Bildnachweis: Pormezz – stock.adobe.com.
Seit Einführung des § 162 AktG durch das ARUG II sind börsennotierte Gesellschaften verpflichtet, der Hauptversammlung jährlich einen Vergütungsbericht zur Billigung vorzulegen – und geraten damit regelmäßig in das Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Vorgaben, Leitlinien der Stimmrechtsberater und Erwartungen der Investoren. Von Dr. Katharina Stüber
Das Gesetz fordert eine „klare und verständliche“ Darstellung im Vergütungsbericht. Doch was das konkret heißt, bleibt vage. Der gesetzliche Rahmen gibt keine präzisen Vorgaben für Struktur, Detaillierungsgrad oder Priorisierung einzelner Themen. Das öffnet Interpretationsspielräume – und lässt bei Investoren teils zentrale Fragen offen.
Stimmrechtsberater früh einbinden
Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Zustimmung der HV zum Vergütungsbericht liegt in der gezielten Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen relevanter Stimmrechtsberater. ISS, IVOX Glass Lewis oder BVI veröffentlichen jährlich umfangreiche Leitlinien, anhand derer sie ihre Abstimmungsempfehlungen ausrichten. Diese Leitlinien unterscheiden sich nicht nur inhaltlich, sondern können sich auch jährlich ändern. Zudem adressieren sie nicht nur formale Anforderungen, sondern auch inhaltliche Präferenzen – etwa zu ESG-Kriterien, Transparenzgraden oder Vergütungsstrukturen.
Typische Kritikpunkte von Investoren und Stimmrechtsberatern betreffen etwa identische KPIs für kurz- und langfristige Vergütung, fehlende ESG-Kennzahlen oder mangelnde Transparenz bei der Peergroup-Zusammensetzung und Versorgungszusagen. Auch das Auseinanderfallen von „doppelt wesentlichen“ CSRD-Kennzahlen und KPIs in der Vergütung oder das Nichteingehen auf Kritik aus dem Vorjahr wird zunehmend negativ bewertet.
Ein proaktives Engagement mit den Beratern – idealerweise im Vorfeld der Berichtserstellung – schafft ein besseres gegenseitiges Verständnis: Was ist dem Stimmrechtsberater besonders wichtig? Welche internen Maßnahmen hat die Gesellschaft bereits ergriffen? Dieser Dialog kann nicht nur Missverständnisse vermeiden, sondern auch Vertrauen schaffen.
Gezielte Investor Education
Eine gezielte „Investor Education“ kann entscheidend sein: Denn Investoren sind meist bei Dutzenden, teils Hunderten Emittenten international investiert – und schon daher auf prägnante, gut verständliche Informationen angewiesen. Eine bloße Veröffentlichung auf der IR-Website reicht selten aus. Umso wichtiger ist es, aktiv zu erläutern, weshalb bestimmte Vergütungsentscheidungen getroffen wurden.
Besonders wirkungsvoll ist der Bezug zu konkreten Abstimmleitlinien. In der Praxis hat sich bewährt, ausdrücklich auf bestimmte Forderungen einzugehen und bestätigend zu erklären, dass aus Sicht der Stimmrechtsberater unerwünschte Maßnahmen oder Aspekte beim Emittenten nicht ergriffen worden oder angewendet werden – etwa der Verzicht auf bestimmte Vergütungsmerkmale (z.B. kein Ermessen des Aufsichtsrats). Ebenso hilfreich sind grafische Aufbereitungen und Tabellen, die komplexe Inhalte zugänglicher machen. Diese Kür jenseits der reinen Erfüllung gesetzlicher Pflichtangaben wird von Investoren honoriert.
Fazit
Ein Praxisfall zeigt: Wer sich ernsthaft mit den Abstimmleitlinien auseinandersetzt, gezielt in den Dialog tritt und die Transparenz des Berichts erhöht, kann die Zustimmung in der HV spürbar steigern; im konkreten Fall um rund 30 Prozentpunkte. Diese Arbeit zahlt sich aus. Für den Emittenten, für Vorstand und Aufsichtsrat – und für das Vertrauen in die Governance insgesamt.
Autor/Autorin
Dr. Katharina Stüber
Dr. Katharina Stüber ist Rechtsanwältin und Diplom-Kauffrau. Sie ist Partnerin in der deutschen Corporate Praxisgruppe im Frankfurter Büro von Baker McKenzie und berät im Aktien- und Kapitalmarktrecht. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt in der Beratung börsennotierter Unternehmen im Aktien- und Konzernrecht, einschließlich Corporate Governance, sowie im Kapitalmarktrecht, insbesondere zu Veröffentlichungspflichten als Folge der Börsennotierung.