Bildnachweis: heal.capital.

Der in Berlin ansässige Digital-Health-Investor heal.capital investiert in europäische Frühphasenunternehmen, die mit skalierbaren Softwarelösungen die medizinische Versorgung transformieren.

Plattform Life Sciences: Herr Weber, heal.capital ist einer der profiliertesten Digital-Health-Investoren in Europa. Wie würden Sie Ihre Rolle im aktuellen Gesundheitsmarkt beschreiben?

Weber: Wir verstehen uns als Brückenbauer zwischen Techinnovation und realer Versorgung. Digitale Technologien haben das Potenzial, nicht nur einzelne Produkte, sondern ganze Versorgungspfade neu zu denken. Unser Ziel ist es, genau solche Unternehmen zu identifizieren und strategisch zu begleiten – technologisch, regulatorisch und oft auch politisch. Wir investieren früh, aber jedes Geschäftsmodell muss zeigen, wie es sich in ein reales Gesundheitssystem einfügt – nicht nur auf PowerPoint, sondern im Alltag von Patient:innen, Ärzt:innen und Kassen.

Eckhardt Weber, Founding Managing Partner, heal.capital. Copyright: heal.capital
Eckhardt Weber, Founding Managing Partner, heal.capital. www.healcapital.com. Copyright: heal.capital

Das klingt nach mehr als „nur“ Venture Capital.

Richtig. heal ist nicht einfach ein klassischer VC. Wir haben starke Ankerinvestoren aus der privaten Krankenversicherungswelt und verfügen dadurch über ein tiefes Verständnis für Gesundheitsökonomie und Versorgungspraxis. Diese Nähe zum System macht uns schnell, aber auch kritisch – wir sehen nicht nur das Marktpotenzial, sondern auch die Hürden, die ein Produkt nehmen muss, um wirklich relevant zu werden. Mit unserem zweiten Fonds haben wir die Basis noch einmal verbreitert – unter anderem mit internationalen Versicherungen wie CSS aus der Schweiz, Pharmaunternehmen und dem Europäischen Investitionsfonds (EIF). Das bringt uns zusätzliche strategische Perspektiven und stärkt unsere Rolle als Innovationsplattform für das gesamte Gesundheitssystem.

Wie äußerst sich das in Ihrer Investmentstrategie?

heal.capital wurde 2020 gestartet und verwaltet aktuell mit den Fonds heal I + II über 200 Mio. EUR. Unser Fokus liegt auf Early-Stage-Investments in Europa, mit Ticketgrößen zwischen 1 Mio. und 5 Mio. EUR. Wir investieren mittlerweile auch in der Pre-Seed-Phase, um noch näher an der Entstehung echter Innovationen zu sein. Unsere Strategie: skalierbare digitale Lösungen entlang der gesamten Versorgungskette – von Prävention über Diagnostik bis Therapie. Wir konzentrieren uns auf Softwarelösungen, die den Go-to-Market-Prozess adressieren. Biotech und Hardware gehören nicht zu unserem Portfolio. Uns interessiert, wie Technologie reale Versorgung verbessert und gleichzeitig skalierbar ist – technologisch, regulatorisch und wirtschaftlich.

Was ist für Sie echte Innovation – und was nur Hype?

Echte Innovation heißt: Spürbar bessere medizinische Versorgung – durch leichteren Zugang, höhere Qualität oder geringere Kosten. Im besten Fall gelingt sogar alles gleichzeitig. Hype ist, wenn man nur ein hübsches Interface über alte Prozesse legt. Ein Telemedizintool allein reicht nicht mehr. Wir suchen Unternehmen, die Versorgungspfade neu denken – nicht nur digitalisieren, sondern transformieren. Unser Portfoliounternehmen Avi Medical passt in dieses Bild: ein Startup aus München, das digital integrierte Hausarztpraxen betreibt. Wir haben 2021 eine Series-A-Runde angeführt. Sie zeigen, wie sich Primärversorgung durch technologiegestützte Prozesse verbessern lässt – genau am ersten Kontaktpunkt des Patienten mit dem Gesundheitssystem. Wir interessieren uns für Tech-Enabled Services, genauso wie Infrastrukturthemen wie Dokumentation, Entscheidungsunterstützung oder smarte Workflows, die Ärzte entlasten.

Sie haben Europa als Fokusmarkt. Bleibt das angesichts der geopolitischen Lage so?

Ja. Der europäische Markt bleibt für uns attraktiv, auch wenn die geopolitischen Unsicherheiten zunehmen. Menschen werden immer krank – unabhängig vom Weltgeschehen. Europa bietet durch seine Regulierungen und Erstattungsmodelle eine riesige Chance für skalierbare Versorgungslösungen. Wer hier durchkommt, ist auch global wettbewerbsfähig. Natürlich schauen wir auf internationale Entwicklungen – etwa im Nahen Osten, wo neue Versorgungsmodelle entstehen. Auch die USA sind für viele unserer Portfoliofirmen relevant. Aber unser Kernfokus bleibt Europa. Und als VC sind wir ohnehin Grundoptimisten – auch hinsichtlich der aktuellen geopolitischen Lage.

Herr Weber, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Urs Moesenfechtel.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.