Bildnachweis: AdobeStock_mi_viri, Ebenbuild.

Das Münchner MedTech-Startup Ebenbuild sichert sich bedeutende Fördermittel aus dem EIC Accelerator-Programm. Mit dem Kapital will das Unternehmen seine Lungen-Digitalzwillinge für klinische und kommerzielle Anwendungen zur Marktreife bringen – im Fokus steht die Simulationssoftware Twinhale für digitale Inhalationsstudien. Von Urs Moesenfechtel

Das Münchner Digital-Health-Unternehmen Ebenbuild hat einen Zuschuss in Höhe von 2,3 Mio. EUR aus dem EIC Accelerator erhalten – einem besonders kompetitiven Förderinstrument der Europäischen Kommission zur Unterstützung innovativer Start-ups und KMU. Zusätzlich stellt der zugehörige EIC-Fonds bis zu 10 Mio. EUR für mögliche Folgeinvestitionen in Aussicht. Die Mittel sollen die Markteinführung der Softwareplattform Twinhale ermöglichen – ein Werkzeug für sogenannte in-silico-trials, also digitale klinische Studien, mit Fokus auf inhalative Wirkstoffverabreichung.

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Was Twinhale leisten soll

Twinhale basiert auf Ebenbuilds proprietärer Plattformtechnologie, die physikbasierte Modelle, KI und Datenanalyse kombiniert. Sie ermöglicht die patientenindividuelle Simulation der Medikamentenverteilung in der Lunge und ist laut Unternehmen die erste skalierbare Lösung für physiologisch präzise Vorhersagen zur pulmonalen Wirkstoffdeposition. Zielgruppe sind Pharma- und Medtech-Unternehmen, die damit präklinische Studien digitalisieren und Entwicklungsrisiken, Zeit und Kosten senken könnten. Die Software kam bereits in Pilotprojekten mit PARI Pharma und Pieris Pharmaceuticals zum Einsatz. In einer Validierungsstudie konnte Twinhale herkömmliche Modelle übertreffen: „Mit Twinhale senken wir nicht nur die Abbruchraten in der respiratorischen Wirkstoffentwicklung – wir erzeugen auch neuartige Datensätze, die die regulatorische Akzeptanz fördern und zukünftige Companion-Diagnostics-Strategien ermöglichen können“, so Dr. Maximilian Grill, Head of In Silico Trials bei Ebenbuild.

Digitale Zwillinge im Wachstumsmarkt

Die Entwicklung von Twinhale ist Teil von Ebenbuilds größerer Vision: einer Plattform für personalisierte, digitale Lungensimulationen entlang der gesamten medizinischen Wertschöpfungskette. In einem ersten Schritt adressiert das Unternehmen den Markt für in silico trials, den Ebenbuild selbst mit über 5 Mrd. Euro beziffert. Externe Marktanalysen sehen den weltweiten Markt aktuell bei rund 3,5 bis 4 Mrd. USD, mit deutlich wachsender Tendenz bis 2030.

CEO Dr. Kei Müller formulierte die Zielrichtung klar: „Unsere Vision ist es, die führende Gesundheitsintelligenz-Plattform für Atemwegserkrankungen zu werden. Twinhale ist erst der Anfang.“

Mittelfristig soll das gleiche technologische Fundament auch klinische Entscheidungsunterstützungssysteme (Clinical Decision Support Systems, CDSS) ermöglichen – etwa für die Optimierung von mechanischer Beatmung in der Intensivmedizin. Auch hier nennt Ebenbuild ein Marktvolumen von rund 10 Mrd. Euro. Unabhängige Studien schätzen diesen Bereich derzeit auf rund 5,5 bis 8 Mrd. USD weltweit. Langfristig visiert das Unternehmen zudem den umfassenderen Markt der personalisierten Medizin an, den es selbst auf über 300 Mrd. Euro bis 2030 beziffert. Auch diese Zahl dürfte eher das Potenzial des Gesamtsegments abbilden als den konkreten Zielmarkt.

