Dass Schweizer nicht nur hochqualitative Messer oder Uhren herstellen können, sondern auch auf technischem Sektor erfolgreich sind, beweist die Geschichte der 1951 gegründeten Nagra Kudelski. Den meisten dürfte das legendären Nagra III Aufnahmegerät ein Begriff sein, mit dem das Unternehmen in der Tonbandtechnologie einst neue Standards setzte. Das bekannteste Produkt aus dem Hause Kudelski dürfte jedoch Nagravision sein – das Verschlüsslungsprogramm für Pay TV wie Sky. Inzwischen wird das seit knapp 30 Jahren an der Börse notierte Unternehmen in der zweiten Generation geleitet – ohne dabei mit seiner Familientradition zu brechen.

Die Unternehmensgeschichte begann im Jahr 1951 als Gründer und Nagra-Erfinder Stefan Kudelski im Anschluss seines  Studiums mit der Entwicklung und Produktion von Tonbandgeräten für Reporter begann. Der in Warschau geborene Gründer durchlebte eine bewegte Geschichte: In der Zeit des Nationalsozialismus floh er mit seiner Familie über Ungarn und Frankreich bis sie schließlich in der Schweiz Asyl und ihre neue Heimat fanden. 1948 nahm Stefan Kudelski  in Lausanne ein Studium auf und baute schon während dieser Zeit sein erstes Tonbandgerät.

Firmengründer Stefan Kudelski
Firmengründer Stefan Kudelski

Mit Nagra III zum Welterfolg

Der  Erfolg kam erst später: Mit dem 1957 entwickelten Nagra III entstand ein Aufnahmegerät, das fast alle Anforderungen der Film-, Fernseh- und Studio-Industrie seiner Zeit erfüllte. Die Nagra III NP (1962) wurde zum Türöffner in die Welt der Filmtontechnik. Es folgten weitere Modelle; doch bereits Mitte der 1980 Jahre schien die Zeit der Tonbandgeräte vorbei zu sein. Verstärkt wurde dieser Trend damals von der Konkurrenz aus Japan, so dass sich Kudelski sich neu orientieren musste.

Zukunft in digitalen Märkte und Börsengang

1986 überzeugte André Kudelski seinen Vater, die Firma neu auf TV-Verschlüsselungssoftware auszurichten, um mit den Trends am Markt mithalten zu können. Im gleichen Jahr folgte der Börsengang, um das Wachstum des Unternehmens stärker voranzutreiben. 1989 landete schließlich der erste Großerfolg: Canal+ übernahm Kudelskis Zugangskontrollsystem für seine PayTV-Anwendung. Damit rüstet Kudelski auf einen Schlag sieben Mio. Set-Top-Boxen (TV-Decoder-Geräte) mit seiner Software aus. Über die Aufnahme in den Swiss Market Index (SMI) hinaus setzte eine beispielslose Expansionsphase ein. Zwischen 1994 und 2001 stieg der Umsatz von 28 auf 455 Mio. CHF. Die Kudelski-Aktie, Anfang 1998 noch rund 9 CHF wert, stieg zu seinen besten Zeiten auf über 250 CHF an. Im Jahr 2001 zeichnete sich die erste Krise ab: Die PayTV-Betreiber und Kudelski-Kunden NTL und Telewest überschuldeten sich in Milliardenhöhe.

Ende August 2002 sprach Kudelski seine erste Gewinnwarnung aus. Das Unternehmen EchoStar, Hauptkunde von Kudelski in den USA und zweitgrößter TV-Satelliten-Anbieter auf dem US-Markt, war mit rund 5,7 Mrd. USD zu der Zeit verschuldet. Die Fusion mit dem Konkurrenten DirectTV sollte das Überleben sichern, der Merger scheiterte jedoch.

Krisenzeiten überstanden

Inzwischen hat sich die Kudelski Group von der Krise der Vergangenheit erholt und wird nunmehr von dem Sohn des Gründers Kudelski in zweiter Generation geführt.  Die Marktkapitalisierung beläuft sich aktuell auf rund 626 Mio. CHF – allerdings zuzüglich Verbindlichkeiten in fast identischer Höhe.

Die von Kudelski entwickelten Technologien finden heute Anwendung vor allem im Bereich der Informationsübertragung, dem Schutz von Inhalten des Digitalfernsehens sowie der Zutrittskontrolle von Personen oder Fahrzeugen bei Liegenschaften. Erst jüngst wurde bekannt gegeben, dass Kudelski dem Internetriesen Google im Rahmen einer Lizenzvereinbarung Patente zur Verfügung stellt.

Fazit

Die Firmenhistorie des  familiengeführten Unternehmens zeigt , dass der Gang an die Börse eine Chance bietet, seine Visionen und Unternehmensziele breiter aufzustellen, oder auch um  einen schnelleren Erfolg auf internationaler Ebene zu erzielen – ohne jedoch mit der unternehmerischen Familientradition zu brechen. Ein Schritt, den viele familiengeführte Unternehmen aus Angst vor zu viel Fremdbestimmung scheuen. Ihre Kapitalmarktnähe untermauerten die Schweizer im Jahr 2011 auch mit einer börsennotierten Unternehmensanleihe (2011/16) im Volumen von 110 Mio. CHF – für die das Familienunternehmen nur ganze 3,0% Zinskupon ausschreiben musste. Die Ausschüttungsquote von rund 1/3 des Jahresüberschusses und damit die Dividendenrendite ist für Schweizer Verhältnisse geradezu vorbildlich. Die Geschichte der Kudelski Group belegt auch, dass es mit Mut und Innovationskraft gelingen kann, schwierige Situationen zu meistern, sich neu zu erfinden  und trotz Krisen für die Zukunft zu rüsten. Dafür steht die Innovationsfreude mit familiären Wurzeln als Erfolgsrezept der Kudelski Group.

NagraI Tabelle

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