Bei den Jobs für Kapitalmarktjuristen zeichnet sich eine Trendwende ab: Wegen der stabilen Konjunktur stellen nicht nur die internationalen Wirtschaftskanzleien mehr geeignete Kandidaten ein. Auch mittelgroße Kanzleien und Finanzdienstleister suchen neue Mitarbeiter. Davon profitieren in erster Linie berufserfahrene Spezialisten. Aber auch für Berufseinsteiger haben sich die Jobchancen deutlich verbessert: Die besten Karten haben Uniabsolventen, die neben Fach- und Wirtschaftskenntnissen ehrenamtliches Engagement sowie sehr gute Englischkenntnisse vorweisen können. Für Führungskräfte fallen die Jobangebote derzeit noch etwas geringer aus.

Seit jeher ist die Nachfrage nach Kapitalmarktjuristen (KMJ) größer als die Anzahl der spezialisierten Nachwuchskräfte. Und die stabile Konjunkturlage verstärkt den Wunsch vieler Kanzleien nach mehr Wirtschaftsjuristen. „Vor allem im Bereich Banking gibt es sehr viele Neueinstellungen“, weiß Nicola von Tschirnhaus, Recruitment Manager bei Linklaters. „Aber auch andere Bereichen des Bank- und Kapitalmarktrechts suchen exzellente Nachwuchskräfte.“ Dazu gehörten die Bereiche Bankaufsichtsrecht und Investmentrecht, verstärkte Nachfrage gebe es zudem bei Investment Management sowie Restrukturierung & Insolvenzen. „Sowohl Professionals als auch Berufseinsteiger haben hier gute Jobchancen“, erläutert von Tschirnhaus.

Sehr gutes Englisch wichtig
Für Berufseinsteiger mit juristischer Ausbildung, unternehmerischer Denke und sozialer Kompetenz sind nicht nur bei Linklaters die Jobchancen sehr gut. „Wir freuen uns über Bewerber, die neben vollbefriedigenden Examina und verhandlungssicherem Englisch die Fähigkeit mitbringen, über den juristischen Tellerrand hinauszublicken“, betont von Tschirnhaus. Kollegen von morgen würden durch interkulturelle Kompetenz, sicheres Auftreten und Teamfähigkeit überzeugen. „Wir suchen Persönlichkeiten, die zu uns passen“, beschreibt von Tschirnhaus das Linklaters-Personalkonzept. Die anziehende Nachfrage habe bisher noch nicht die Gehälter steigen lassen. „Sie sind auf hohem Niveau geblieben“, bestätigt von Tschirnhaus.

Weiterbildungsmöglichkeiten für Kapitalmarktjuristen
Weiterbildungsmöglichkeiten für Kapitalmarktjuristen

Kandidaten mit Berufserfahrung gefragt
Toptalente im gesamten Spektrum des Kapitalmarktrechts sind bei den meisten großen Wirtschaftskanzleien stets willkommen. Da dieser Bereich im Studium oft zu kurz kommt, liegt der Fokus auf KMJ mit zwei bis fünf Jahren Berufserfahrung. „Bei Corporate, Finance, Litigation und Real Estate gibt es derzeit die größten Chancen für Berufseinsteiger“, weiß Dr. Christian Cornett, Partner bei King & Wood Mallesons. Bis auf französische und chinesische Banken, die ihre kapitalmarktrechtlichen Bereiche ausbauen, seien aber in Banken freie Positionen noch spärlich gesät. Neben fachlichem Know-how sollten geeignete Kandidaten ein persönliches Commitment mitbringen, das über das jeweilige Projekt hinausgeht. „Vor allem Nachwuchsjuristen mit exzellenten englischen Sprachkenntnissen haben sehr gute Jobchancen“, betont Cornett. „Zudem schätzen wir Persönlichkeiten, die kommunikativ, proaktiv, begeisterungsfähig und kaufmännisch gewandt sind.“ Ein Hauch Esprit – passend zum guten Betriebsklima – sei ebenfalls von Vorteil. Die Vergütung von Kapitalmarktjuristen bei internationalen Wirtschaftskanzleien ist weiterhin überdurchschnittlich: King & Wood Mallesons zahlt im ersten Jahr 90.000 EUR, pro Jahr um 10 TEUR ansteigend, jeweils zuzüglich Boni. „Ab dem vierten Jahr gleichen wir Gehaltssteigerungen über höhere Boni aus“, erläutert Cornett.

