Petra Nix ist Inhaberin und geschäftsführende Partnerin, Martina Gräfin von Stosch ist Leiterin der Repräsentanz München der PETRANIX Corporate and Financial Communications AG.

Familienunternehmen und Börse wird häufig als unvereinbarer Gegensatz verstanden. Im Gespräch mit dem GoingPublic Magazin erklären Dr. Petra Nix und Martina Gräfin von Stosch von PETRANIX Corporate and Financial Communications, welche Vorteile sich beim Börsengang für Familienunternehmen ergeben, welche Besonderheiten bei der Kommunikation zu beachten sind und wie man familiengeführten Emittenten die Angst vor den hohen Transparenzanforderungen nehmen kann.

GoingPublic: Frau Nix, Frau von Stosch, Familienunternehmen & Börse: Wie passt das aus Ihrer Sicht zusammen?

Nix: Sehr gut. Familienunternehmen sind nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern sie sind auch eine Bereicherung für den Kapitalmarkt, weil sie eine Strategie des nachhaltigen Wachstums verfolgen. Als dominante Großaktionäre sind sie schon aus persönlichem Gewinnstreben beiden Interessen verpflichtet – der Profitabilität und dem Wohl der Firma. Der Druck der Kapitalmärkte hilft, Fehler schnell zu korrigieren, ohne die langfristige Wertsteigerung aus dem Auge zu verlieren. Als Ankerinvestor gehen das unternehmerische Engagement und die Verantwortung eines Familienunternehmers weit über die rein kurzfristig orientierte Gewinnmaximierung sowie über die Eigeninteressen einzelner Investoren hinaus. Das Wohl der Firma steht im Mittelpunkt. Interessenkonflikte zwischen Eigentümer und Management werden reduziert und der Stewardship-Gedanke – die aktive Eigentümerschaft – wird viel stärker getragen, als dies bei Unternehmen mit einer atomisierten Aktionärsstruktur der Fall ist. Aufgrund der Überschneidung von Privat- und Unternehmensvermögen ist eine wesentliche Voraussetzung, dass eine klare Governance vorhanden ist, die die Unternehmens- und Familienstrategie vereint und sowohl die Ziele der Familie als auch die des Unternehmens berücksichtigt.

GoingPublic: Welche Vorteile und Risiken ergeben sich für Familienunternehmen bei einem Gang an die Börse?

Stosch: Der Kapitalmarkt bietet den Unternehmen eine größere strategische und finanzielle Flexibilität. Ein wesentlicher Vorteil liegt also in der Erschließung neuer Finanzierungsquellen und -alternativen, die den Unternehmen eine stärkere Unabhängigkeit von den bislang finanzierenden Banken bringt. Auch Fragen der Nachfolgeregelung lassen sich beispielsweise lösen, wenn Anteile aus dem Eigentümerkreis verkauft bzw. fungibel gemacht werden. Durch die Präsenz am Kapitalmarkt wird zudem eine Erhöhung des Bekanntheitsgrades erzielt. Durch die spezifische Eigentümerstruktur und die Einflussnahme der Familie existiert häufig eine enge emotionale Verbundenheit und starke Identifikation mit dem Unternehmen. Das Unternehmen zu erhalten, um es an die nächste Generation weiterzugeben, kann ein wichtiges Ziel sein. Bei einem Gang an die Börse werden die neuen familienfremden Aktionäre Miteigentümer, was zu einem Verlust der alleinigen Mitbestimmung führt. Über die Veränderung der Eigentümergemeinschaft müssen die Familienmitglieder und Gesellschafter im Vorfeld absolutes Einvernehmen erzielen. Unbedingt zu verhindern ist, dass familiäre Streitigkeiten in das Unternehmen hineingetragen werden. Denn unterschiedliche Interessen und Uneinigkeiten innerhalb der Unternehmensfamilie wirken sich sehr schnell negativ auf die Geschäftsentwicklung und die Reputation aus.

GoingPublic: Welche Besonderheiten gibt es hinsichtlich der Finanzkommunikation bei Familienunternehmen?

