„Wer heute über den Kapitalmarkt spricht, denkt europäisch“

Kurzinterview mit Andreas Schmidt, Vorstand der Bayerischen Börse AG

GoingPublic: Herr Schmidt, ganz kurz Ihre Einschätzung der Marktmissbrauchsverordnung?

Schmidt: Grundsätzlich positiv! Die gesetzlichen Transparenzstandards wurden angehoben, der Freiverkehr aufgewertet. Ohne die international üblichen Standards wie Ad-hoc-Pflicht, Insiderverzeichnisse und Directors‘ Dealings konnten oder wollten sich viele professionelle Investoren nicht in Freiverkehrswerten engagieren. Das kann sich nun ändern. Einige wenige Emittenten nahmen die Gesetzesänderung zum Anlass, der Börse den Rücken zu kehren. Die Mehrzahl an Emittenten kommt aber nach unserer Auffassung mit den neuen Anforderungen zurecht.

Sehen Sie Chancen für eine Verbesserung der Kapitalmarktorientierung für KMUs?

Absolut. Wer heute über den Kapitalmarkt spricht, denkt europäisch, weil Kapitalmarktrecht europäisches Recht ist. Und so kommen neue Anstöße für die Belebung des Kapitalmarktes aus Europa: Die EU-Kommission hat mit der Kapitalmarktunion richtig analysiert, dass eine Stärkung der Kapitalmärkte Wachstum fördert. Ein ähnliches Ziel verfolgt die EU-Initiative zur Förderung von KMUs. Ein erleichterter Zugang zum Kapitalmarkt – etwa durch Prospekterleichterungen – oder vereinfachte Folgepflichten nach einer Notierung sind im Gespräch. Auch wenn noch viele Details zu klären sind, sind uns die Grundzüge vertraut: einfacher Kapitalmarktzugang bei adäquaten Folgepflichten und ausreichender Transparenz für Investoren, genau das sind die Eckpfeiler unseres Mittelstandssegments m:access.

Wie schätzen Sie die Chancen einer zeitnahen Umsetzung der Kapitalmarktunion ein?

Das Superwahljahr 2017 birgt – ganz unabhängig von Trump-Effekt und BREXIT – gewisse Risiken: Die Finanztransaktionssteuer oder die Abschaffung der Abgeltungssteuer mögen populäre Wahlkampfforderungen sein. Die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt und die ohnehin darbende Aktienkultur in Deutschland wären verheerend und konterkarieren die Ziele der Kapitalmarktunion. Jetzt gilt es, die ersten positiven Ansätze von Seiten der EU weiterzuentwickeln Mitgliedsstaaten, Markteilnehmer und Börsenplätze sind aufgerufen, ihre Erfahrungen einzubringen. Die Börse München wird ihren Teil dazu beitragen!

GoingPublic: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Svenja Liebig

Autor/Autorin