Promotion oder LL.M. vorteilhaft
Eine viel bessere Einstellungspraxis als im vergangenen Jahr beobachtet Professor Michael Schlitt, Partner bei Hogan Lovells. „Die Chancen sind momentan sehr gut.“ Da sich die Kapitalmärkte auf vielen Feldern positiv entwickelten, würden momentan viele Kanzleien qualifizierte und engagierte Bewerber einstellen. „Auch Banken und Unternehmen suchen gute Juristen.“ Der Focus richte sich auf alle Bereiche des Kapitalmarktgeschäfts – Equity Capital Markets genauso wie Debt Capital Markets und Structured Finance. Aufgrund des anspruchsvollen Business sei die Personalnachfrage der großen Wirtschaftskanzleien besonders stark. „Nur sie können bei komplexen Transaktionen mit internationaler Ausrichtung und erforderlichem Sektoren-Expertise aus einer Hand beraten“, betont Schlitt.

Welches Know-how und welche Personal Skills zeichnen sehr gute Bewerber aus? „Vorkenntnisse im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht sind vorteilhaft“, sagt Schlitt. Promotion oder LL.M. könnten gleichwertige Optionen sein. „Wichtig ist die Fähigkeit, komplexe wirtschaftliche Sachverhalte rasch zu erfassen“, betont Schlitt. Außerdem sollten Bewerber großes Engagement mitbringen: „Die Arbeit im Kapitalmarktrecht kann sehr anspruchsvoll und zeitintensiv sein. Dafür winkt das Privileg, bei prominenten Transaktionen im Markt mitzuwirken.“ Obwohl wieder mehr KMJ eingestellt werden, seien die Gehälter nicht wesentlich gestiegen. „Sie befinden sich bereits auf einem sehr hohen Niveau“, meint Schlitt. „Für Bewerber werden andere Aspekte wie gute Betreuung, umfangreiche Fortbildung oder bessere Work-Life-Balance immer wichtiger.“

Nur wenige bekommen Traumgehälter
Dass 2014 die Einstiegsgehälter für Wirtschaftsjuristen trotz Rekordumsätzen kaum gestiegen sind, bestätigt das Karriereportal azur. Laut jährlicher Erhebung bei über 200 Wirtschaftskanzleien legten sie gegenüber dem Vorjahr gerade einmal um 0,8% zu. Die Nominallöhne der Bundesbürger verbesserten sich im gleichen Zeitraum um 2,6%. Dennoch haben die hochqualifizierten Einsteiger keinen Grund zur Klage: Am meisten bekamen sie mit 125.000 EUR bei der US-Transaktionskanzlei Milbank Tweed Hadley & McCloy. Im Durchschnitt verdient ein Berufseinsteiger derzeit knapp 75.000 EUR. Die Spitzenzahler sind aber zumeist sehr kleine Einheiten. Zudem sind die hohen Gehälter Folge der vom Projektgeschäft geprägten Arbeit, unkalkulierbaren Arbeitszeiten und schlechten Partnerperspektiven. Und kleinere Kanzleien – vor allem Rundumberater des Mittelstands – können folgerichtig „nur“ Gehälter unterhalb des Marktdurchschnitts bieten.

Jobvoraussetzungen Kapitamarktjuristen
Jobvoraussetzungen Kapitamarktjuristen

Ehrenamtliches Engagement nützlich
Wer ein stattliches Salär anpeilt, sollte neben Fach- und Wirtschaftskenntnissen ehrenamtliches Engagement vorweisen können. „Dabei werden wichtige Fähigkeiten wie Teamfähigkeit und Projektmanagement erlernt oder verbessert“, weiß Melina Knoche, Directorin Public Relations bei der europäischen Jurastudentenvereinigung ELSA Germany. Auch Know-how im kapitalmarktrechtlichen Bereich kann bereits während des Studiums gesammelt werden. „Zum Beispiel durch Seminare, Konferenzen oder Law Schools, die sich mit einem aktuellen juristischen Thema beschäftigen und zu unserem Veranstaltungsangebot gehören“, erläutert Knoche. Daneben gebe es während des Studiums weitere Aktivitäten, die den Berufseinstieg erleichterten. „Wer Veranstaltungen wie Moot Courts – simulierte Gerichtsverhandlungen –, fiktive Vertragsverhandlungen oder Mandanten-Erstgespräche besucht, lernt Soft Skills wie rhetorische Fähigkeiten oder Zeitmanagement “, sagt Knoche. Zudem bieten Praktika die Möglichkeit, Einblicke in die künftige Berufswelt aus erster Hand zu bekommen.

