Neue spannende wissenschaftliche Ansätze, eine Vielzahl an klinischen Ergebnissen und dazu Aktienkurse, die im Zusammenhang mit den Präsentationen einzelner Firmen abheben oder auch absacken. Der weltgrößte Krebskongress der American Society for Clinical Oncology (ASCO) in Chicago sorgte auch diese Jahr wieder für jede Menge Highlights.

 

Aus Anlegersicht zeigt die ASCO 2017 bei den Krebsmedikamenten einen wichtigen Trend für die nächsten Jahre auf: die wachsende Rolle der Biotechfirmen bei neuen marktreifen Therapieansätzen. Über Jahre hatten Pharmakonzerne wie Roche, Bristol-Myers Squibb oder Merck&Co die Akzente gesetzt. Mit Produkten wie Yervoy, Keytruda und Opdivo waren sie die Vorreiter in der Immunonkologie. Dabei wird das körpereigene Immunsystem darauf ausgerichtet, die Tumorzellen zu erkennen und auszuschalten.

Bei der nächsten Generation von Immuntherapien kommen dagegen immer mehr Biotechfirmen ins Spiel. Die personalisierte Medizin spielt dabei eine wichtige Rolle. Dank der Fortschritte in der Diagnostik lassen sich etwa aus Gewebe- oder Blutproben bestimmte Genmutationen nachweisen – und damit die Patienten genauer eingrenzen, bei denen aufgrund ihrer genetischen Veranlagung bestimmte Medikamente wirken. Das bedeutet auch: kleinere Patientengruppen kommen für spezifische Tumortypen in Frage und die Kosten für die klinische Entwicklung könnten je nach Indikation niedriger ausfallen als bei herkömmlichen Behandlungen wie Chemiotherapie oder Antikörpermedikamente, die vor ihrer Zulassung an einer Vielzahl von Patienten getestet werden. Für Biotechs verbessern sich damit die Chancen, Heilmittel in Eigenregier zu entwickeln und später zu vermarkten, ohne dabei, wie es bislang die Regel war, auf Allianzen mit großen Pharmakonzernen zurückzugreifen.

Kite Pharma, bluebird bio, Juno Therapeutics und Cellectis haben sich etwa als Pioniere mit dem gentherapeutischen CAR-T-Ansatz etabliert. Vereinfacht gesprochen attackieren dabei gentechnisch veränderte T-Zellen die Tumorzellen. In klinischen Studien bei diversen Leukämieformen stellte sich bei etlichen Patienten, die zuvor auf andere Behandlungen nicht mehr ansprachen, ein kompletter Heilungserfolg ein. Allerdings kam es in Einzelfällen auch zu lebensbedrohlichen Überreaktionen des Immunsystems, bei dem sich die Immunzellen gegen körpereigenen weißen Blutkörperchen richten, die den Körper vor Infektionen schützen. Die hohen Produktions- und Behandlungskosten im sechsstelligen Bereich sind ein anderes Hindernis. Aus diesem Grund wird diese Medikamentenklasse vor allem bei Patienten zum Einsatz kommen, bei denen herkömmliche Behandlungsmethoden keine Wirkung mehr zeigen.

Bluebird bio wie auch Juno und Kite präsentierten auf der ASCO sehr gute Wirksamkeitsdaten in verschiedenen Leukämiearten. Für das am weitesten fortgeschrittene Produkt von Kite Pharma wird in diesem Jahr die Zulassung erwartet. Während der Aktienkurs von bluebird während der Konferenz um 30 Prozent nach oben schnellte, zog der von Kite im Anschluss an die Konferenz kräftig an. In einem Marktumfeld, das zurzeit noch von Zurückhaltung der Anleger gegenüber Gesundheitsaktien geprägt ist, haben diese Titel das Zeug zur Outperformance.

Das gilt auch für Incyte und Tesaro aus den USA oder MorphoSys aus Deutschland. Incyte hat sich mit seinem Präparat Ecadostat als Kombinationstherapie positioniert. Die klinischen Daten in verschiedenen Krebsarten auf der ASCO 2017 waren so überzeugend, dass bis zum Jahresende bis zu acht Phase-III-Studien starten könnten. Für eine schon laufende Kombinationstherapie bei Schwarzem Hautkrebs werden die klinischen Endergebnisse 2018 erwartet. Diesen Etappensieg hat Tesaro bereits erzielt. Im März erhielt Niraparib Grünes Licht für die Behandlung von Eierstockkrebs bei Patienten, die mit Chemotherapien vorbehandelt wurden. Das ist aber nur der erste Schritt, denn Tesaro will das Einsatzspektrum als Kombitherapie und damit das Umsatzpotenzial erweitern. Auf der ASCO zeigte Niraparib sehr gute Wirksamkeitsdaten.

MorphoSys wiederum ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch die deutsche Biotechbranche bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten vorankommt. Auf der ASCO präsentierte MorphoSys Wirksamkeitsdaten für seine beiden Antikörper MOR 202 gegen Multiples Myelom und MOR-208. In diesem Monat beginnt die Patientenrekrutierung für eine Phase-III-Studie mit MOR 208 in B-Zellen-Lymphoma, einem besonders aggressiven Blutkrebs.

Wie CAR-T ist auch TCR eine zellbasierte Immuntherapie. Eine Schlüsselrolle spielen hier die Rezeptoren auf den T-Zellen. Diese erkennen mehr genetische Mutationen von Krebszellen, unter anderem auch kleine Antigenfragmente, die sich auf der Oberfläche von Tumorzellen befinden. Unternehmen, die mit diesem Ansatz Wirkstoffe entwickeln, setzen auch darauf, dass sich damit gesunde Zellen von Tumorzellen genauer unterscheiden lassen als mit CAR-T. Krebsimpfstoffe sind ein weiterer Ansatz, um das Immunsystem gegen Tumore zu aktivieren. Mit der börsennotierten Medigene und der privaten Curevac haben auch zwei deutsche Biotechs Wirksamkeitsstudien für Immuntherapien gegen Krebs in der klinischen Entwicklung – und beide haben ihre am weitesten fortgeschrittenen Kandidaten noch nicht verpartnert.

Autor/Autorin