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2021 spielte die Schweizer Biotechbranche erneut eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung der Covid-Pandemie. Zwei in der Schweiz ansässige Unternehmen entwickelten in Partnerschaften wirksame Covid-spezifische Therapeutika: Die Tessiner Humabs BioMed/Vir Biotechnology und die Zürcher Molecular Partners. Darüber hinaus entwickelten die Biotech-Unternehmen weitere Innovationen für bislang ungedeckte medizinische Bedürfnisse. Dies resultierte in einem weiteren Jahr mit sehr hohem Kapitalzufluss von insgesamt 3,33 Mrd. CFH von in- und ausländischen Investoren. Die Investitionen in Forschung und Entwicklung erreichten mit 2,56 Mrd. CFH einen neuen Rekordstand.

Die neueste Ausgabe des Swiss Biotech Reports, die von der Swiss Biotech Association in Zusammenarbeit mit EY und sieben weiteren Partnerorganisationen veröffentlicht wurde, enthält eine Analyse der letztjährigen Finanzierung schweizerischer Biotechfirmen sowie weitere Kennzahlen und Statistiken.

Viel F&E außerhalb von Covid

Der größte Teil der F&E-Investitionen fokussierte auf andere Indikationen als Covid, z.B. Immunonkologie und Neurologie und aufkommende Bereiche wie die Erforschung des Microbioms oder zellbasierte Therapien. Parallel zu neuartigen Behandlungsmöglichkeiten unterstützten die Investoren auch datengesteuerte Geschäftsmodelle zur Entwicklung digitaler Therapeutika oder personalisierter Medizin. Der erfolgreiche Börsengang von Sophia Genetics und die EU-Zertifizierung für die Software Floodlight MS für Multiple Sklerose-Patienten von Roche untermauerten die Attraktivität solcher datengesteuerten Ansätze.

Covid hat die Rolle des Life Sciences-Sektors als Innovator in den Mittelpunkt gerückt. Der Swiss Biotech Report befasst sich eingehend mit den Quellen der Schweizer Innovation, die der Schweiz seit über einem Jahrzehnt ermöglichen, an der Spitze des globalen Innovationsindex zu rangieren. Zu diesen Quellen zählen immer häufiger landesweit erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaften, wie zum Beispiel das Basler IOB für Augenheilkunde, der Balgrist Campus in Zürich im Bereich der muskuloskelettalen Medizin, die Wyss Forschungszentren in Zürich und Genf sowie das Partnerprogramm „IDEAL“ von Debiopharm.

Investoren scheinen weiterhin überzeugt

„Während der Covid-Pandemie wiesen wir darauf hin, dass die Innovationskraft der Schweiz durch den Grundsatz der Schweiz, risikobasierten Start-ups sowie kleinen und mittleren F&E-Unternehmen keine direkte staatliche Unterstützung zukommen zu lassen, geschwächt werden könnte“, sagt Michael Altorfer, CEO, Swiss Biotech Association. „Die rekordhohen Kapitalzuflüsse der letzten beiden Jahre bestätigen jedoch, dass die Investoren weiterhin von der Attraktivität der Investitionsmöglichkeiten in der Schweizer Biotech-Industrie überzeugt sind. Innovation und Wachstum weiter zu sichern, muss eine zentrale Priorität bleiben.“

Erfreulicherweise ziehe die Schweiz zudem auch weiterhin internationale Talente an und baut auch die internationale Zusammenarbeit aus. Die Startup-Szene dürfte auch durch das neue Kapitalmarktsegment Sparks, das kürzlich von der SIX Swiss Exchange lanciert wurde und eine vereinfachte Kotierungsmöglichkeit bietet, weiteren Auftrieb erhalten. „Neue bilaterale Abkommen – zum Beispiel mit Indonesien – unterstützen den Ausbau des globalen Netzwerks, und die Schweiz strebt auch die Wiederherstellung ihrer vollständigen Assoziierung mit Horizon Europe an“, so Altorfer.

„2021 war eindeutig ein außergewöhnliches Jahr. Das Interesse der Investoren zeigte sich in einem sehr hohen Finanzierungsniveau, Rekordinvestitionen in Forschung und Entwicklung und der Gründung neuer biotechnologiespezifischer Investmentfonds wie zum Beispiel Pureos Bioventures und Bernina Bioinvest“, ergänzt Frederik Schmachtenberg, Partner bei EY und Global Life Sciences Lead for Financial Accounting Advisory Services. Außerdem sei ermutigend, dass das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic letztes Jahr 45 neue Medikamente zuließ, was die 42 Zulassungen von 2020 übersteige.

Die wichtigsten Erkenntnisse

Den Schweizer Biotechfirmen flossen insgesamt 3,33 Mrd. CFH zu – das zweitbeste Jahr in Bezug auf die Finanzierung. Insgesamt wurden 2,51 Mrd. CFH in börsenkotierte Unternehmen investiert, darunter Sophia Genetics mit 234 Mio. CFH (IPO & Follow-on), Bachem (584 Mio. CFH), Idorsia (600 Mio. CFH), Crispr Therapeutics (229 Mio. CFH) und Polypeptide (191 Mio. CFH). Bei den privat finanzierten Biotech-Unternehmen, die insgesamt 817 Mio. CFH neues Kapital erhielten, schlossen Anaveon (110 Mio. CFH) und Numab Therapeutics (100 Mio. CFH) die größten Finanzierungsrunden ab.

Umsatz gesteigert

Die Schweizer Biotech-Branche erwirtschaftete einen Umsatz von 6,7 Mrd. CFH, verglichen mit 4,9 Mrd. CFH im Jahr 2020. Dieser signifikante Anstieg ist vor allem auf einen Anstieg der Produktverkäufe, positive Einmaleffekte aus Kooperations- und Lizenzvereinbarungen, sowie eine allgemein positive Entwicklung der Produktpipeline zurückzuführen, was dazu führte, dass die Zulassungen auch 2021 weiterhin auf sehr hohem Niveau lagen.

2021 waren Schweizer Unternehmen an zahlreichen Fusionen und Übernahmen sowie an Kooperations- und Lizenzvereinbarungen beteiligt. Mehrere Schweizer Biotech-Unternehmen wurden entweder von (Big) Pharma oder anderen Biotech-Unternehmen übernommen: Mestex wurde von Grünenthal Pharma gekauft; Novartis erwarb Cellerys und Inositec wurde von Vifor Pharma übernommen. Vifor Pharma selbst wurde später durch CSL Behring mit Hauptsitz in Australien gekauft.

Im Bereich der Kooperationen und Lizenzvereinbarungen wurden zudem viele erfolgreiche neue Partnerschaften geschlossen. Die prominenteste Partnerschaft, die Zusammenarbeit von Lonza und dem US-Biotech-Unternehmen Moderna, verfolgte den Zweck, in Visp einen der dringend benötigten mRNA-basierten Covid-Impfstoffe in großem Umfang zu produzieren.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.