Wahlen zum Aufsichtsrat laufen in den meisten Fällen routiniert und unkompliziert ab. Der Aufsichtsrat unterbreitet Wahlvorschläge, die gemeinsam mit der Einladung und der Tagesordnung veröffentlicht werden. Die Anzahl der Kandidaten entspricht dabei der Anzahl der zu besetzenden Mandate. Das Wahlverfahren bereitet in diesen Fällen keine größeren Schwierigkeiten. In der Regel lässt der Versammlungsleiter über jeden Kandidaten gesondert abstimmen.

Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, Zirngibl Langwieser
Dr. Thomas Zwissler, Rechtsanwalt und Partner, ZIRNGIBL

Diese sogenannte „Einzelwahl“ entspricht der Empfehlung des Deutschen Corporate Governance Kodex (Ziffer 5.4.3 DCGK). Sie hat sich gegenüber der früher üblichen „Block-“ oder „Listenwahl“ durchgesetzt, bei der gleichzeitig und gemeinsam über eine Mehrzahl von Kandidaten (die „Liste“) abgestimmt wird.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass Wahlen zu politischen Ämtern anderen Regeln folgen, wird immer wieder die Frage erörtert, ob das Aktiengesetz nicht auch andere Wahlverfahren zulässt, etwa eine „Alternativ-“ oder „Verhältniswahl“. Beiden Wahlverfahren ist gemeinsam, dass in einem Zug über alle Kandidaten abgestimmt wird. Der wesentliche Unterschied besteht hingegen darin, dass der Aktionär bei der „Alternativwahl“ nur eine Stimme für einen Kandidaten abgeben kann, während er bei der Verhältniswahl eine Anzahl von Kandidaten wählen kann, die der Anzahl der zu besetzenden Sitze entspricht.

Wahlverfahren wie die „Alternativ-“ oder „Verhältniswahl“ werden in der juristischen Literatur überwiegend für zulässig erachtet. In der Praxis spielen sie aber praktisch keine größere Rolle. Gibt es ohnehin nur so viele Kandidaten, wie Sitze zu verteilen sind, versprechen die Verfahren keinen Mehrwert. Gibt es hingegen mehr Kandidaten als Sitze, ist die Verwaltung in der Regel bestrebt, die Wahlvorschläge des Aufsichtsrates durchzusetzen und anderen Kandidaten gar nicht erst die Möglichkeit zu geben, sich durch ein möglicherweise respektables Wahlergebnis zu profilieren.

So lässt sich festhalten, dass die bestehende Praxis externe Kandidaten zumindest nicht begünstigt. Eine andere Frage ist jedoch, ob das Aktiengesetz eine stärkere Unterstützung externer Kandidaten zwingend vorschreibt. Diese Frage war Gegenstand der Entscheidung des Landgerichts München I.

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