Klaus-Karl Becker, Managing Partner, BBG Beratungsgesellschaft

GoingPublic: Was kann die IR tun, damit sich mehr Privatanleger für Aktien interessieren?

 Becker: Ein wichtiger Baustein ist die zum Teil stark verbesserungswürdige Kapitalmarktkommunikation. Es gibt kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die zu spät und unvollständig berichten. Ähnliches können wir bei DAX-Konzernen beobachten. Das liegt häufig an der IR-Arbeit dieser Unternehmen. Veröffentlichungen sind nicht selten sprachliche Verschleierungstaktiken. Es wird bewusst in Kauf genommen, dass Privatanleger Zusammenhänge nicht mehr nachvollziehen können. Das hinterlässt bei ihnen in vielen Fällen ein schlechtes Gefühl. Hier muss Investor Relations sich selber stärker als „Übersetzer“ verstehen, um die Sender-Empfänger-Problematik aufzulösen.

Axel Mühlhaus, Geschäftsführer, edicto GmbH

AMühlhaus NEUWoran können Anleger ein transparentes Unternehmen erkennen?

Mühlhaus: Oft liefert schon der Blick auf die Website des Unternehmens und in die Finanzberichte mehrerer Jahre eine gute Indikation für die tatsächliche Transparenz. Wenn dort die relevanten Informationen zeitnah und über das Pflichtprogramm hinausgehend zu finden sind, ist das ein gutes Zeichen. Wichtig ist aber auch Kontinuität. Sowohl bei den veröffentlichten Kennzahlen als auch bei operativen Themen darf nicht nach Belieben hin und her gesprungen werden. Wenn jedes Quartal ein anderer Geschäftsbereich oder ein neues Projekt intensiv erläutert wird, ohne dass ein klares Gesamtbild zu erkennen ist, sollten Anleger vorsichtig sein – dann wird PR-Getöse mit Transparenz verwechselt. Und letztlich gilt: Wie aufgeschlossen ein Unternehmen wirklich ist, zeigt sich am ehesten, wenn es operativ mal nicht so gut läuft…

Michael Werneke, Senior Berater, Better Orange IR & HV AG

Was sollte IR-Arbeit tun, um die Berichterstattung zu verbessern?

Werneke: Meine Empfehlung klingt banal, sie wird in der täglichen Arbeit aber oft vernachlässigt. Transparenz hat aus meiner Sicht etwas mit Konzentration auf das Wesentliche zu tun. Es ist die Kunst, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen und den Anlegern die unerlässlichen Informationen, die für die Beurteilung eines Unternehmens, seines Geschäftsmodells und der Zukunftsaussichten relevant sind, adäquat aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Eine große Menge an Informationen kann oftmals zu einer gewissen Scheintransparenz führen.

Fabian Kirchmann, Vorstand, IR.on AG

Wie können digitale Medien die IR-Arbeit anlegerfreundlicher machen?

Kirchmann: Die Digitalisierung bietet vielfältige Möglichkeiten, die IR-Arbeit zu verbessern und mehr Anleger für ein Unternehmen zu begeistern. Wichtigstes Element ist eine professionelle IR-Website, auf der Instrumente wie Webcasts oder interaktive Charts und Tabellen heute zum Standard gehören sollten. Darüber hinaus lassen sich viele IR-Services über digitale Kanäle vereinfachen – von der Online-Anmeldung zur Hauptversammlung bis hin zur digitalen Eintrittskarte auf dem Smartphone. Das erleichtert Unternehmen und Aktionären die Prozesse und spart mittelfristig Kosten.

Thorsten Greiten, Geschäftsführer der NetFederation GmbH

Welche Fehler machen Start-Ups bei der IR-Arbeit?

Greiten: Die meisten Start-ups sind stark von ihren Gründern beeinflusst und konzentrieren sich auf die Realisierung ihrer Geschäftsidee, ohne dabei die sich verändernde Umwelt wahrzunehmen. Kaufmännische Themen wie gesunde Buchführung, funktionierendes Marketing oder transparente Kommunikation sind nicht gelernt oder werden in ihrer Wirkung unterschätzt. Oft wird erst an das Produkt und dann an den Kunden oder Stakeholder gedacht. Eine zu starke Konzentration auf Wettbewerber lässt die offene Finanzkommunikation als Risiko erscheinen. Erst wenn frisches Kapital benötigt wird, zieht das Management IR-nahe Strukturen in Erwägung.

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