und Gründer früh, oftmals schon während des Ausgründungsprozesses. In der Pre-Seed-Phase arbeiten wir eng mit Universitäten, Forschungsinstituten und Technologietransferstellen zusammen, um wissenschaftliche Exzellenz in tragfähige Start-ups zu überführen. Darüber hinaus stellen wir mit unserem starken Netzwerk aus Investoren, Wirtschaft und Wissenschaft gezielt Verbindungen her, um gemeinsam das technologische Rückgrat des Wissenschaftsstandort Deutschland zu stärken und internationale Marktführer hervorzubringen. Unser Fokus liegt auf Maßnahmen, die unseren Portfoliounternehmen helfen, das derzeit anspruchsvolle Finanzierungsumfeld erfolgreich zu navigieren.

Innovationen mit Risiko und Potenzial

Wir finanzieren indikationsagnostisch gezielt Innovationen in neuen Modalitäten, die das Potenzial haben, zu Wirkstoffkandidaten oder Medizinprodukten zu werden, die das Leben von Patientinnen und Patienten verändern. Ebenso investieren wir in Technologien, die den Rohstoffwandel vorantreiben; bewusst mit hohem Risiko, aber ebenso hohem Potenzial. Dabei setzen wir auf den frühen Austausch mit wissenschaftlichen Experten, Corporates und der Industrie, aber auch mit Investoren und eröffnen unser Portfoliounternehmen Zugang zu relevanten Netzwerken. Ein zentraler Aspekt ist die frühzeitige Einschätzung des Investitionsinteresses potenzieller Anschlussinvestoren: Welche Indikationen, Geschäftsmodelle und Datensätze sind für sie entscheidend? Diese Perspektiven helfen unseren Portfoliounternehmen, ihre strategische Ausrichtung marktgerecht zu schärfen.

Im Pre-Seed-Bereich sind wir bereit, vielversprechende Gründungen mit überzeugenden Datensätzen frühzeitig zu finanzieren, um Entwicklungen Risiko abzufedern und damit den Investment Case für Follow-on-Investoren zu schaffen. Kapitalintensive Gründungen versuchen wir frühzeitig zu syndizieren, um sie gemeinsam mit anderen Seed-Investoren auf eine breitere Finanzierungsbasis zu stellen. Wir finanzieren dabei in Partnerschaften mit anderen institutionellen Investoren, wie Corporates, privaten Investoren und Family Offices.

Mit Formaten wie unseren Pitch Days bieten wir Gründerinnen und Gründern zusätzlich eine Plattform, um direkt mit Investoren in den Austausch treten zu können. Gerade im über Ländergrenzen hinweg agierenden Life Science-Bereich ist eine starke Vernetzung entscheidend. Gemeinsam mit unseren Konsortialpartnern ist es uns gelungen, europäische und internationale Fonds für unsere Portfoliounternehmen zu gewinnen. Die Zusammenarbeit in der Branche funktioniert gut, das Vertrauen ist gewachsen.

Neue Möglichkeiten für die Wachstumsphase

Wir haben unser Fonds-Portfolio um eine Wachstumsfazilität, den HTGF Opportunity, erweitert, um die Finanzierung ausgewählter Portfoliounternehmen über die Seedphase hinaus signifikant zu unterstützen und sie gemeinsam mit größeren Investorenkonsortien in der Wachstumsphase zu begleiten.

Auf diese Weise bringen wir wissenschaftliche Exzellenz und eine tragfähige Investment- Strategie wirkungsvoll zusammen. In der derzeitigen Realität verstehen wir uns als verlässlicher Partner: Mit starkem Netzwerk, Prozessbegleitung und hoher Flexibilität helfen wir unseren Portfoliounternehmen, Anschlussfinanzierungen erfolgreich zu meistern. Denn gerade jetzt ist es wichtig, Life Science-Teams in der Frühphase zu unterstützen, Risiken zu reduzieren und mit der Finanzierung den Grundstein für den späteren Markterfolg und die Champions von Morgen zu legen.

Autor/Autorin

Dr. Angelika Vlachou

Dr. Angelika Vlachou, Partnerin beim High-Tech Gründerfonds (HTGF) und dort verantwortlich für den Bereich Life Sciences und Chemie, investiert seit nunmehr über fünfzehn Jahren Venture Capital in Biotech-, Pharma- und Life-Sciences-Start-ups. Im Laufe ihrer Karriere betreute sie viele Transaktionen, die von Venture Capital in der Seed-Phase über Wachstumsfinanzierung bis hin zu Lizenzverträgen, Trade-Sale-Transaktionen und IPOs reichten. Ihre Expertise fußt zudem auf ihrer virologisch-molekularbiologischen Forschungserfahrung.