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Der Umgang mit Fragen in einer virtuellen HV ist für dieses Format essenziell. Moderne Frage-und-Antwort-Systeme ermöglichen eine strukturierte Vorgehensweise und können damit zu einer höheren Qualität der Antworten beitragen. Ein Gespräch über Technikdetails, Einsparungspotenziale und den effizienten Know-how-Transfer teurer Führungskräfte aus dem Homeoffice.

HV Magazin: Herr Singer, Sie sind einer der Technikexperten aus der Branche der HV-Dienstleister. Was ist neben den vielen rechtlichen Themen im Zuge der neuen HV-Gesetzgebung bei der technischen Umsetzung zu beachten?

Singer: In der Tat fragen Kunden oft erst nach den betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Vorbereitungen, nach der Technik im Anschluss. Das ist natürlich verständlich, und wir bemühen uns, schnell und mit geringem Vorlauf zu reagieren sowie IT, Videotechnik und technische Features passgenau auf die jeweiligen Bedürfnisse abzustimmen. Ein wichtiger Punkt ist auch, welche Fragemöglichkeit ein Unternehmen vorgesehen hat: Werden Fragen vor allem im Vorfeld gesammelt oder ist das Fragenstellen auch live während der HV vorgesehen und in welchem Umfeld?

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HV Magazin: Warum ist das für Sie in der Technik so wichtig zu wissen?

Singer: Wir planen als Dienstleister einer HV die Technik nach den Vorgaben der Kunden. Da ist es wichtig, zu wissen, ob die Hauptversammlung virtuell ist, ob Fragen im Vorfeld oder nur per Videozuschaltung erlaubt sind, ob es ein virtuelles Rednerpult oder auch Audiozuschaltung geben soll. Außerdem ist relevant, wie die Fragenbeantwortung realisiert wird – ad hoc oder eben mit einem Frage-und-Antwort-System, wie wir es auch anbieten. Hier werden die Fragen entweder im Vorfeld eingespielt oder live von Stenografen erfasst, anschließend in einem im Vorfeld definierten Prozess beantwortet und dem Vorstand als Ausdruck oder digital zum Verlesen bereitgestellt.

Oliver Singer ist Vorstand der ACS Solution AG.

HV Magazin: Was sind ansonsten für Sie die Knackpunkte bei der Durchführung einer virtuellen HV?

Singer: Es gibt eigentlich wenige kritische Punkte. Die Virtualisierung der HVs hat bereits in der Pandemie hervorragend funktioniert. Jetzt müssen wir das Gelernte sowohl bei Präsenz- als auch bei virtuellen Hauptversammlungen nutzen und ausbauen. Der Fokus sollte auf der Funktionalität des virtuellen Rednerpults liegen.

HV Magazin: Was haben Sie für Ihre Arbeit insgesamt aus der Pandemie mitgenommen?

Singer: Die Digitalisierung wird nicht mehr zurückzudrehen sein – und das ist gut so, denn die Digitalisierung bietet den Unternehmen zusätzliche Chancen auf transparente und effiziente Kommunikation, auch während der HV. Konkret: Mit einem guten Frage-und-Antwort-System können die Fragen der Aktionäre in der virtuellen wie auch in einer Präsenzveranstaltung schnell und für alle Beteiligten einsehbar beantwortet werden. Das Backoffice wird damit entlastet und kommt bei beiden Varianten in der Regel mit weniger Manpower vor Ort aus als vor der Pandemie, als alle Beteiligten in oft engen Räumlichkeiten in der HV Location saßen. Jetzt ist es möglich, zu dezentralisieren und sogar bei Bedarf noch den Beraterstab dynamisch zu erweitern.

HV Magazin: Das klingt nach einer guten Möglichkeit, Kosten zu sparen.