Nix: Familienunternehmen verhalten sich eher diskret. Außer den Hausbanken und den Wirtschaftsprüfern müssen sie gegenüber der Öffentlichkeit keine Rechenschaft über die Unternehmensstrategie, die laufende Geschäftsentwicklung, die Ertrags, Finanz- und Vermögenslage sowie die Risiken ablegen. Mit dem Gang an den Kapitalmarkt verändert sich das. Neben der Erfüllung zahlreicher regulatorischer Erfordernisse ist die Bereitschaft zu einer offenen und kontinuierlichen Kommunikation eine notwendige Voraussetzung. Dies bedingt eine tiefgreifende Veränderung in der Unternehmenskultur. Eine gut formulierte Unternehmensdarstellung und der kontinuierliche Einsatz geeigneter Kommunikationsinstrumente wie One-on-Ones mit den Kapitalgebern und Geschäftsberichte sind sehr hilfreich. Der professionelle Auftritt und selbstsichere Umgang mit den neuen Anspruchsgruppen stärken die Verhandlungsposition des Unternehmens mit weiteren Kapitalgebern.

GoingPublic: Häufig scheuen sich Familienunternehmen vor dem Gang an den Kapitalmarkt wegen der damit verbundenen Transparenzanforderungen. Wie kann man ihnen diese „Angst“ nehmen?

Stosch: Jedem Unternehmen ist zu empfehlen, sich im Vorfeld einer Kapitalmarktmaßnahme frühzeitig und intensiv innerhalb der Gesellschaft und zwischen den Familienmitgliedern mit den organisatorischen Voraussetzungen, den Transparenzanforderungen und der individuellen Kapitalmarktstory auseinanderzusetzen. Hierbei kann der Berater ein wertvoller Sparringspartner und Moderator sein. Der professionelle externe Auftritt ist die Grundlage für das Vertrauen der Investoren und für die Reputation am Kapitalmarkt. Eine klare und offene Unternehmensdarstellung wirkt sich schlussendlich positiv auf die Bewertung und die Finanzierungsmöglichkeiten aus. Die Begebung von Aktien – sicherlich die Königsdisziplin – ist aber nicht die einzige Möglichkeit, sich des Kapitalmarktes zu bedienen. Mittelständische Familienunternehmen wählen zunehmend ein Finanzierungsmodell, das bislang den großen Unternehmen vorbehalten war: die Emission einer Anleihe. Die Eigentümerstruktur bleibt hier unberührt und die Transparenzanforderungen sind mittelstandsgerecht ausgestaltet. Sicherlich ein interessanter erster Schritt, um mit den Usancen des Kapitalmarktes vertraut zu werden.

GoingPublic: Welche Rolle spielt für Schweizer Familienunternehmen der Kapitalmarkt? Ist die Situation mit Deutschland vergleichbar?

Nix: Familienunternehmen sind in der Schweiz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Über 80% aller Unternehmen in der Schweiz sind Familienunternehmen. In den Industrieländern sind im Durchschnitt 30% der 20 größten börsennotierten Unternehmen durch Familien kontrolliert. Die Schweiz liegt damit genau im Durchschnitt, während es in Deutschland nur 10% sind. Familienunternehmen an der Schweizer Börse sind überdurchschnittlich erfolgreich und haben es geschafft, weltweit eine bedeutende Größe zu erlangen und führende Marktpositionen zu besetzen, wie die Beispiele Schindler, Roche und Swatch zeigen. Letztere macht immer wieder durch ihre kritische Haltung gegenüber den Finanzmärkten auf sich aufmerksam. Erst kürzlich hat Swatch Mut bewiesen, indem der Verwaltungsrat beschlossen hat, ab 2013 die Rechnungslegung von der theoretischen IFRS auf die praxisnähere nationale Rechnungslegung Swiss GAAP FER umzustellen. Dies zeigt, das erfolgreiche Familienunternehmen am Kapitalmarkt durchaus eigene Akzente setzen können.

GoingPublic: Frau Nix, Frau von Stosch, vielen Dank für die interessanten Einblicke.

 

Autor/Autorin