Engmaschige Netzwerke knüpfen
Darüber hinaus spielen Netzwerke eine immer wichtigere Rolle. „Für soziale Kompetenzen und Engagement ist die Examensnote allein nicht aussagekräftig“, sagt Knoche. Ein wichtiger Punkt müsse vorab geklärt werden: „Entscheidend ist, ob der Einzelne bereit ist, sich in ein Netzwerk einzubringen“, betont Knoche. Wer sich bei ELSA als der weltgrößten Vereinigung von Jurastudenten und jungen Juristen engagiert, fördere die eigene Ausbildung zum sozial kompetenten Juristen. Studenten und Berufseinsteiger sollten darauf achten, ein Netzwerk durch regelmäßige Kontakte zu pflegen. „Gerade im schnelllebigen Internet-Zeitalter sollte auch Präsenz gezeigt werden“, empfiehlt Knoche. Denn soziale Netzwerke und Karriereplattformen könnten persönliche Kontakte nicht ersetzen. Weitere Möglichkeiten bieten Ehemalige-Vereine, neben Universitäten macht ELSA ein solches Angebot: So verbindet der EAD (ELSA Alumni Deutschland e.V.) ehemalige Mitglieder, die jetzt im Berufsleben stehen.

Partnern drohen Gehaltseinbußen bei Jobwechsel
Netzwerke können auch Führungskräften nutzen, wenn diese einen neuen Arbeitgeber suchen. „Deren Jobchancen nehmen erst leicht zu“, weiß Gary Mackney, Managing Partner der Personalberatung Neumann Legal. Besonders bei Finanzdienstleistern, die sich im Bank- und Finanzaufsichtsrecht besser aufstellen wollen, gebe es mehr Personalbedarf. Aber auch mittelgroße Wirtschaftskanzleien suchten geeignete Leistungsträger, da sie mit neuen Dienstleistungen um mittelständische Unternehmen werben. „Sie spüren den Wettbewerbsdruck durch die internationalen Wirtschaftskanzleien“, weiß Mackney.

Da die Nachfrage noch überschaubar ist, haben sich die Einkommen für Führungskräfte bisher kaum verändert. „Bleibt die Konjunktur robust, dürften sich die Gehälter bis Frühjahr 2016 etwas verbessern“, sagt Mackney. Die größten Aufstiegschancen gebe es bei Großbanken, Investmentgesellschaften sowie mittleren und größeren Kanzleien. Welche Möglichkeiten haben Partner, die sich neu orientieren wollen? „Einige mittlere Wirtschaftskanzleien entdecken die Kapitalmärkte neu“, erläutert Mackney. Doch viele Partner von Großkanzleien seien „überbezahlt“ und müssten Gehaltseinbußen von bis zu 30% hinnehmen. „Die Kosten der mittelgroßen Kanzleien sind viel geringer als bei den Global Playern“, sagt Mackney. „Auch mit kleineren Stundensätzen ist für sie noch ein profitables Geschäft möglich.“

Fazit
KMJs sind nach wie vor eine rare Spezies auf dem Arbeitsmarkt. Wegen zunehmender Regulierung und guter Konjunkturlage gehen die Arbeitgeber jetzt wieder offensiver bei Neueinstellungen vor. Vor allem größere Kanzleien und einige Banken suchen vermehrt nach geeigneten Kandidaten. Auch die internationalen Wirtschaftskanzleien stellen mehr Spezialisten im Kapitalmarktrecht ein. Die besten Uniabsolventen haben nach wie vor die Qual der Wahl: Sie können nicht nur ein gutes Gehalt verlangen, sondern auch attraktive Mandate und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Thomas Müncher

Autor/Autorin