MorphoSys hat seinen Wandel erfolgreich vollzogenMorphoSys (WKN 663200)

Für die großen börsennotierten Biotechnologieunternehmen in Deutschland verlief das Jahr 2013 im Wesentlichen erfreulich. Ein Großteil der Finanzierungssumme resultierte aus einer Kapitalerhöhung bei MorphoSys. Das Unternehmen ist profitabel, unterhält strategische Partnerschaften mit Pharmagrößen wie Roche und Novartis und verfügt mit Ylanthia über eine Antikörper-Bibliothek mit hohem Potenzial. Darüber hinaus konnte das Unternehmen zuletzt entscheidende Kooperationen mit dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline und dem US-Biotechkonzern Celgene zur Entwicklung eigener Medikamentenkandidaten sowie mit Merck Serono zur Entwicklung neuer Krebsimmuntherapien vermelden. Dabei hat MorphoSys 2013 einen langsamen Wandel angestoßen – weg vom reinen Wirkstoffentwickler hin zu einer Biopharma-Firma, die immer mehr selbst in die Vermarktung und den Vertrieb von Arzneimitteln hineinwächst. Am Ende des zweiten Quartals 2014 umfasste die Produktpipeline von MorphoSys 92 Partner- und firmen – eigene Programme, von denen sich 20 in der klinischen Entwicklung befinden, so viel wie bei keinem anderen deutschen Biotechunternehmen. Aufgrund der zunehmenden Eigenvermarktung von Medikamenten, des Zukunftspotenzials durch Allianzen und des stetigen Cashflows durch Tantiemen unterliegt das Unternehmen nicht mehr dem typischen Finanzierungsrisiko von Biotechunternehmen.

Evotec: richtiger, aber langer WegEvotec (WKN 556480)

Anders stellt sich die Situation beim Hamburger Biotechunternehmen Evotec dar. Das Unternehmen, das an der Börse regelmäßig als möglicher Übernahmekandidat gehandelt wird, ist immer noch defizitär und daher deutlich mehr auf Kapitalgeber angewiesen. Evotec verfügt über eine industrialisierte Technologieplattform sowie über eine umfangreiche Expertise in Schlüsselbereichen wie Neurowissenschaften, Stoffwechselerkrankungen, (c) Tai-Pan Onkologie sowie Entzündungskrankheiten und unterhält mehr als 100 Forschungsallianzen und Partnerschaften. Die Produktpipeline umfasst derzeit über 50 Programme. Die zahlreichen Allianzen bilden eine gute Basis für eine positive Entwicklung. Eine vielversprechende Kooperation unterhält das Unternehmen mit der Johnson & Johnson-Tochter Janssen im Bereich Alzheimer. Hieraus erhielt Evotec Ende Juli eine erste Meilensteinzahlung. Da insgesamt jedoch noch nicht so viele Meilensteine wie anvisiert erreicht worden sind, ist der angestrebte Cashbestand von 90 Mio. EUR bis Ende 2014 elementar für die Aufrechterhaltung der Expansionsfähigkeit.

Medigene: mehr Eigenvermarktung, mehr UnabhängigkeitMedigene (WKNA1X3W0)

Ein weiteres bedeutsames deutsches Biotechunternehmen ist Medigene, das sich vor allem auf die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten gegen Krebs- und Autoimmunerkrankungen fokussiert hat. Das Unternehmen verfügt durch das bereits zugelassene Medikament „Veregen“, das von Partnerunternehmen vermarktet wird, über einen konstanten Einnahmefluss. Trotzdem muss sich Medigene nach wie vor durch Kapitalmaßnahmen, wie die zuletzt erfolgte Kapitalerhöhung (Bruttoemissionserlös: 15,1 Mio. EUR) und die Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen (Bruttoemissionserlös: 0,8 Mio. EUR), neue Mittel besorgen, um die Entwicklung von Medikamentenkandidaten voranzubringen. Hier konzentriert sich das Unternehmen auf die durch die Übernahme der Trianta Immunotherapies GmbH erworbenen drei komplementären Immuntherapie-Plattformen, bei denen sich erste Produktkandidaten in der klinischen Entwicklung befinden. Darüber hinaus konnte Medigene mit der Falk Pharma GmbH eine exklusive globale Lizenzvereinbarung für die Entwicklung und Vermarktung des Medikamentenkandidaten RhuDex abschließen. Ähnlich wie MorphoSys durchläuft Medigene damit eine Entwicklung hin zu mehr Eigenvermarktung und Unabhängigkeit vom Kapitalmarkt, befindet sich diesbezüglich allerdings noch in einem früheren Entwicklungsstadium.

Ausblick

Der Biotechnologiesektor in Deutschland steht vor diversenHerausforderungen. Stagnierende Umsatzzahlen sowie seit Jahren sinkende Ausgaben im Bereich Forschung & Entwicklung belasten die Branche. Insbesondere die schwierige Finanzierungssituation ist als Ursache für die schleppende Branchenentwicklung anzuführen. Ein Mangel an Wagniskapital aufgrund einer niedrigen Risikobereitschaft der Investoren hemmt die Innovationskraft der zukünftigen Schlüsselindustrie. Mittel- bis langfristig wird die Biotechnologiebranche, die mit einem globalen Umsatz von rund 2.100 Mrd. EUR jährlich schon heute als Wachstumstreiber für diverse Märkte gilt, jedoch stark an Bedeutung gewinnen. Auch kurzfristig besteht Aufwärtspotenzial. Nach dem leichten Umsatzrückgang 2013 rechnen die deutschen Biotechunternehmen dieses Jahr wieder mit einer leichten Umsatzsteigerung, wie aus der Umfrage der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) hervorgeht. Knapp zwei Drittel der Unternehmen rechnen für die kommenden Monate mit einer fortschreitend positiven Entwicklung – nur 4% gehen von Rückgängen aus.

Damit der deutsche Biotechnologiesektor langfristig von den Branchentrends und dem immensen Wachstumspotenzial profitieren kann, sind möglicherweise strukturelle Anpassungen zur Verbesserung der Finanzierungssituationen von Unternehmen notwendig. Zwar verfügt Deutschland über eine hervorragende Forschungslandschaft, oftmals schaffen es die Innovationen aufgrund mangelnden Kapitals trotzdem nicht auf den Markt. Um die Attraktivität des Sektors bei potenziellen Investoren zu steigern und um mehr Risikokapital zu generieren, wäre beispielsweise eine steuerliche Förderung von Hightechinvestments denkbar.

Von Christoph Schöndube, Analyst, Independent Research GmbH

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