Bildnachweis: Quelle: Dominik Dierke, @Dominik Gierke.

Die „Plattform Life Sciences“ hat am 16. November ihre Netzwerkpartner in den Faculty Club G2B (Gateway to Biotech) im Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) eingeladen. Die Teilnehmenden genossen beim Netzwerktreffen nicht nur den hervorragenden Blick über den Campus Martinsried, sondern vor allem den lebhaften Austausch zu aktuellen Branchenthemen.

Als wäre die warme Abendsonne am Horizont extra für dieses Wiedersehen eingefangen worden. So leuchtete die Farbe des Begrüßungsgetränks zum Netzwerktreffens der Plattform Life Sciences: Lebendig rot. Eine passende Farbe für das Treffen von rund 30 Vertreterinnen und Vertreter dieser Branche.

Dr. Peter Hanns Zobel

Lebendigkeit und Wachstum am Standort

Gleich zu Beginn des Netzwerktreffens unterstrich Dr. Peter Hanns Zobel, Geschäftsführer der IZB-Fördergesellschaft die hohe und positive Wachstumsdynamik der Branche am Beispiel des Martinsrieder Campus. So sei das Zentrum in den letzten Jahren von anfangs 1.000 m2 auf 26.000 m2 angewachsen. Die am IZB bereits ansässigen Start-ups hätten allein seit 2015 insgesamt vier Milliarden EUR Kapital im Rahmen von Deals oder Finanzierungen eingeworben. Und mit Firmen wie Atriva Therapeutics, Tubulis, Insempra und Invitris die jüngst zum Standort hinzu gekommenen seien, setze sich dieser Trend unvermindert fort. Dafür stehe nicht zuletzt auch die Ansiedlung von Andera Partners, so Zobel. Um diesem Wachstum gerecht werden zu können, seien in Martinsried in den kommenden Jahren Investitionen von über 3 Milliarden Euro geplant.

Dr. Viola Bronsema

Politik am Puls der Zeit

Die Ansicht, „dass da was geht“, teilte auch Dr. Viola Bronsema, Geschäftsführerin des Biotechnologie-Branchenverbandes BIO Deutschland. Sie verwies jedoch darauf, dass bisher eben nicht genug passiert sei; die Bundesregierung hätte bisher nur von „der Chance“ geredet, Deutschland zum führenden Biotechnologie-Standort der Welt zu entwickeln, sei aber bisher nur ungenügende Commitments eingegangen aus Chancen auch Realitäten werden zu lassen. Und doch gäbe es nun endlich berechtigte Gründe zur Hoffnung, dass nun auch seitens der Politik Bewegung in die Sache  käme, so Bronsema. Sie hatte kurz vor dem Netzwerktreffen an einer Veranstaltung der Bundesregierung teilgenommen, bei der Branchenverbände, Forschungseinrichtungen und NGOs dazu eingeladen wurden, konkrete Vorschläge zur Gestaltung der geplanten „Zukunfts-Strategie“ zu unterbreiten.

Viola Bronsema hatte dort über die Aspekte „technologische Souveränität“ und „Technologietransfer über Köpfe“ gesprochen. Sie hob positiv hervor, dass die Strategie auch konkrete, genaue, messbare Ziele und Selbstverpflichtungen beinhalten würde. In den Bereichen Biotechnologie, Life Sciences, Bioökonomie, Innovationsförderung, Unternehmensgründungen sowie verwandten Bereichen wären es bereits 133 Ziele mit Bezugsgrößen. Bronsema bekräftigte gegenüber der Bundesregierung, dass weitere konkretere Selbstverpflichtungen in den Themenfgeldern Mobilisierung von Wagniskapital, Aufbau biobasierter Produktionen, Stärkung des Patenzschutzes und Förderung nachhaltiger Schlüsseltechnologien hinzukommen müssten.

Dr. Kerstin Bode, MD, PhD, Managing Director von Bioscience Valuation BSV

Prävention von „Produkt-Herzinfarkten“

Über Zukunftsstrategien sprach auf dem Netzwerktreffen auch Kerstin Bode, MD, PhD, Managing Director von Bioscience Valuation BSV. Sie erläuterte, wie entscheidend die Bewertung von Life-Sciences-Assets für den Unternehmenserfolg sei und wie man deren „Robustheit“ erhöhen könne. Die einfache Trias „Wirkstoff, Target, Preis“ alleine reiche für eine Markteinführung nicht mehr aus, so Bode; vor allem nicht, wenn Investitionen über mehrere Stadien der Produktentwicklung und Markteinführung verteilt seien.

