Hohe Erwartungen an neuen CEO

Die Ziele des aktivistischen Hedge Funds sind vermutlich nicht weit von denen entfernt, die der neue CEO Ulf Schneider im Sinn hat. Schneider ist seit 1922 der erste Outsider an der Spitze des Schweizer Multis. Er beeindruckte durch seine erfolgreiche Zeit als CEO von Fresenius. Loeb hob in seinem Brief hervor, dass die Fresenius-Aktien in der Ära Schneider eine jährliche Wertsteigerung von 20% brachten. Merkmale Schneiders sind aktive Restrukturierung, Refokussierung und wertsteigernde M&A-Strategien. Obgleich die Voraussetzungen zur Revitalisierung des Unternehmenskolosses für Schneider und Loeb unterschiedlich sind, so scheinen doch die Zielsetzungen vermutlich sehr ähnlich.

Daher sind die Aussichten auf einen aktionärsfreundlichen Kurs viel besser als in Fällen, in denen das Management Widerstand gegen begründete aktivistische Forderungen leistet. Denn um eine so bürokratische Konzernorganisation wirklich zu transformieren, muss der Wandlungsprozess von innen betrieben werden. Nur Tage nach der Veröffentlichung des Briefes hat Nestlé ein neues Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 21 Mrd. CHF über drei Jahre angekündigt. Diese Maßnahme war natürlich schon früher entschieden worden. Allerdings hatten sich Schneider und Loeb bekanntermaßen im Mai getroffen, um strategische Fragen zu diskutieren. Die Nestlé-Aktie ist zunächst auf ein neues Hoch bei 86 CHF gestiegen und liegt derzeit leicht darunter bei 81 CHF.

SPI zu 60% in US- und UK-Besitz

Wie schon in der Vergangenheit sind die Fälle von Shareholder Activism in der Schweiz stets international geprägt. Dabei gilt: Je höher die Market Cap, desto wahrscheinlicher ist, dass Nicht-Schweizer die Mehrheitsaktionäre sind. Verschiedene Studien zeigen, dass der SPI zu 40% im Eigentum amerikanischer Investoren ist, vor allem institutioneller. Dazu kommen 20% britische Eigentümer. Diese Investoren sind meist Spezialisten für Healthcare, Sondersituationen und M&A, Wachstum und Value, während auf Indexfonds, trotz deren steigender Popularität, immer noch weniger als 20% entfallen. Angelsächsische institutionelle Anleger sind erfahren bei Abstimmungsschlachten, M&A sowie sonstigen wertschaffenden oder auch -zerstörenden Strategien, die üblicherweise eingesetzt werden.

Unterschiedliche Einschätzungen sind Voraussetzung für das Funktionieren des Marktes. Dies wird deutlich bei dem anderen aktuellen Fall von Shareholder Activism in der Schweiz, etwa dem „Merger of Equals“ von Clariant und dem US-Chemieunternehmen Huntsman. Das Spezialchemieunternehmen Clariant war aus Sandoz als Spin-off hervorgegangen, während Huntsman ein börsennotiertes Familienunternehmen ist. Die Bewertungen liegen mit 6,7 Mrd. USD und 6,4 Mrd. USD auf gleicher Höhe, die Profitabilität ist ähnlich. Trotzdem haben zwei Schweizer Investorengruppen Aktienpakete von über 7% erworben und argumentieren, dass die Transaktion Wert vernichte: Clariant stünde allein besser da. Das Management und die meisten großen Investoren wollen den Deal, doch das letzte Wort haben die Aktionäre. 66% des Aktienkapitals muss dem Merger zustimmen, was noch nicht sicher scheint.

Fazit

Die Schweiz ist für aktivistische Aktionäre ein eher schwieriger Markt, da, ähnlich wie in Deutschland, Aufsichtsgremien oft duale Strukturen aufweisen. Auch das Schweizer Übernahmerecht weist einige Besonderheiten auf, mit denen Angelsachsen nicht vertraut sind. Dennoch konnte Cascade Investments, die Beteiligungsgesellschaft von Bill Gates, die Übernahme von Sika durch die französische Saint-Gobain blockieren. Syngenta und LafargeHolcim waren von Aktivisten im Rahmen ihrer jeweiligen M&A-Transaktionen dazu gedrängt worden, deutlich mehr auf Forderungen der Aktionäre einzugehen. Und auch Forderungen nach überzogenen Gehältern und Bonuszahlungen bei den angeschlagenen großen Banken wurden durch aktivistische Aktionäre erfolgreich verhindert. Wie es scheint, wird die Schweiz in der Zukunft mit ihren vielen global aktiven Unternehmen, die eben auch globale Eigentümer haben, mit mehr Shareholder Activism rechnen müssen.

 

 

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