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Das aktuelle Marktumfeld, geprägt von schwacher Konjunktur, geopolitischer Unsicherheit und höheren Zinsen, stellt viele Biotechunternehmen vor Herausforderungen beim Einwerben von Kapital: IPOs finden kaum statt, und in privaten ­Finanzierungsrunden werden Gelder selektiver verteilt. Umso wichtiger ist in dieser Situation die richtige Strategie bei der Investorenansprache. Wer potenzielle Geldgeber überzeugen will, muss klare Botschaften senden und ihre Erwartungen präzise adressieren. Von Dr. Johanna Kobler

 

Dr. Hubert Birner. Copyright: TVM Capital
Dr. Hubert Birner, Managing Partner, TVM Capital

Die Zurückhaltung vieler Kapitalgeber verändert die Spielregeln: „Es ist schwieriger geworden, Finanzierungsrunden mit Geldern neuer Investoren zu strukturieren“, erklärt Dr. Hubert Birner, Managing Partner bei TVM Capital Life Science. Der Fokus liege häufig auf der Absicherung bestehender Portfoliofirmen; neue Beteiligungen werden besonders kritisch geprüft. In diesem Umfeld gewinnen klare, belastbare Entwicklungsstrategien an Bedeutung. „Interessant für uns sind Unternehmen mit First-in-Class-Produktkandidaten, die vor dem ­Abschluss der präklinischen Studien stehen oder bereits erste klinische Phase-I-Projekte verfolgen – idealerweise mit dem Ziel, innerhalb von fünf Jahren den Proof of Concept zu liefern und die klinischen Produkte nach der erfolgreichen Phase IIa zu verpartnern.“ Unternehmen, die hier überzeugen wollen, müssen ihren Kapitalbedarf glaubhaft beziffern und realistische Entwicklungsmeilensteine darstellen können. Wer bei Investoren mit unklaren Plänen auftritt, riskiert schnell den Vertrauensverlust.

Strategie statt Technologie­zentrierung

Dr. Matthias Kromayer Managing Partner, MIG Capital
Dr. Matthias Kromayer, Managing Partner, MIG Capital

„Wer vom Ziel her denkt, hat deutlich bessere Erfolgschancen als jemand, der sich nur auf die Technologie konzentriert“, sagt Dr. Matthias Kromayer, Managing Partner bei MIG Capital. Eine rein auf die Wissenschaft fokussierte Argumentation ohne klare Perspektive auf klinischen Nutzen und Product-Market-Fit reicht nicht aus. Stattdessen suchen Investoren nach Unternehmen, die den medizinischen Bedarf in den Mittelpunkt stellen, realistische Zielmärkte definieren und konkrete Schritte zur Marktreife aufzeigen und ihren Kapitalbedarf hierfür sicher darstellen können. Wer hier unklar bleibt, wirkt unvor­bereitet: „Man sollte seine Kennzahlen in ­jedem Gespräch mit Investoren im Detail kennen“, so Dr. Kromayer.

Das Team als Erfolgsfaktor

Dr. Olivier Litzka, Partner, Andera Partners
Dr. Olivier Litzka, Partner, Andera Partners

Auch Dr. Olivier Litzka, Partner bei Andera Partners, beobachtet eine gestiegene Selektivität aufseiten der Investoren, sieht die Branche aber auf stabilem Fundament: „Der Bedarf an innovativen Produkten in Biotech und Medtech besteht weiterhin. Der Schlüssel zur Bewältigung der Hochs und Tiefs in unserer Branche liegt dabei in der sorgfäl­tigen Auswahl unserer Investments. Erfolgreiche Unternehmen müssen die richtige Balance zwischen wissenschaftlicher Innovation und einer tragfähigen Strategie zur Produktentwicklung finden.“ Investoren ­legen daher großen Wert auf ein erfahrenes, interdisziplinär aufgestelltes Team – mit ­Expertise in Wissenschaft, Entwicklung, IP, Zulassung und Vermarktung. Wo noch ­Lücken bestehen, zählt die Bereitschaft, das Team gezielt weiterzuentwickeln. Viele ­Investoren bringen hier nicht nur Kapital, sondern auch Netzwerke und operative ­Erfahrung ein.

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Transparenz und glaubwürdige Kommunikation

Katja Arnhold, Managing Partner, MC Services

Auch Haltung und Kommunikationsstil prägen den Eindruck bei Investoren. Offenheit im Umgang mit Risiken, ein klarer Blick auf mögliche Herausforderungen, insbesondere realistische Timelines sowie eine reflektierte Fehlerkultur schaffen Glaubwürdigkeit. Gleichzeitig gilt: Die beste wissenschaft­liche Idee verpufft, wenn sie nicht in ein schlüssiges Geschäftsmodell eingebettet ist. „Eine überzeugende Investorenansprache basiert daher auf einer fundierten strategischen Positionierung, verständlicher Kommunikation und konsistenter Darstellung über alle Kanäle hinweg – vom Pitch bis zur langfristigen Kapitalmarktpräsenz“, ergänzt Katja Arnold, Managing Partner bei MC ­Services.

Fazit

In einem zunehmend selektiven Kapitalmarkt kann nur überzeugen, wer wissenschaftliche Exzellenz, marktorientierte ­Alleinstellungsmerkmale und ein erfahrenes Team mit klarer Strategie verbindet. Eine professionelle, an den Erwartungen des Kapitalmarkts ausgerichtete Investorenansprache ist kein Nice-to-have, sondern notwendige Voraussetzung für den Finanzierungserfolg.

Autor/Autorin

Dr. Johanna Kobler
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Dr. Johanna Kobler ist Consultant bei der MC Services AG und bringt fundierte wissenschaftliche Expertise sowie Erfahrung in der strategischen Kommunikation für Unternehmen und Investoren im Life-Sciences-Sektor mit. Mit einem Hintergrund in den Bereichen Biowissenschaften, Wissenschaftskommunikation und Philosophie verbindet sie naturwissenschaftliches Know-How mit analytischem Denken. Sie unterstützt Kunden bei Investor Relations, Public Relations und Corporate Communications. Ihr Fokus liegt auf der Vermittlung komplexer wissenschaftlicher Inhalte an unterschiedliche Zielgruppen sowie der Entwicklung wirkungsvoller Kommunikationsstrategien für wachstumsorientierte Biotech- und Pharmaunternehmen.