Bildnachweis: Geekminds – stock.adobe.com.
Biosimilars eröffnen neue Möglichkeiten für die medizinische Versorgung – gleichzeitig bewegen sich Unternehmen bei ihrer Bewerbung auf einem stark regulierten Terrain. Worauf müssen Unternehmen in der Praxis besonders achten, um Fallstricke zu vermeiden? Von Dr. Daniel Tietjen, Ennio Schwind, LL.M. Eur. und Daniel Dietrich
Werbung für Arzneimittel unterliegt in Deutschland einem strengen Regulierungsrahmen. Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) beinhaltet spezielle rechtliche Vorgaben für produktbezogene Werbung, die zu beachten sind, da anderenfalls Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände verwirklicht sein können. Da Verstöße gegen das HWG zugleich Wettbewerbsverstöße gemäß § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) darstellen, drohen insbesondere auch wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und einstweilige Verfügungs- oder Klageverfahren.
Die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel wie Biosimilars unterliegt besonders strengen Regelungen, denn diese dürfen gemäß § 10 HWG nur gegenüber bestimmten Fachkreisen wie Ärzten beworben werden. Produktbezogene Absatzwerbung für verschreibungspflichtige Biosimilars gegenüber Verbrauchern ist somit generell unzulässig. Abgesehen davon sind bei der Werbung für Biosimilars diverse Besonderheiten zu beachten. Zwei praxisrelevante Beispiele sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.
Fehlende Aufklärung bei Bezugnahme auf Referenzprodukt
Gemäß § 3 Satz 1 HWG ist irreführende Werbung unzulässig. Eine Werbeaussage gilt in diesem Sinne als irreführend, wenn gegenüber den angesprochenen Verkehrskreisen ein falscher Eindruck erweckt wird. Wird in einer Werbung für ein Biosimilar ohne jegliche Aufklärung der Eindruck erweckt, dieses sei identisch/gleichwertig mit dem Referenzprodukt, besteht die Gefahr, dass ein Gericht eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise feststellt.
Dies gilt insbesondere für den Fall, dass suggeriert wird, die Zulassungsstudien des Biosimilars seien in Bezug auf alle Indikationen des Referenzprodukts hinsichtlich Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit erfolgt. Dies wird nämlich in aller Regel nicht zutreffen, da sich die Zulassungsstudien bei Biosimilars für gewöhnlich nicht auf alle Indikationen des Referenzprodukts beziehen. Hintergrund ist das privilegierte Zulassungsverfahren von Biosimilars, die nicht für alle Indikationen, für die das Referenzprodukt zugelassen ist, klinische Prüfungen durchlaufen müssen.
Die Tatsache, dass Biosimilars trotzdem mehrere Indikationen abdecken, ist das Ergebnis der sogenannten Extrapolation. Die Ergebnisse einer klinischen Studie zu einer Indikation des Referenzprodukts können genügen, wenn die Äquivalenz des Biosimilars im Vergleich zum Referenzprodukt nachgewiesen wurde und eine wissenschaftliche Begründung vorliegt, die auf einem übergreifenden Wirkmechanismus und dem Fehlen klinisch bedeutsamer Unterschiede in verschiedenen Geweben basiert. Somit ist die Studienlage trotz derselben zugelassenen Indikationen im Vergleich zum Referenzprodukt nicht identisch. Dies muss bei der Werbung beachtet werden.
Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg) beurteilte eine Produktwerbung mit der Aussage „Sicherheitsprofil äquivalent zum Erstanbieter“ beispielsweise als irreführend i.S.d. § 3 HWG (Urteil v. 2. Juli 2009, Az. 3 U 151/08). So wurde festgestellt, dass die Verkehrsauffassung die Aussage dahin gehend verstehe, dass die Sicherheitsprofile des Referenzprodukts und des Biosimilars gleichwertig seien und hierfür valide wissenschaftliche Daten existierten. Der Verkehr gehe infolge der Werbung davon aus, dass hinsichtlich Art, Schwere und Häufigkeit von Nebenwirkungen kein Unterschied zum Originalpräparat bestehe und beide Produkte beliebig gegeneinander austauschbar seien. Dies sei jedoch nicht hinreichend nachgewiesen.
Um das Sanktionsrisiko zu mindern, ist zu empfehlen, vergleichbaren Werbeaussagen stets einen hinreichend aufklärenden Disclaimer hinzuzufügen, wenn ein Gericht eine Irreführung gemäß § 3 HWG annehmen könnte.
Werbung mit Ergebnissen klinischer Studien
Zudem ist bei der Werbung für Biosimilars zu beachten, dass in Deutschland strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit sowie an die sachliche Begründung gesundheitsbezogener Werbeaussagen gestellt werden. Studienergebnisse, die als Nachweis für eine gesundheitsbezogene Aussage dienen sollen, werden nur dann als zuverlässig angesehen, wenn sie nach anerkannten Standards und Prinzipien wissenschaftlicher Forschung durchgeführt und ausgewertet wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert ein hinreichender wissenschaftlicher Nachweis in der Regel eine randomisierte, placebokontrollierte, doppelt verblindete Studie mit einer angemessenen statistischen Auswertung, die durch Veröffentlichung in die Fachwelt eingeführt worden ist (sogenannter Goldstandard; BGH, Urteil v. 6. Februar 2013, Az. I ZR 62/11 – Basisinsulin mit Gewichtsvorteil).
Werden in der Werbung Studien herangezogen, die unterhalb dieses Standards liegen, muss mittels Disclaimer deutlich auf deren Einschränkungen hingewiesen werden, um die Gefahr einer unzulässigen Irreführung i.S.d. § 3 HWG zu vermeiden. Zudem müssen die Inhalte der zitierten Studien in jedem Fall geeignet sein, die Werbeaussage zu belegen, und dürfen nicht falsch oder einseitig wiedergegeben werden.
Vor diesem Hintergrund als unzulässig eingestuft hat das OLG Hamburg beispielsweise die Werbung für ein Biosimilar mit der Angabe „vergleichbar in Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit mit dem Referenzprodukt“ unter Verweis auf eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift (OLG Hamburg, Urteil v. 2. Oktober 2014, Az. 3 U 17/13). Nach Auffassung des Gerichts erwartet der Fachverkehr bei entsprechender Bewerbung, dass eine klinische Wirksamkeitsstudie durchgeführt wurde.
Eine solche war in dem Fall, der dem Urteil zugrunde lag, jedoch nicht durchgeführt worden, sondern nur eine klinisch-pharmakologische Studie mit gesunden Probanden. Die angesprochenen Verkehrskreise hätten nach Ansicht des Gerichts bei der streitgegenständlichen Werbeaussage indes keinen Anlass zu der Annahme gehabt, dass die in der Werbung in Bezug genommene Studie keine klinische Wirksamkeitsstudie sei. Die Werbeaussage wurde daher als irreführend gemäß § 3 HWG eingestuft.
Fazit
Vor dem Hintergrund der komplexen Rechtslage und der möglichen Sanktionen (unter anderem Strafbarkeit bei einem Verstoß gegen § 3 HWG) erfordert die Werbung für Biosimilars eine sorgfältige Einzelfallbewertung. Nur durch eine genaue und differenzierte Bewertung der Inhalte und der Darstellungsform lassen sich Risiken minimieren und gleichzeitig die zulässigen Spielräume der Kommunikation sachgerecht ausschöpfen.