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Seit 25 Jahren berichtet GoingPublic Media über das Thema „Biotechnologie“ – zunächst im Rahmen des monatlichen GoingPublic Magazins, seit 2017 auf der themeneigenen Plattform Life Sciences. Anlässlich des silbernen Jubiläums blicken wir zurück und präsentieren in regelmäßigen Abständen Interviews und Beiträge von damals bis heute.

 

GoingPublic: Herr Domdey, wie kam es in der Bio technologie zu dem Markennamen Martinsried?

Prof. Domdey: Der Südwesten Münchens ist schon seit längerer Zeit ein wichtiger Biotechnologiestandort. Hier ist eine ideale Mischung akademischer Grundlagenforschung vorhanden, in die sich gerne ein Biotechunternehmen ansiedelt. Der Bio-Regio Wettbewerb im Jahre 1996 hat die Existenzgründer zusätzlich mobilisiert. 1997 und auch 1998 hatten wir dann einen echten Boom an Unternehmensgründungen.

GoingPublic: Die Rechtsform der Aktiengesellschaft ist für eine Technologie-Ansiedlungsgesellschaft noch ungewöhnlich. Wie kam es bei BioM dazu?

Prof. Domdey: Als die Region München 1996 im Bio-Regio Wettbewerb als eine der drei Modellregionen für Biotechnologie in Deutschland ausgezeichnet wurde, diskutierten wir den Verein, die Genossenschaft und die GmbH, um das vorgeschlagene Konzept in die Tat umzusetzen. Um eine noch stärkere Öffentlichkeit zu erzielen, kam dann die Idee mit der kleinen AG. Wir haben also nicht nur versucht, Kapital ins Unternehmen hereinzubekommen, sondern auch eine möglichst breite Kapitalbasis zu schaffen. So konnten wir Professoren, Anwälte, Studenten oder einfach nur an Biotechnologie interessierte Personen einbeziehen.

GoingPublic: Ziehen Sie es in Erwägung, in einer privaten Plazierung weiteren Privatanlegern mit Mut zum Risiko eine Investition in BioM zu ermöglichen?

Prof. Dr. Horst Domdey

Prof. Domdey: Das wäre im Prinzip möglich, allerdings müßten wir dann unsere Strategie ändern. Wir wollten mit dem Aktienverkauf 15 Millionen DM aufnehmen. Diese Summe basiert auf der Planung, innerhalb von vier Jahren etwa 40 Beteiligungen in der Startphase zu finanzieren. Wenn wir nun mehr Geld zur Verfügung hätten, müßten wir mehr Beteiligungen in dieser Seed-Phase durchführen. Da wir auf den bayerischen Raum beschränkt sind, sehen wir das Problem, in Bayern bei mehr als 10 Seed-Finanzierungen pro Jahr dabei zu sein. Dazu müßten wir unseren Mitarbeiterstamm erhöhen, denn gerade in der Gründungsphase ist es sehr wichtig, die Unternehmen zu begleiten. Wenn wir also in den nachfolgenden Finanzierungsrunden mitziehen wollten, wäre eine solche Kapitalerhöhung natürlich genau die richtige Basis dafür. Wir denken im Augenblick tatsächlich darüber nach, in Ausnahmefällen, wenn sich das Unternehmen wirklich sehr gut entwickelt, in einer weiteren Finanzierungsrunde dabei zu sein.

GoingPublic: Die Gentechnik leidet noch immer unter Akzeptanzproblemen. Wissen die Einwohner in Martinsried, was um sie herum passiert?

Prof. Domdey: Es war und ist eine unserer ersten Aufgaben und Pflichten, die Bevölkerung gut zu informieren. Wir haben im Frühsommer dieses Jahres einen Tag der offenen Tür mit den etwa 45 Unternehmen hier in Martinsried veranstaltet. Und das hat wirklich zu einer verbesserten Akzeptanz beigetragen. Genauso bieten wir ständig in den Gemeinden an, über die Arbeiten aufzuklären. Dieser Kontakt zum Bürger ist sehr wichtig.

GoingPublic: Jede Region möchte die besten Ideen ansiedeln. Gibt es denn auch Kooperationen unter den Technologieansiedlern?

Prof. Domdey: Jede Region möchte natürlich gut dastehen. Das passende Schlagwort dafür ist Koopetition1. Man kooperiert und kompetiert miteinander. Wir verfolgen zum Beispiel gemeinsame Ziele, wenn es darum geht, die Forschungspolitik und die Förderungspolitik sinnvoll mitzugestalten. Aber auch wenn Gründer oder ansiedlungswillige Firmen zu uns kommen und unsere Region nicht ihre Wünsche erfüllen kann, etwa um staatliche Unterstützung zu erhalten oder Produktionsstätten sucht, verweisen wir auf andere Bio-Regionen, in denen in bestimmten Bereichen andere Voraussetzungen gegeben sind.

GoingPublic: Wieviel Unternehmen der Region werden wir an der Börse sehen?

Prof. Domdey: Sicher werden nicht alle etwa 30 Venture Capital-finanzierten Biotech-Start-ups an die Börse gehen. Wenn es zehn werden, wäre das ein immenser Erfolg. Aber auch die Zahl 5 innerhalb der nächsten fünf Jahre wäre beachtlich. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir hier dreißig Genentechs2 haben werden. Eines würde ja schon genügen.

GoingPublic: Und wer das Going Public verpaßt, verschwindet wieder von der Landkarte?

Prof. Domdey: Nein, ich stelle mir vor, daß die anderen Firmen hervorragende Kandidaten für Fusionen und Akquisitionen sind. Man könnte es als die generelle Strategie der Region ansehen, viele Unternehmen entstehen zu lassen, um den Proof-of-concept3 für Technologien zu erhalten. Dort wo die Technologie nicht die Basis für ein selbständiges Unternehmen bietet, werden sich auch die Kleinen zusammentun. Durch die räumliche Nähe in der Region haben wir die besten Voraussetzungen, diese Entwicklung nachhaltig zu unterstützen. Im Augenblick sind wir Geburtshelfer. In der Zukunft könnten wir aber auch zum Heiratsvermittler werden.

GoingPublic: Wann erleben wir BioM am Neuen Markt?

Prof. Domdey: Wir investieren seit etwa eineinhalb Jahren in junge Unternehmen. Die Biotechbranche verlangt einen längeren Atem als der IT-Sektor. Wir haben im Augenblick zwölf Unternehmen im Portfolio. Es wäre vermessen, einen Börsengang in Aussicht zu stellen, bevor wir nicht mindestens drei Jahre investiert haben.

 

Dieses Interview erschien erstmals in der Sonderausgabe „Biotechnologie 1999“ des GoingPublic Magazins.