Bildnachweis: ChatGPT, Phaeosynt GmbH.

Die Phaeosynt GmbH nutzt Kieselalgen als neuartige Produktionsplattform für Antikörper – nachhaltig, skalierbar und erstmals tierfrei. Mit dem Schwangerschaftstest hey mela zeigt das Startup den Proof of Concept und bereitet den Markteintritt vor. Von Urs Moesenfechtel

Aquariumliebhaber kennen ihn: den feinen braunen Belag, der sich auf Scheiben und Steinen bildet. Dahinter stecken Kieselalgen – mikroskopisch kleine Einzeller mit kunstvoll verzierten Silikat-Schalen. Im Meer gehören sie zu den wichtigsten Sauerstoffproduzenten der Erde. Kieselalgen begegnen uns auch im Alltag – ihre fossilen Schalen, Kieselgur genannt, werden etwa in Bierfiltern oder Zahnpasta eingesetzt. Doch Kieselalgen können weit mehr. „Diatomeen“ sind Hochleistungsfabriken: Sie wachsen schnell, lassen sich in großen Mengen kultivieren und genetisch so anpassen, dass sie hochspezifische Proteine herstellen – darunter auch Antikörper.

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Eine Plattform für Antikörper

Das macht sich das 2023 in Hannover gegründete Unternehmen Phaeosynt zunutze. Es setzt Diatomeen erstmals gezielt als Antikörperproduzenten ein. Damit greift Phaeosynt eine zentrale Herausforderung auf: Noch immer stammen die meisten Antikörper aus Kaninchen, Mäusen oder Zellkulturen – Verfahren, die ethische Fragen aufwerfen, lange Entwicklungszyklen erfordern und hohe Kosten verursachen. Da Antikörper zentrale Bausteine in Forschung und Diagnostik sind – etwa in Schnelltests für COVID-19 oder HIV – adressiert Phaeosynt einen wachsenden Markt. 2020 wurden in Deutschland fast 59.000 Tiere für die Herstellung blutbasierter Produkte eingesetzt, ein Hinweis auf das enorme Substitutionspotenzial.

Massgeschneiderte Antikoerper-Desktop-Lösung. Copyright: Phaeosynt GmbH
Massgeschneiderte Antikoerper-Desktop-Lösung. Copyright: Phaeosynt GmbH

Proof of Concept: hey mela

Mit hey mela hat Phaeosynt nun ein Produkt entwickelt, das die Leistungsfähigkeit der Kieselalge eindrucksvoll unter Beweis stellt. Es handelt sich um ein Diagnostikum, das jeder kennt und das wie kaum ein anderes für Verlässlichkeit steht: den Schwangerschaftstest. hey mela weist das Hormon hCG nach, das kurz nach der Befruchtung im Urin erscheint. Das Produkt beweist, dass Algenantikörper nicht nur im Forschungsmaßstab funktionieren, sondern auch in einem CE-zertifizierten Alltagsprodukt. So vereint der Test zwei Aspekte: Er ist nützliches Diagnostikum für Verbraucherinnen – und zugleich der Beweis, dass Phaeosynts Technologie marktfähig ist.

Markteintritt und Sichtbarkeit

hey mela. Copyright: Phaeosynt GmbH
hey mela. Copyright: Phaeosynt GmbH

Am 1. September 2025 startete die Preorder für hey mela, begleitet von einem Auftritt bei „Die Höhle der Löwen“. Bereits Mitte September beginnt die Auslieferung. Phaeosynt positioniert hey mela selbstbewusst als „weltweit ersten veganen Schwangerschaftstest“ – und schafft so Sichtbarkeit im Endkundensegment. Parallel richtet sich das Unternehmen an Diagnostikfirmen und Forschungspartner, die von einer standardisierbaren, skalierbaren und ethischen Antikörperproduktion profitieren sollen.

Rasante Entwicklung

Die unternehmerische Entwicklung verlief rasant: Auf die Konzeptphase 2021 folgte 2022 ein Gründungsstipendium, 2023 eine Pre-Seed-Finanzierung von 720.000 Euro. 2024 stand im Zeichen der Validierung, des Teamaufbaus und erster Förderzusagen. 2025 gelang schließlich der Durchbruch mit einer Seed-Runde von knapp 1,7 Millionen Euro, getragen unter anderem von der PSD Braunschweig Verwaltungs-GmbH und NBank Capital. Heute beschäftigt Phaeosynt zehn Mitarbeitende, ist aus der Leibniz Universität Hannover hervorgegangen und wurde 2023 mit dem 1. Platz beim Wettbewerb Startup-Impuls ausgezeichnet.

Ein wachsender Markt

Der Markt, den Phaeosynt adressiert, ist groß: Die klinische Diagnostik soll bis 2035 von 86,5 auf 147 Milliarden US-Dollar wachsen. Allein Schwangerschaftstests werden aktuell auf 1,7 Milliarden US-Dollar taxiert und entwickeln sich jährlich um fünf bis sieben Prozent. Angrenzende OTC-Produkte wie Menopausetests verstärken die Dynamik und eröffnen weitere Anwendungsfelder. Phaeosynts Differenzierung liegt in drei Punkten: tierfreie Produktion, Nachhaltigkeit und made in Germany.

Vision und Ausblick

CEO Stephanie Pfeil-Coenen. Copyright: Phaeosynt GmbH
CEO Stephanie Pfeil-Coenen. Copyright: Phaeosynt GmbH

Für CEO Stephanie Pfeil-Coenen ist damit der Grundstein für die weitere Unternehmensentwicklung gelegt: „Wir haben die Grundlage geschaffen, um eine führende Rolle in der tierfreien Antikörperproduktion zu übernehmen – sowohl in Diagnostik als auch in Forschung. Und bei unserem Schwangerschaftstest wird es nicht bleiben.“ COO Dr. Alina Eilers sieht die CE-Zulassung von hey mela als entscheidenden Wendepunkt: „Sie belegt nicht nur regulatorische Machbarkeit, sondern markiert den Start für Skalierung und internationale Expansion.“ So entsteht aus einem unscheinbaren Belag im Aquarium eine potenzielle Revolution in der Diagnostik.


Basic Facts:

Gründung: 2023
Mitarbeitende: 10
Branche: Biotechnologie/Diagnostik
Standort: Hannover
Rechtsform: GmbH
Website: http://www.phaeosynt.com

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.