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Sophie Huppert und Andreas Wittenburg

Von Andreas Wittenburg, Creative Director, und Sophie Huppert, Director Consulting, Whitepark GmbH & Co.

Nichts hält für die Ewigkeit – schon gar nicht in einer schnelllebigen Welt. In Deutschland werden ca. 12% der Scheidungen in den ersten vier Ehejahren vollzogen, und auch Beziehungen zwischen Auftraggeber und Dienstleistern werden heute schnell gelöst und neu geknüpft. Vor diesem Hintergrund müssen sich Agenturen immer häufiger und in immer härterem Wettbewerb miteinander messen.

Viele Anwärter – beliebte Braut?

Ein Pitch ist Arbeit für alle Beteiligten, doch die selbst auferlegte Komplexität nimmt manchmal übertriebene Formen an. So starten mehrstufige Pitches zum Teil mit bis zu zehn Agenturen und münden in langwierigen Selektionsprozessen. Fraglich ist, ob mit wachsender Menge der eingeladenen Agenturen die Qualität der präsentierten Konzepte steigt oder ob am Ende statt einer klaren Richtung nicht eher Verwirrung herrscht. Teilweise entsteht der Eindruck unsicherer Kunden oder einer im Vorfeld nicht hinreichend geklärten Zielsetzung. Nach dem Motto: „Ich weiß nicht genau was ich will, aber wenn ich fünfzehn Entwürfe sehe, wird sich schon etwas herauskristallisieren.“

Auch liegt in Pitches der Schwerpunkt naturgemäß auf den Entwürfen, während wichtige Faktoren wie betriebswirtschaftliches Know-how, Projektmanagement, Krisenfestigkeit, Budget- und Termintreue sowie das im Hintergrund agierende Team nur angedeutet werden können.

Ein Gruß aus der Glaskugel

Für Agenturen sind Briefings manchmal wie ein Blick in die Glaskugel: Nämlich immer dann, wenn diese vage und unvollständig sind. Dann muss sich die Agentur vieles zusammenreimen, mit der Gefahr, auf das falsche Thema zu setzen. Diese Situation führt zu umfänglichen Nachfragen beim Unternehmen; multipliziert mit der Anzahl der teilnehmenden Agenturen entsteht ein erheblicher Mehraufwand für den Auftraggeber. Unklare Ziele im Vorfeld führen häufig zu sich verändernden Aufgaben im Verlauf des Pitches und die Agentur wird schnell zum Fähnlein im Wind. Entscheidend ist dann, die geänderten Vorzeichen an alle Beteiligten zu kommunizieren. Nur wenn alle Agenturen unter gleichen Bedingungen präsentieren, entsteht für Kunden eine saubere Entscheidungsgrundlage und am Ende ein Geschäftsbericht, der den Kommunikationszielen des Unternehmens entspricht und die Erwartungen der Zielgruppe erfüllt.

Im Pitch kämpfen die Agenturen um den ersten Preis (den Auftrag). Foto: MMchen / photocase.de

Entfesselt: Das kreative Potenzial des Pitches

Ein Pitch gewinnt in jedem Fall, wenn beide Seiten Mut und Offenheit zeigen. Agenturen sind im Pitch Außenstehende ohne Scheuklappen; ihre Impulse geben dem Unternehmen die Chance auf eine externe Sicht. Wenn sie − statt mutig zu sein − eine (spekulative) Erwartungshaltung zu erfüllen versuchen, geht wertvolles Potenzial verloren. In kaum einer anderen Situation können Kreative freie und weitgehend unreglementierte Ideen nach eigenem Ermessen erarbeiten. Nicht gebremst durch bekannte Denkmuster, Geschmäcker, Strukturen und die immer lauernde Betriebsblindheit entstehen häufig wegweisende Lösungen.

Auch Kunden profitieren am meisten, wenn sie sich dem Neuen und Ungewohnten gegenüber öffnen. Idealerweise betreten beide Seiten gedankliches Neuland und gewinnen neue Einsichten. Selbst wenn es in einem „So weit sind wir noch nicht“ mündet: Starke Konzepte und Designs sind niemals verschwendet.