Entscheidend sei daher die gewählte Bewertungsstrategie, um eine Wertsteigerung zu erreichen. Am Beispiel eines mit einer größeren Pharmafirma verpartnerten Start-ups, zeigte sie auf, wie wichtig Pilotstudien zur Medikamentenwirksamkeit trotz des Kostendrucks seien. Ein robusterer Evidenznachweis wäre jedoch eine Risikominimierung, die sich letztlich auszahle. Hinzukommen müsse auch ein gutes Monitoring von Wertzuwächsen, denn die entsprechenden Zahlen seien für Investoren letztlich entscheidend.

Dr. Thomas Gottlieb, Vice President Pharmaceuticals – Commercial Operations ITM Isotope Technologies Munich

Heilsame Innovationen der Biotechnologie

Wie ein erfolgreicher Proof of Concept aussieht, zeigte Dr. Thomas Gottlieb, Vice President Pharmaceuticals – Commercial Operations ITM Isotope Technologies Munich den Teilnehmenden. Er sprach zum Thema „Theranostik“, die Verzahnung von Therapie und Diagnostik. Konkret stellte er eine Therapieform vor, bei der Tumore mit radioaktiven Isotopen, sogenannten Radionukliden, markiert und bekämpft werden. Dazu werden Moleküle, an denen sich eine Art Käfig (Chelator) befindet, direkt in die Blutbahn gespritzt. Die Moleküle docken im Körper zielgerichtet an den Tumoren an. Je nach Art der Radionuklide machen diese den Tumor in bildgebenden Verfahren sichtbar oder bestrahlen und vernichten die Krebszellen dadurch.

Das Ganze funktioniere nach einem Schlüssel-Schloss-Mechanismus, der eine exakte Lokalisierung von Tumoren im Körper und darauf aufbauend eine zielgenaue Strahlentherapie ermögliche. „We treat what we see and we see what we treat”, so Gottlieb.

Dr. Jens Wiehler, Geschäftsführer DigiMed Bayern, BioM Biotech Cluster Development

Innovationshemmer Dateninsuffizienz

Dr. Jens Wiehler, Geschäftsführer der DigiMed Bayern, BioM Biotech Cluster Development sprach schließlich über die Verfügbarkeit und Handhabe von Gesundheitsdaten in Deutschland. Diese sei für Medtech-, Pharma-, Diagnostik- und Digital Health-Firmen äußerst unzureichend. Auf der Basis einer noch nicht veröffentlichen Studie, die kürzlich auf der Basis von über 130 befragten Firmen entstanden ist, leitete er Handlungsnotwendigkeiten für Politik, aber auch für die Wirtschaft und Wissenschaft ab, um die auf diese Daten zwingend angewiesenen Firmen in Deutschland halten und entwickeln zu können. Abhängigkeiten von Daten aus dem Ausland hätten negative Konsequenzen auf Partnerschaften, die Wettbewerbsfähigkeit und Investitionsentscheidungen.

Markus Rieger

Befund über den Stand der Life Sciences-Szene

Markus Rieger, Vorstand GoingPublic Media stellte stellte zuletzt den „Biotech & Co.-Basket“ vor: Ein Überblick über 30 Aktien an fünf Börsen, der die wichtigsten Unternehmen aus der DACH umfasst. Die Liste zeigt u.a., dass 64% Prozent der gesamten Marktkapitalisierung auf fünf großen Firmen beruhen, deren Börsenwert größer als eine Milliarde Euro beträgt. Der Basket zeige eindrücklich, dass nicht mehr als zehn Firmen überhaupt im Fokus internationaler Investoren stünden. Die meisten „deutschen“ Firmen hätten zudem keine deutsche Rechtsform gewählt und seien nicht an deutschen Börsen notiert. Zwar sei die Szene insgesamt auch noch sehr jung, aber da „ginge doch definitiv mehr“, so Rieger. Das letzte IPO in Deutschland läge schließlich schon acht Jahre zurück.

Beisammensein

Nach diesen zahlreichen Vorträgen lud die Plattform Life Sciences zum Abendessen. Dort setzten sich die durch die Impulse angeregten und bereits zahlreich begonnen Gespräche leidenschaftlich bis in den späten Abend lebhaft fort – gelebtes, lohnendes Networking!

 

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at GoingPublic Media AG | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.