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Der Börsenstart des Cannabis-Start-ups Cantourage Group am 11. November war beeindruckend. Die in Frankfurt gelistete Aktie startete mit 6,48 EUR und überschritt dann rasch die 20-EUR-Marke. Kommt nach dem Höhenflug nun der freie Fall? Derzeit liegt die Aktie bei ca. 15 EUR. Ein Gespräch über das Börsentiming in unruhigen Zeiten, ambitionierte Umsatzziele und Expansionsstrategien.

GoingPublic: Herr Schetter, Sie haben mit Cantourage den schon 2021 geplanten Börsengang vor Kurzem durchgezogen – anders als viele andere Unternehmen. Anfangs stieg der Kurs, zu Beginn dieses Interviews liegt er bei ca. 15 EUR. Sind Sie dennoch zufrieden?

Schetter: Dass unser Listing erst zu diesem Herbst erfolgte, ist seiner sorgfältigen Vorbereitung geschuldet. Trotz Krisenzeiten glauben wir an den Cannabismarkt und wir möchten Anlegern die Chance bieten, darin zu investieren. Vor uns boten sich für interessierte Anleger wenige solcher Möglichkeiten. Und der Zuspruch und das Feedback, den wir bekommen, geben uns recht: Wir haben einen Nerv getroffen.

Philip Schetter ist CEO der Cantourage SE

GoingPublic: Der Börsengang wurde also nicht aufgeschoben, weil sich auch die Legalisierung-Debatte ohne konkrete Ergebnisse in die Länge zog?

Schetter: Nein, wir hatten für unser Listing nie einen konkreten Zeitpunkt genannt. Auch haben wir den Zeitpunkt nicht von der Diskussion zur Abgabe von Cannabis als Genussmittel abhängig gemacht. Wir agieren aus einer Position der Stärke heraus im stetig wachsenden Medizinmarkt. Wir wachsen stärker als der an sich schon wachsende Markt. Natürlich wäre eine Legalisierung im Freizeitmarkt auch für uns ein enormer Boost – sie ist für uns aber nicht zwingend nötig.

GoingPublic: Sie konzentrieren sich derzeit auf die Herstellung von Arzneimitteln – dennoch wirkt das äußere Erscheinungsbild von Cantourage so, als würden Sie letztlich doch auf den Freizeitmarkt zielen.

Schetter: Pharma muss nicht langweilig oder konservativ sein. Wir kommunizieren das Innovative und Disruptive unserer Produkte – auch im Erscheinungsbild. In zwei Marktsegmenten sind wir besonders stark: Bei dem Wirkstoff Dronabinol sowie bei getrockneten Blüten. Hier erfüllen wir die höchsten Standards. Unsere Produkte könnten, was die Qualität anbelangt, daher grundsätzlich auch in Freizeitmärkte abgegeben werden.

GoingPublic: Sie berichteten zuletzt von einer geplanten Verdreifachung Ihres Umsatzes …

Schetter: Ja, diese Verdreifachung streben wir für dieses Jahr an. Was konkrete Gewinne angeht, haben wir von 2019 bis 2021 kumulativ etwas unter 2 Mio. EUR Verlust gemacht. Das halten wir für sehr überschaubar. Parallel zur Vorbereitung des Börsengangs haben wir aber unser Geschäft aufgebaut. In Großbritannien verfügen wir nun über einen eigenen Großhandel, Importeur und eine Cannabis-Teleklinik. Sicher: Wir sind gerade in der Konsolidierungsphase und zum Ende des Jahres wird unser EBITDA auch leicht negativ sein – doch alle unsere derzeitigen Vorbereitungen zielen darauf, im nächsten Jahr weiter zu wachsen.

GoingPublic: Planen Sie Akquisitionen, weitere Expansionen?

Schetter: Wir bauen das Deutschlandgeschäft aus, das UK-Geschäft wurde gestartet, in Polen werden wir ebenfalls weiterhin aktiv sein. Wir haben auch schon in andere Länder unsere Produkte verkauft und werden das auch weiter tun. Der deutlich größte Cannabismarkt in Europa ist und bleibt daher auch für uns Deutschland. Hier gibt es bei Patienten häufig eine Kostenübernahme, das Geschäft im Medizinbereich ist also sehr robust.

GoingPublic: Zuletzt wurde über einen Insidertrade berichtet, also den Verkauf von Aktien durch Mitglieder des Managements. Was hatte es damit auf sich?

Schetter: Den Gründern, dem Management und dem Team gehören weiterhin mehr als 75% der Aktien. Doch wir sind angetreten, Cannabis zu demokratisieren. Wir wollen mehr Anlegern die Chance geben, in diesen Markt zu investieren. Daher wurde der Free Float der Aktien erhöht, und das geht eben nur über Inhaberverkäufe. Wenn diese sehr viele Aktien halten und einige wenige davon verkaufen, um Liquidität im Markt zu schaffen, ist das den Ansprüchen an Handelsvolumina geschuldet. Es ist ein Balanceakt – und vielleicht sind wir hier auch „victims of our own success“.

GoingPublic: Das kann man auch anders sehen …

Schetter: Nein, nicht in der Größenordnung. Es geht uns nicht ums Kassemachen, wenn Sie das meinen: Sehen Sie, zum Aufbau unserer Company haben wir extrem wenig Kapital aufgenommen. Es waren weniger als 5 Mio. EUR – aber mehr haben wir auch bisher nicht benötigt. Angesichts dessen ist es doch verständlich, dass die Company die allermeisten Anteile hält. Wir brauchen derzeit auch keine weiteren Kapitalerhöhungen für unser operatives Geschäft, weil wir gut wirtschaften. Jetzt eine wesentlich größere Kapitalerhöhung zu machen, nur um mehr Free Float zu erzeugen – ohne zu wissen, was dann mit dem Anlegergeld passieren soll – wäre nicht sinnvoll. Wann und in welcher Höhe machen wir davon abhängig, ob sich neue Märkte auftun, wir also für eine weitere Expansion Mittel benötigen.

GoingPublic: Herr Schetter, herzlichen Dank für Ihre Zeit und den interessanten Einblick.

Das Interview führten Urs Moesenfechtel und Ike Nünchert.

Fakten & Zahlen – Cantourage Group SE
Gründung: 2019
Branche: Pharma
Unternehmenssitz: Berlin
Umsatz 2021: 5,2 Mio. EUR
Jahresfehlbetrag 2021: -0,8 Mio. EUR
Mitarbeiter: 36
Börsenstart: 11. November 2022
Segment: Scale, Frankfurt
Anzahl der Aktien: 12.467.479 Stück
Market Cap: 202 Mio. EUR
Anteilseigner: Gründer, Management, Team: >70%; Streubesitz: 15%

www.cantourage.com

Autor/Autorin

Ike Nünchert ist Mitglied des Autoren-Teams und schreibt für GoingPublic On- & Offline-News rund ums Börsengeschehen schwerpunktmäßig in Europa und den USA. Ein weiterer Berichtsfokus liegt beim Segment gründergeführter börsennotierter Unternehmen.

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.