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Der High-Tech Gründerfonds (HTGF) investiert Risikokapital in Hightech-Start-ups und leistet damit einen Beitrag zur Schließung der in diesem Frühphasensegment bestehenden Finanzierungslücke. Der erste High-Tech Gründerfonds wurde 2005 als Public-Private Partnership des Bundesministeriums für Wirtschaft (BMWi), der KfW Bankengruppe sowie sechs Industrieunternehmen aufgelegt und mit insgesamt 272 Mio. EUR ausgestattet. Danach folgten zwei weitere Fonds in der Größenordnung von je 300 Mio. EUR.

Plattform LifeSciences: Herr Winzer, können Sie die Schwerpunkte des Life-Sciences-Portfolios des HTGF bitte kategorisieren?

Winzer: Der High-Tech Gründerfonds ist im Life-Sciences-Bereich naturgemäß sehr breit aufgestellt: neben dem klassischen Pharma/Biotech haben wir Diagnostik, Life-Sciences-Tool-Provider, Medtech und E-Health im Portfolio. So haben wir auch unser Investmentteam sowie den Kreis unserer Fondsinvestoren recht interdisziplinär zusammengesetzt.

Wie sehr sprechen die in den HTGF investierten Life Science-Unternehmen bei der Portfoliostruktur mit?

Die Fondsinvestoren sprechen bei der Struktur und der Strategie beim Aufbau des HTGF-Portfolios überhaupt nicht mit. Im Gegenteil: Gerade weil wir so breit (und ohne Branchenfokus) investieren, versprechen wir unseren Limited Partners (LPs), dass sie über die vom HTGF finanzierten Start-ups Technologien und Innovationen außerhalb ihres klassischen Aktivitätsbereichs sehen – also Ideen für Use Cases mit unseren Start-ups erhalten, auf die sie sonst wegen ihrer Fokussierung nicht kommen könnten. Das ist auch ein Mehrwert, der uns von anderen, branchenfokussierten Investoren unterscheidet, deren Dealflow sich nur in einem Segment bewegt. Fondsinvestoren aus der Pharmazie oder der Medizintechnik erhalten über unser Portfolio Zugang zu Technologien, etwa im Bereich E-Health-Anwendungen oder der Digitalisierung. Die größten Innovationen finden meist an den Schnittstellen zwischen verschiedenen Disziplinen statt. So kommt es, dass sich innerhalb unseres Portfolios zahlreiche Kooperationen ergeben und somit ganze Wertschöpfungsketten abgebildet werden können.

Der HTGF gilt vielen als der Platzhirsch unter den Seed-Investoren. Sehen Sie selbst sich auch so konkurrenzlos?

Mir gefällt das Wort „Platzhirsch“ nicht. Wir sehen uns sehr viel eher als „Enabler“ – also als derjenige unter den (Seed-)Investoren, dessen Aufgabe es ist, die Start-ups investorenbereit zu machen und dann Konsortien von Investoren zu bilden, um den ersten Value Inflection Point der Entwicklung im Start-up zu erreichen. Für beides brauchen wir Partner: Wir arbeiten sehr eng mit Acceleratoren, Inkubatoren, Businessplan-Wettbewerben etc. zusammen, um den Businessplan zu schärfen, die präklinische Entwicklung aufzuzeigen oder gegebenenfalls das Gründerteam ideal aufzustellen. Für die Seed-Finanzierung versuchen wir dann, Konsortien mit anderen Seed- oder Privatinvestoren zu bilden, bei denen der HTGF gerne den Lead übernimmt, aber unbedingt die Stärken der Mitinvestierenden einbindet. Das kann z.B. die räumliche Nähe eines regionalen Fonds zum Investmenttarget sein, die fachliche Exzellenz eines Business Angels oder das Netzwerk eines Privatinvestors.

Ich denke, jeder Investor hat seine Stärken, und die wollen wir für die Start-ups aktivieren. Als HTGF können wir das nicht allein. Die große Mehrheit der Seed-Investments im Life-Sciences-Bereich haben wir in den letzten Jahren zusammen mit anderen Investoren realisiert – und das, obwohl wir im aktuell investierenden HTGF III auch allein investieren könnten und auch mit höheren Invest-Beträgen als in den beiden Fonds davor. Diese Daten spiegeln unsere Philosophie des „Enablers“ wider, desjenigen, der einbindet, zusammenfügt und möglichst andere Investoren mitnimmt.

