Deutliche Worte fand die Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zu den mit dem ARUG nochmals verschärften Voraussetzungen von Klagen gegen HV-Beschlüsse:

„Räuberische Aktionäre schaden den Aktiengesellschaften in Deutschland. Mit ihren Klagen gegen die Ausführungen wichtiger Beschlüsse geht es ihnen nicht um das gemeinsame Ganze, sondern nur um persönliche, wirtschaftliche Vorteile. Das ARUG erschwert dieses fragwürdige Geschäftsmodell erheblich.?

Konsequenzen für Investor Relations

Für die tägliche IR-Arbeit deutlich wichtiger dürfte jedoch sein, dass im Aktienrecht nun endgültig das Internetzeitalter angekommen ist. Künftig können und müssen Aktiengesellschaften bei Vorbereitung und Durchführung der HV moderne Medien in weitaus größerem Umfang als bisher nutzen.

Während der Corporate Governance Kodex die Gleichzeitigkeit der Information im Sinne des Fair Disclosure über die unternehmenseigene Website verlangt, müssen börsennotierte Gesellschaften nunmehr alle hauptversammlungsrelevanten Unterlagen (Tagesordnung/Anträge zur Beschlussfassung) nach der Einberufung auf ihrer Internetseite veröffentlichen. Außerdem kann jetzt nach entsprechender Satzungsänderung vorgesehen werden, dass außer dem kostenintensiven Papierversand der HV-Einladungen die depotführenden Kreditinstitute die Mitteilungen auch in elektronischer Form übermitteln.

Die Online-HV kann kommen

Die physische Hauptversammlung mit Versammlungsleiter, Vorstand, Aufsichtsrat und Aktionären wird es zwar auch in Zukunft noch geben, es soll den Aktionären aber auch ermöglicht werden, daran über das Internet teilzunehmen. Mit der Onlineteilnahme kann der Aktionär sein Stimm- und Fragerecht – je nach Ausgestaltung der Satzung – wie ein physisch teilnehmender Aktionär in Echtzeit online ausüben.

Diese Regelung soll die Präsenz durch die Onlineteilnahme ausländischer Aktionäre erhöhen und damit Zufallsmehrheiten aufgrund nicht ausreichender physischer Präsenz verhindern helfen. Jedoch kann der online teilnehmende Aktionär später kein eigenes Anfechtungsrecht geltend machen, wenn die Übertragung aufgrund technischer Störungen unterbrochen wurde und er beispielsweise an der Stimmabgabe gehindert war. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gesellschaft bei dieser Störung der Teilnahme Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.

Fristen werden klarer – Satzungen müssen angepasst werden

Eine große Vereinfachung für die börsennotierten Aktiengesellschaften bringt die Reform sämtlicher Fristen im Vorfeld der Hauptversammlung. Bei Sonn- und Feiertagen sowie unterschiedlichen Berechnungsschemata in bisherigen Satzungen wird jetzt einfach vom Tag der Hauptversammlung zurückgerechnet – und es kommt nur noch auf Kalendertage an.

Auch mit einer Flexibilisierung des Depotstimmrechts der Banken soll die aktive Teilnahme an der Hauptversammlung gefördert und der Aktionär bereits im Vorfeld der Hauptversammlung zum „Nachdenken? über die zur Beschlussfassung vorgeschlagenen Tagesordnungspunkte angeregt werden.

Räuberische Aktionäre vor dem Aus?

Entscheidendes Ziel des ARUG war jedoch, den Spielraum für „räuberische Aktionäre? weiter zu beschränken. Das schon seit dem UMAG bekannte Freigabeverfahren gibt den Aktiengesellschaften bei Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse über Kapitalmaßnahmen oder Unternehmensverträge die Möglichkeit, eine gerichtliche Freigabe strukturändernder Beschlüsse und damit deren Eintragung in das Handelsregister zu erreichen. Und dies bevor über die Anfechtungsklage rechtskräftig entschieden wurde. Um die dafür erforderliche Interessenabwägung mehr zu konkretisieren, müssen die Gerichte nunmehr prüfen, ob das alsbaldige Wirksamwerden des Hauptversammlungsbeschlusses vorrangig erscheint, weil die Nachteile für die Gesellschaft und die übrigen Aktionäre diejenigen für den einzelnen Anfechtungskläger überwiegen.

Ob mit diesen Vorschriften dem „Unwesen? der „räuberischen Aktionäre? eine unüberwindbare Hürde auferlegt wurde, wird erst die Praxis der Entscheidungen der nächsten Jahre zeigen. Es sollte schließlich auch nicht übersehen werden, dass viele höchstrichterliche Entscheidungen der vergangenen zwanzig Jahre im Interesse und zum Schutze der Minderheitsaktionäre (beispielsweise zum Bezugsrechtsausschluss oder zur Veräußerung wesentlicher Unternehmensanteile) von solchen Aktionären miterwirkt wurden, die heute in der Presse gerne als „räuberische Aktionäre“ bezeichnet werden.

Fazit zum ARUG

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass mit dem ARUG noch kurz vor der Sommerpause ein Gesetz zur Stärkung der Aktionärsrechte verabschiedet wurde, das auch täglich die IR-Abteilungen beschäftigen wird. Insbesondere die Frage, ob denn bereits 2010 die Online-Hauptversammlung kommt, werden zumindest die großen börsennotierten Aktiengesellschaften in den nächsten Wochen und Monaten häufiger zu beantworten haben. Für alle anderen gilt, zunächst die Satzung auf die Anforderungen des ARUG zu überprüfen (und höchstwahrscheinlich zu ändern) sowie abzuwarten, ob die versprochene Kostenentlastung durch den Versand der HV-Tagesordnung per eMail auch wirklich kommt. Insgesamt hat das ARUG das Aktienrecht modernisiert – aber nicht vereinfacht.

Von RA Peter Staab, Leiter Investor Relations, MEDION AG

Der Beitrag erschien ursprünglich in der GoingPublic Ausgabe 07/09.

Autor/Autorin