Der Sachverhalt

Im vorliegenden Fall waren drei Sitze im Aufsichtsrat neu zu besetzen. Ein entsprechender Wahlvorschlag des Aufsichtsrats lag vor. Aus der Versammlung heraus wurde ein weiterer Kandidat benannt. Der Versammlungsleiter nahm den Vorschlag zur Kenntnis, entschied dann aber, dass zunächst über die vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten abzustimmen sei. Er bestimmte, dass über alle drei Kandidaten in einem Wahlgang abgestimmt werde („Simultanwahl“) und für die Auszählung das Subtraktionsverfahren zur Anwendung komme. Nachdem die Kandidaten der Verwaltung jeweils eine Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen konnten, wurde über den weiteren Kandidaten nicht mehr abgestimmt.

Der Kläger wollte sich mit diesem Ergebnis nicht abfinden. Er meinte, der Versammlungsleiter sei im Rahmen seines Leitungsermessens verpflichtet gewesen, dem weiteren Kandidaten zunächst die Möglichkeit einzuräumen, sich der Versammlung vorzustellen und zu präsentieren. Sodann sei er verpflichtet gewesen, die Wahl als Alternativwahl zwischen dem weiteren Kandidaten und jedem einzelnen der vom Aufsichtsrat vorgeschlagenen Kandidaten durchzuführen. Zumindest hätte er klären müssen, gegen welche dieser Kandidaten des Aufsichtsrats der weitere Kandidat zur Wahl gestellt werden solle und dann in Bezug auf diesen eine Alternativwahl durchführen müssen. Schließlich unternahm er den Versuch, eine Satzungsklausel zur Vorgehensweise bei Stimmengleichheit dahingehend auszulegen, dass zwingend eine Alternativwahl durchzuführen sei.

Die Entscheidung des LG München I

Das Gericht erteilte den Argumenten des Klägers eine Absage und bestätigte damit die hergebrachte Praxis. Der Versammlungsleiter habe bei der Festlegung der Art und Weise einer Abstimmung ein weites Ermessen, und es sei nicht zu beanstanden, wenn zunächst die Wahlvorschläge mit den größten Erfolgsaussichten zur Abstimmung gestellt würden. Abweichungen hiervon seien nur unter den Voraussetzungen des § 137 AktG geboten. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass eine Minderheit von mindestens 10% des in der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals die Änderung der Abstimmungsreihenfolge verlangt.

Das Gericht führte weiter aus, es gebe weder eine Verpflichtung zur Nachfrage, welche Art der Wahl gewünscht sei, noch sei es zu beanstanden, wenn der Versammlungsleiter die Simultanwahl anordne. Die Hauptversammlung, so das Gericht, sei keine „Bühne, auf der […] eine Art ‚Wahlkampf‘ durchgeführt werden müsse“. Daher habe ein Kandidat auch keinen Anspruch darauf, sich vor der Hauptversammlung vorzustellen und zu präsentieren.

Fazit

Die Entscheidung zeigt in aller Deutlichkeit, dass Wahlen zum Aufsichtsrat nicht mit politischen Wahlen gleichzusetzen sind. Das Schlagwort der „Aktionärsdemokratie“ führt also auch hier in die Irre. Würde das Berufungsgericht zu einem abweichenden Ergebnis kommen, wäre dies eine große Überraschung – dessen Entscheidung steht allerdings noch aus.

Der Artikel erschein zuerst im HV-Magazin 3-2016.

 

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