Wie sieht es mit dem HTGF selbst derzeit aus – ist ein nächster Fonds schon geplant?

In der Tat gehen wir 2021 in das Fundraising für die nächste Fondsgeneration, den HTGF IV. Das Fundraising startet in diesem Sommer. Aufbau, Fokus und Struktur sollen fortgeführt werden: eine Public-Private Partnership aus Industrie (große Konzerne und insbesondere auch innovativer Mittelstand) sowie KfW und BMWi. Die Zielgröße liegt ähnlich dem aktuell investierenden Fonds III bei plus 300 Mio. EUR. Fokus ist beim HTGF der Seed-Bereich – das ist vorgegeben. Wir beobachten aber auch den Markt und haben – gerade im Life-Sciences-Bereich – erkannt, dass es vielleicht sinnvoll ist, im Pre-Seed- bzw. sogenannten Translationsbereich zu investieren. Das wollen wir aber während der Roadshow mit potenziellen LPs aus dem Pharma- bzw. Biotechbereich diskutieren, da dies auch Implikationen auf die zu investierenden Ticketgrößen und die beim HTGF zu allokierenden Humanressourcen hat.

Insgesamt bin ich aber sehr zuversichtlich, bis Mitte 2022 das erste Closing zu erreichen, da die Stimmung und Zufriedenheit mit unserer Arbeit bei unseren Bestandsinvestoren sehr gut ist und wir für Fonds IV bereits drei „Early Adopter-Investoren“ aus der mittelständischen Industrie gewonnen haben. Blickt man auf die Performance der älteren Fondsgenerationen, so können wir mit ein wenig Stolz berichten, dass der erste, 2005 gestartete Fonds, HTGF I, bereits vollständig – inkl. Kosten – an die Fondsinvestoren zurückgezahlt werden kann. Aus dem verbleibenden Portfolio dieses Fonds (rund 60 Unternehmen) erwarten wir noch weitere sehr signifikante Rückflüsse. Dazu hat maßgeblich das Pharmaportfolio des HTGF beigetragen: der Unicorn-Exit ­unseres Portfoliounternehmens MYR Pharmaceuticals im November 2020. Bei MYR haben sich die hohe Risikofreude und der lange „Investitionsatem“ des HTGF für alle Parteien ausgezahlt: 2011 ist HTGF als erster Investor eingestiegen und hat die Entwicklung bis zu einer „fully integrated pharmaceutical company“ begleitet.

Trotz der politischen Nähe des HTGF zum Bundeswirtschaftsministerium: Was wäre Ihr Wunsch an den Gesetzgeber, falls es im Gründerbereich noch etwas zu verbessern gibt?

Erst mal freue ich mich über eine Verbesserung, deren Umsetzung in Vorbereitung ist: den Zukunftsfonds mit seinen verschiedenen Maßnahmen. Im Rahmen des Zukunftsfonds werden wir mit dem vom HTGF gemanagten DeepTech Future Fonds ein Instrumentarium haben, um Technologieunternehmen mit längerfristigen Entwicklungs­zyklen auf ihrem Weg zu etablierten Unternehmen zu begleiten.

Zusätzlich würde ich mich über weitere Finanzierungsvehikel für das Wachstum von potenzialreichen Start-ups freuen. Finanzierungsmittel, die es der deutschen Finanzierungsszene ermöglichen, Start-ups wirklich groß werden zu lassen und – wenn die Voraussetzungen stimmen – vermehrt IPOs anzustreben. Überlegungen zu einem solchen Vehikel dezidiert für die Wachstumsphase sind im BMWi unter der Initiative des Zukunftsfonds präsent, und ich würde mir wünschen, hier absehbar der Start-up-Landschaft ein Angebot präsentieren zu können.

Herr Winzer, vielen Dank für das ­Gespräch.

Das Interview führte Dr. Georg Kääb.

 

ZUM INTERVIEWPARTNER

Marco Winzer ist Partner beim High-Tech Gründerfonds und Experte für Venture Capital und Investments in Life-Science-und-Chemie-Start-ups.

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