„Wir sollten das Momentum nutzen“

Interview mit Dr. Karin Kleinhans, Partnerin, EQT Life Sciences

Bildnachweis: EQT Life Sciences.

Aus Life Sciences Partners wird EQT Life Sciences. Der Zusammenschluss beider Häuser ermöglicht den Verantwortlichen großvolumige Investitionen sowohl im Early- als auch im Late-Stage-Bereich.

 

Plattform Life Sciences: Frau Dr. Kleinhans, bereits vor dem Zusammenschluss von Life Sciences Partners (LSP) mit EQT verfügte LSP mit ihrem 1 Mrd. EUR umfassenden LSP 7 über den größten Venture-Capital-Fonds für Life-Sciences-Finanzierungen in Europa. Welche Investitionsstrategie verfolgen Sie bei künftigen Investments, etwa in der DACH-Region?

Dr. Kleinhans: Seitdem LSP existiert, ist die DACH-Region einer unserer Heimatmärkte, also seit über 20 Jahren. Unser LSP 7 hat die gleiche Strategie wie unsere vorherigen Fonds – mit der Ausnahme, dass wir pro Investment nun mehr Geld einsetzen können. Das bedeutet größere Investitionen, mehr Stabilität und längere Laufzeiten und damit auch eine größere Wertschöpfung. Man sieht immer wieder, dass sich Unternehmen in einer frühen oder prä­klinischen Phase nur schwer verkaufen lassen. Mit unseren Möglichkeiten können wir die Unternehmen nun längerfristiger begleiten, bis sie ihren Proof of Concept erbracht haben. Natürlich können wir auch andere Risiken mit diesem großen Fonds begegnen, aber sein Hauptzweck ist schlussendlich, dass wir die gesamte Wertschöpfungskette eines Portfoliounternehmens begleiten können.

Erleben wir gerade eine gute Zeit für Life-Sciences-Investitionen? Die politische Lage ist äußerst instabil.

Biotech befindet sich aktuell in einer der schwierigsten Marktsituationen seit langer Zeit. Das sieht man vor allem an den Börsen, die immer rasch reagieren. Es ist sehr schwer für Biotechfirmen, neues Kapital einzuwerben, aber in den letzten zwei Jahren sind gerade durch den Hype zahlreiche Firmen an die Börse gegangen, die es ansonsten nicht geschafft hätten. Hier muss man einen Ausgleich finden zum Markt für Privatkapital. In der DACH-Region hat dies bislang noch keine gravierenden Auswirkungen, da viele VC-Player Rekordsummen einwerben konnten. Es ist auch reichlich Private Equity verfügbar.

Was uns allen bewusst wird, ist die Tatsache, dass wir wieder auf ein Modell zurückgehen, welches kostensparend ist und lange Entwicklungszeiten ermöglicht, sodass die Firmen ihren Proof of Concept erreichen können, um für einen großen Pharma-Player attraktiv zu werden.

Wie muss man als international agierender Investor aufgestellt sein, um auch in Zukunft erfolgreiche Investitionen zu tätigen?

Unsere Fonds sind immer nach der gleichen Strategie aufgesetzt. Wir investieren jeweils in 15 bis 20 Firmen und verteilen unsere Investitionen über die europäischen Regionen sowie einen kleineren Teil in den USA. Der LSP 7 eröffnet uns und den Firmen, in die wir investieren, nun neue Möglichkeiten. Diese können dadurch länger privat bleiben, an ihrer Technologie arbeiten, um ihre De-Risking-Meilensteine zu erreichen. Wir können aber auch in späteren Phasen investieren, also auch eine Phase-IIb- oder eine Phase-III-Studie finanzieren, um die großen Biotechs in Europa mitzubauen.

Als Investor sind wir lange genug aktiv, um zu wissen, dass es Downsize- und ­Upsize-Märkte gibt. Unsere Strategie war immer, frühzeitig für jede Entwicklung ­gewappnet zu sein und ggf. frühzeitig reagieren zu können – das war vor Corona so und das ist auch in Zeiten schwankender Märkte so, in denen man länger privat bleibt und kostensparender agiert.

Können Sie uns ein Erfolgsbeispiel aus der jüngeren Vergangenheit nennen, in das Ihr Haus investiert hat?

Viele unserer Projekte laufen noch unter dem Radar. Aus der DACH-Region möchte ich aber das Hannoveraner Start-up Cardior nennen, einen Spezialisten für die Erforschung einer neuen Klasse von RNA-basierten Wirkstoffen gegen Herzinsuffizienz. Im vergangenen Jahr konnte Cardior im Rahmen einer Series-B-Finanzierung über 64 Mio. EUR einwerben, um damit eine Phase-IIb-Studie als Proof of Concept zu finanzieren.

Verfügt Deutschland aus Ihrer Investorensicht über ein ausreichendes Gründungsökosystem, um auch künftig weitere „BioNTechs“ zu produzieren?

Ich glaube, es gab noch nie so gute Bedingungen für Gründer: von Techtransferorganisationen an den Universitäten über öffentliche und private Seed-Finanzierungen, Public-Private-Partnerships, wie sie etwa Evotec betreibt, bis hin zu Businessplanwettbewerben und Business-Angels-Finanzierungen. Es bestehen wirklich viele Möglichkeiten für Gründungswillige und junge Unternehmen, die es so in der Vergangenheit noch nicht gegeben hat. Es ist quasi die Zeit des Biotechgründers!

