Bisher gab es in der noch jungen Hauptversammlungssaison keine großen Überraschungen. Die öffentlich geäußerte Kritik des schwedischen Großaktionärs Cevian, dass die aktuelle Konglomeratsstruktur der ThyssenKrupp AG zu komplex und schwerfällig sei und man einen Umbau des Konzerns erwarte, belebte die Diskussion um die Rolle aktivistischer Aktionäre in Deutschland neu.

Schwere Zeiten für Aktivisten
Aktivistische Hedgefonds hatten bei dem starken Börsenanstieg der letzten zwei Jahre ein sehr schwieriges Umfeld. Es gelang kaum einem Aktivisten/Hedgefonds, die Performance der Indizes zu schlagen. Gemessen am S&P 500 generierten die Hedgefonds (HFR-Index) eine Underperformance von ca. 50%. Der S&P-Index legte 2016 um 12,9% und 2017 um 17% zu, während der HFRI 2016 nur einen Zuwachs von 5,6% und 2017 von 8,5% verbuchen konnte.

Die Entwicklung des verwalteten Vermögens des „Event-driven-Hedgefonds“ Jana Partner spricht eine deutliche Sprache: Während Jana Partner im August 2015 noch 11 Mrd. USD verwaltete, waren es Ende 2017 nur noch 4,6 Mrd. USD.
Vor diesem Hintergrund ist besonders bemerkenswert, dass sich 2017 das Investitions volumen der Aktivisten in Europa mit über 20 Mrd. USD gegenüber dem Vorjahr verdoppelt hat. Europa, und somit Deutschland, scheint stärker in den
Fokus gerückt zu sein.

Europa als attraktives Spielfeld.
Die Performance-Ziele der Aktivisten sind leicht zu beschreiben. Sie streben eine Index-Outperformance und eine bessere Performance als der Wettbewerb an. Was diese Erwartung in Zahlen bedeutet, lässt sich an der Erfolgsgeschichte des Hedgefonds Elliott ablesen, der über die letzten vier Dekaden eine durchschnittliche jährliche Rendite von 13,4% erwirtschaftet hat.

Aktuelle Umfragen nach den zu erwartenden Investitionsmustern der Aktivisten kommen zu dem Ergebnis, dass diese überwiegend auf die M&A-Wertschöpfung abzielen dürften. Europa scheint hier, verglichen mit den USA, aus Sicht der Aktivisten noch Aufholpotenzial zu haben.

In Europa waren aggressive Aktivistenkampagnen und öffentliche Proxy Fights bisher eher selten. Wie eine feindliche Kampagne ablaufen kann, hat das Beispiel Stada gezeigt. Wenn man in die USA blickt, lassen sich viele Beispiele für sehr hart geführte Kämpfe finden. Die Aktivisten benötigen für ihren Erfolg die Unterstützung anderer Investoren. Es gelingt den Aktivisten immer häufiger, neben anderen Hedgefonds auch die großen Indexinvestoren für ihre Kampagnen zu gewinnen. Die passiven Indexfonds profitieren von der durch Aktivisten generierten zusätzlichen Performance. Hedgefonds-Manager wie Paul Singer von Elliott oder Daniel Loeb von Third Point sind für ihre Härte und ihre hohen Erfolgsquoten bekannt. Wenn erfolgreiche Aktivisten wie Elliott und Third Point ihre Investments veröffentlichen, kann man fast von einer Follower-Strategie anderer Investoren sprechen.
Vorbereitung ist alles

Hedgefonds-Manager, die mehrere Hundert Millionen Dollar im Jahr verdienen, sind es gewohnt, sich durchzusetzen. Sie verfügen über hervorragende Teams und bereiten ihre Kampagnen meist sehr gut vor. Die erste Kontaktaufnahme der Aktivisten mit dem Unternehmen erfolgt oft vermeintlich freundlich. Die Aktivisten haben das Unternehmen meist umfassend analysiert. Es wäre trügerisch, die Gespräche als ergebnisoffen anzusehen. Die von den Aktivisten kommunizierten Änderungswünsche verstehen diese weniger als Diskussionseinladung, sondern eher als Direktive.