Singer: Ja, vor allem Reisekosten und natürlich auch unter Nachhaltigkeitsaspekten. Gerade die Virtualisierung des Frage-und-Antwort-Prozesses in der Pandemie hat gezeigt, dass heutzutage kein hochbezahlter Manager mehr aus Hamburg nach München zur HV anreisen muss, wenn er auch von seinem Arbeitsplatz oder auch aus dem Homeoffice heraus die Fragen der Aktionäre beantworten kann – und zwar ohne dass die Qualität der Antworten darunter leidet.

HV Magazin: Was bedeutet dieser technische Fortschritt für die kommende HV-Saison?

Singer: Es ist und wird bald in vielen Firmen so sein, dass die Gesellschaft die eingegangenen Fragen komfortabel über das Frage-und-Antwort-System teilen, gemeinsam bearbeiten und dann transparent beantworten kann. Fragen können in so einem digitalen Programm, wie auch wir es bieten, etwa nach Sachgebieten zusammengefasst und dann interaktiv zwischen den zuständigen Managern und Experten bearbeitet und beantwortet werden. Da muss dann niemand vorne tuscheln, um sich zu verständigen, wer was antwortet, oder mündlich das Backoffice kontaktieren. Das geht dann alles digital, und im Idealfall schalten sich dann, von wo auch immer, je Sachthema oder Frage immer gleich die Experten im Hintergrund digital zusammen, die für die entsprechende Frage das Know-how und somit die passende Antwort haben.

HV Magazin: Sozusagen eine Art digitales Wikipedia im Firmen-Intranet – oder wie darf man sich das vorstellen?

Singer: Ja, wenn Sie so wollen. Es können dank der modernen digitalen Systeme auch Fragen im Vorfeld der HV gesammelt, gebündelt und strukturiert werden. Das bedeutet dann, wie eingangs erwähnt, dass in der Regel das Backoffice mit weniger Leuten auskommt und schnell und komfortabel auf die im Vorfeld festgelegten Sprachregelungen zugreifen kann. Das kann auch einen Mehrwert bieten, wenn man das System auch noch für weitere Aufgaben nutzt, z.B. für das ESG-Reporting.

HV Magazin: Apropos Nachhaltigkeit: Eine virtuelle HV spart dann zwar ziemlich einiges an Reisekosten, aber erhöht die Strom- und IT-Kosten, vor allem für die Ausrichter einer HV, richtig?

Singer: Der Mehrverbrauch an Strom dürfte deutlich weniger Zusatzkosten verursachen als die Reisen über oft Hunderte Kilometer für die Beteiligten im Backoffice. Überhaupt gibt es eigentlich keinen plausiblen Grund mehr, warum das Spitzenpersonal eines Unternehmens für die HV komplett auf 100 Quadratmeter versammelt werden müsste – da besteht ohnehin aus vielerlei Gründen ein Risiko.

HV Magazin: Womit aber die Attraktivität einer Hauptversammlung auch für die eingefleischten HV-Fans unter den Aktionären deutlich nachlassen dürfte.

Singer: Das mag sein, wenn es um den persönlichen Kontakt und das Sehen und Gesehenwerden geht. Aber in der Sache ist das für die Qualität einer HV eben gar kein Makel. Im Gegenteil: Wenn die Menschen, die ein hohes Interesse an der Gesellschaft haben, ohne Reisekosten und Termindruck an der Debatte teilnehmen können, steigt die Qualität der Diskussion, davon bin ich überzeugt – und das haben Kunden auch schon so gespiegelt.

HV Magazin: Wie sieht Ihrer Meinung nach eine HV in 15, 20 Jahren aus? Werden sich überhaupt noch Menschen dazu „versammeln“, wie es der Begriff suggeriert?

Singer: Digitale Prozesse werden zunehmen. Dass es noch rein physische Treffen geben wird, kann man daher bezweifeln. Der Anteil der virtuellen Teilhabe wird sicherlich weiter steigen.

HV Magazin: Herr Singer, herzlichen Dank für die interessanten Einblick in die technische Seite der HV-Organisation.

www.acs-solution.de

Das Interview führte Simone Boehringer.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.