Trotzdem ist die Zahl der erfolgreichen Biotechausgründungen in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern niedrig. Ich glaube, da muss man ein wenig auf die deutsche Mentalität schauen. Die vergleichsweise niedrige Zahl ist meines Erachtens nicht durch mangelnde Unterstützung bedingt.

Was können wir von Ökosystemen in anderen Ländern lernen?

In den Regionen und Ländern, in welchen das Gründungsgeschehen gut funktioniert, existiert häufig eine erhebliche geografische Nähe zwischen Big Pharma, Hochleistungsuniversitäten und Spitzenforschern. Diese Nähe befruchtet sich natürlich, Ideen werden aufgenommen und einfach mal in die Praxis umgesetzt.

Diese Nähe gibt es in Deutschland noch zu wenig, vielleicht in München mit den Standort Martinsried, Berlin oder in der Frankfurter Region mit einer BioNTech in Mainz. Ansonsten ist dieser enge Austausch doch eher spärlich verteilt. Aber auch die Entwicklung in Heidelberg mit dem BioLab und dem Engagement der Evotec BRIDGE geht in die richtige Richtung, um mehr Cluster und diese Nähe zu schaffen, die auch persönliche Treffen ermöglichen.

Für junge Forscher an der Universität ist es sehr wichtig, sich mit Big Pharma auszutauschen und nicht nur in seinem universitären Umfeld zu verharren. Das ist beispielsweise in einer Stadt wie Basel mit ihren Pharmafirmen völlig anders, wo zudem noch große Mengen an privatem Kapital vorhanden sind. Ich glaube aber nicht, dass es in Deutschland an Kapital fehlt, sondern an der erwähnten Nähe zwischen den einzelnen Stakeholdern.

Die Mobilisierung privaten Kapitals ist in Deutschland ein viel diskutiertes Thema. Könnte beispielsweise ein spezielles Börsensegment für hochinnovative Technologiefirmen helfen, gewissermaßen als Exitkanal auch für kleinere Investments?

Wie gesagt: Es fehlt in Deutschland nicht an Kapital. In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren einige Biotechfirmen finanziert, auch mit Unterstützung von US-Investoren. Zum Teil sind diese US-Investoren nach Deutschland gekommen, um sich die IP zu holen, die sie für ihre Firmen in den USA brauchen. Es wurden viele Biotechs auch von europäischen Investoren finanziert, in großen Finanzierungsrunden. Ich glaube, es braucht einfach mehr Firmen. Jeder europäische VC-Fonds sucht nach Unternehmen in Deutschland oder der DACH-Region, in die man investieren kann.

Die Gespräche über spezialisierte Aktienmärkte werden uns nicht weiterhelfen, denn auf lange Sicht ist ein Börsengang nur eine weitere Finanzierungsrunde. Normalerweise sollte eine Firma erst an der Börse gelistet werden, wenn sie gezeigt hat, dass sie ihre Pläne exekutieren kann, in einem kostensparenden, effizienten Modell, und dass sie Meilensteine erreichen kann. Meistens braucht es für eine Phase IIb oder eine Phase III große Kapitalsummen, die man eben nur über den börsennotierten Handel einsammeln kann – aber das geht auch mit privaten Kapitalgebern wie EQT Life Sciences oder anderen. Über einen kleinen Börsenmarkt kann eine Firma vielleicht 50 Mio. einsammeln, aber wie geht es dann weiter? Irgendwann braucht diese Firma dann ihre 200 Mio. bis 400 Mio. und kein internationaler Investor wird auf einen kleinen Nischenmarkt gehen. Die Euronext ist schon ein sehr großer Handelsmarkt.

Biotech- oder Healthcarefirmen haben es einfach schwer, weil es nicht genügend Public-Equity-Fonds gibt, die sich auf Healthcare in Europa allein spezialisiert haben. Jede Firma wird also unweigerlich auf die NASDAQ schauen, um sich dort die nötigen Finanzspritzen zu holen. Deutsche Firmen wie Evotec oder MorphoSys haben ja gezeigt, wie es geht.

Müssen wir unseren Fokus nicht mehr auf das richten, was in Deutschland gut läuft, statt umgekehrt zu bemängeln, was nicht gut läuft?

In der Tat schauen wir auf der einen Seite immer darauf, was nicht gut läuft, um besser zu werden – und das ist auch gut. Wir sollten aber auch darauf schauen, was gut funktioniert, um genau jenes auszubauen. Es gibt gute Beispiele für Unternehmen, die gut finanziert wurden.

Wir sollten das Momentum nutzen, um mehr Exzellenzcluster zu bilden, aber nicht nur auf Universitätsebene, sondern auch, um eine Nähe zu Pharmafirmen mit ihren Forschungsaktivitäten herzustellen. Diese Standorte müssen wir strategisch ausbauen, damit sich Pharma, Biotech und Universitäten gegenseitig befruchten können.

Frau Dr. Kleinhans, ich bedanke mich herzlich für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Holger Garbs.

 

ZUR INTERVIEWPARTNERIN

Dr. Karin Kleinhans ist Partnerin bei EQT Life Sciences.

Autor/Autorin