Neben den restrukturierungs- und M&A-getriebenen Investitionen der Aktivisten gab es in den letzten Jahren einige wenige Short-Selling-Attacken von Hedgefonds, die für Aufregung gesorgt haben. Es stellt sich die Frage, ob die neuen MiFID-II-Regelungen dies ändern werden. Kleinere Unternehmen werden bei Analysten immer weniger Beachtung finden und die Zahl der unabhängigen Analysen wird abnehmen. Dies könnte ein neues Geschäftsfeld für Short Seller eröffnen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es ohne unabhängige Analysen noch länger dauern wird, gezielt gestreute Gerüchte zu entkräften. In der Summe muss man feststellen, dass Unternehmen sich vorbereiten können und sollten.
Transparenz schaffen
Neben den Aktivisten werden aus unserer Sicht Vergütungsabstimmungen und Aufsichtsratswahlen in dieser HV-Saison weiterhin im Fokus stehen. Bei den bisherigen Hauptversammlungen fielen Fragen nach den Kompetenzen der Kandidaten auf, obwohl deren Lebensläufe vorlagen. Einige Gesellschaften waren also mit Fragen konfrontiert, die durch die Veröffentlichung eines Kompetenzprofils für den Aufsichtsrat und  aussagekräftigere Lebensläufe hätten vermieden werden können. Die Anforderungen der Investoren an die Nominierungskonzepte, Lebensläufe und Ausschussbesetzung haben deutlich zugenommen.

Gleiches gilt für die Vergütungssysteme. Nachdem die Investoren 2017 bei drei von acht Vergütungsabstimmungen im DAX 30 die Zustimmung versagten, bleibt spannend, wie die veränderten Vergütungssysteme 2018 beurteilt werden. Die Hauptkritikpunkte waren eine nicht ausreichende Verständlichkeit und Transparenz der Systeme. Investoren erwarten sowohl konkrete Performance-Ziele als auch eine Berücksichtigung der relativen Performance. Sollte es einen diskretionären Faktor geben, sollte dieser klar beschrieben werden und auf ±20% begrenzt sein. Dies sind nur einige Faktoren – es sollten u.a. auch generelle Caps oder die ausreichende Unabhängigkeit des Vergütungsausschusses
berücksichtigt werden.

Relativ neu ist die Erwartung einiger Investoren, dass die Vergütungsabstimmung nicht nur eine einfache Mehrheit erreichen sollte, sondern eine Zustimmung von über 75% (BVI) bzw. über 80% (Glass Lewis). Dass diese Forderung ernst genommen werden muss, zeigt die Entlastungsabstimmung für den Aufsichtsrat bei SAP 2017. Der Aufsichtsrat wurde mit nur etwas über 50% denkbar knapp entlastet. Dies war ein klares Signal, dass die Investoren 2017 nach der knappen Zustimmung 2016 eine erneute Vergütungsabstimmung erwartet hätten.

Es wird interessant zu beobachten sein, ob bei der Diskussion der Vergütungssysteme mehr Augenmerk auf die Vergütungshöhe gelegt wird. Die ersten Äußerungen zu den veröffentlichten Bezügen des SAP-Vorstands lassen dies befürchten. Das Argument der gesellschaftlichen Vermittelbarkeit der Vergütungshöhe ist sicher richtig, vielleicht bietet die neue CSR-Richtli-nie die Chance, die Diskussion nicht verkürzt auf die Vergütungshöhe zu reduzieren, sondern diese erweitert unter dem Aspekt einer Verantwortungskultur zu führen.

Besonders spannend wird, wie die Vergütungsabstimmungsregelungen der Aktionärsrechterichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Unter der Annahme, dass dies erst 2019 erfolgt und das neue Gesetz 2020 zur Anwendung kommt, bedeutet dies eine signifikante Zunahme an Abstimmungen. Die Investoren müssten im Falle einer verbindlichen Abstimmung über mehrere hundert Vergütungssysteme abstimmen. Es kann auch sein, dass die Abstimmung zu den Vergütungsberichten, je nach Ausgestaltung des Gesetzes, auch schon 2020 erforderlich wird. Die steigende Anzahl der Abstimmungen und Analysen wird die Anforderungen an die Transparenz und Lesbarkeit des Vergütungsberichts nochmals deutlich erhöhen.

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