Rückenwind für einen strategischen Wendepunkt

Mit dem EIC-Zuschuss und der Aussicht auf zusätzliche Eigenkapitalfinanzierung erhält Ebenbuild nun nicht nur frisches Kapital, sondern auch ein starkes Validierungssignal. Die Förderung gilt als eine der prestigeträchtigsten Auszeichnungen für Deeptech-Unternehmen in Europa. Für das Unternehmen, das bislang unter anderem durch den HTGF, Bayern Kapital und mehrere Angel-Investoren finanziert wurde, stellt diese Zuwendung einen Wendepunkt dar: Twinhale kann nun gezielt in den Markt eingeführt werden – erste Referenzprojekte liegen bereits vor, die klinische und regulatorische Akzeptanz muss jedoch weiter aufgebaut werden. Die digitale Zwillings-Technologie von Ebenbuild zeigt, wie personalisierte Simulation künftig klinische Studien und Therapien effizienter machen könnte. Doch die Herausforderungen bleiben: Die Integration solcher Software in bestehende regulatorische, industrielle und klinische Strukturen ist komplex und verlangt belastbare Evidenz.

Doch wie konkret sieht die geplante Finanzierung und Weiterentwicklung der Plattform aus? Im Interview mit Plattform Life Sciences erläutert CEO Dr. Kei Müller, welche Rolle die EIC-Mittel und künftige Investoren spielen sollen – und wie die nächsten Wachstumsschritte finanziert werden könnten:

Plattform Life Sciences: Herr Müller, neben dem 2,3 Millionen Euro Zuschuss sieht der EIC-Fonds auch eine Eigenkapitalbeteiligung von bis zu 10 Millionen Euro vor. Können Sie grundsätzlich erläutern, wie Sie diese Finanzierungskomponente in Ihre Wachstumsstrategie einbinden wollen?

Dr. Kei Müller, CEO ebenbuild. Copyright Foto: ebenbuild
Dr. Kei Müller, CEO, Ebenbuild. Copyright Foto: Ebenbuild

Kei Müller: Die nächste Finanzierungsrunde wird der Entwicklung und Kommerzialisierung von Plattformprodukten dienen, darunter Twinhale sowie stärker regulierte Produkte.

Wie schätzen Sie die Rolle der bestehenden Investoren wie HTGF, Bayern Kapital und Angel-Investoren im Kontext der möglichen Beteiligung des EIC-Fonds ein?

Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zu unseren Investoren, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie bei einer Beteiligung des EIC-Fonds, der ja Neuinvestoren zum Spiegeln braucht, ihrerseits ihr Engagement ausweiten.

Gibt es aus Ihrer Sicht einen zeitlichen Rahmen oder Überlegungen für weitere Finanzierungsrunden, die Sie bereits öffentlich kommentieren können?

Wir planen eine Series-A-Finanzierungsrunde in Höhe von 15 Millionen Euro für die klinische Validierung unserer zweiten Produktlinie AEROGRAM, einer Clinical Decision Support Software im Bereich der Intensivbeatmung. Den Startschuss zur Finanzierungsrunde haben wir heute auf der Tech Tour Growth Health 2025 in Lausanne vor einem internationalen Investoren-Panel gegeben.

Welches Geschäftsmodell streben Sie für die Markteinführung von Twinhale an, und wie sieht aus heutiger Sicht der Finanzierungsbedarf für die Skalierung der Plattform aus?

Wir streben mehrere skalierbare Software-as-a-Service (SaaS) Lösungen auf Basis unserer Digital-Twin-Plattform an. Gegenwärtig planen wir, u.a. abhängig von der avisierten Marktdurchdringungsdynamik, mit einem Finanzierungsbedarf im insgesamt zweistelligen Millionenbereich, um uns international zu etablieren.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Autor/Autorin

Urs Moesenfechtel
Redaktionsleiter at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.