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Eine winzige Milbe bedroht Honigbienenvölker rund um den Globus, „Varroa destructor“. Die derzeit verfügbaren Verfahren zur Kontrolle des Schädlings stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Das Start-up Varolis GmbHaus Planegg entwickelt deshalb einen neuartigen Wirkstoff auf Lithiumbasis, der die Bekämpfung auf eine neue Grundlage stellen soll. Von Urs Moesenfechtel

 

Der Spätsommer ist für Bienen und Imker die kritischste Phase des Jahres. Jetzt entscheidet sich, ob ein Bienenvolk über ausreichende Futterreserven verfügt, ob es gesund und stark genug ist der Winterkälte standzuhalten. Seit einigen Jahrzehnten ist zu diesen allgemeinen Herausforderungen ein weiteres Problem hinzugekommen: Ein Befall des Bienenvolks mit der Milbe Varroa destructor. Der in den 1970er-Jahren aus Asien eingeschleppte Parasit hat sich weltweit etabliert und zählt heute zu den zentralen Belastungsfaktoren für Honigbienenvölker. Er schwächt die erwachsenen Bienen, schädigt die Brut und überträgt Viren – mit der Folge, dass Völker geschwächt in das Frühjahr starten oder im Verlauf des Winters vollständig kollabieren.

Totes Bienenvolk nach Milbenbefall. Copyright: Fevziie - stock.adobe.com
Totes Bienenvolk nach Milbenbefall. Copyright: Fevziie – stock.adobe.com

Wirtschaftliche und ökologische Folgen des Varroa-Befalls

Der Parasit stellt weltweit ein ernsthaftes Problem dar: Er gilt als Hauptursache für massive Völkerverluste bei Honigbienen.
In vielen Ländern führen erhöhte Ausfallraten zu erheblichen finanziellen Einbußen für Imker – und indirekt zu höheren Kosten für Bestäubungsdienstleistungen. Wenn Bienenvölker massenhaft verloren gehen, sinkt die Verfügbarkeit von Bestäubern — das schwächt die Bestäubungsleistung von Nutz- und Wildpflanzen. Viele landwirtschaftliche Kulturen (Obst, Beeren, Raps etc.) sind auf Insektenbestäubung angewiesen; bei Vernichtung von Honigbienenvölkern entstehen dadurch Produktionsrisiken und potenzielle Ertragseinbußen. Zudem leidet die Biodiversität: Wegen reduzierter Bestäubung und Verlust von Völker-Populationen sinkt die Stabilität ganzer Bestäubungsnetzwerke, was fragile Ökosysteme zusätzlich belastet. In der Folge kann das ökologische Gleichgewicht gestört werden, insbesondere in Regionen mit bereits eingeschränkter Wildbienenfauna.

Behandlungsverfahren kommen an ihre Grenzen

Zu den etablierten Behandlungsverfahren in der Imkerei gehören die Verwendung organischer Säuren wie Ameisensäure und Oxalsäure, der Einsatz synthetischer Akarizide, sowie technische Maßnahmen zur Brutunterbrechung, damit sich die Milben in der Brut nicht mehr entwickeln können. Doch diese Verfahren haben deutliche Einschränkungen. Ameisensäure, die Milben in der Brut und auf Bienen ansitzend tötet, wirkt nur in einem engen Temperatur- und Zeitfenster, erfordert zusätzliche Verdampfer- oder Dosiergeräte und muss – je nach Befallsdruck – zwei- bis dreimal im Abstand mehrerer Wochen angewendet werden. Das bedeutet einen erheblichen Arbeitsaufwand, insbesondere in größeren oder beruflich geführten Imkereien.

Die Wirksamkeit von Oxalsäure wiederum hängt entscheidend davon ab, dass sich der Wirkstoff gleichmäßig im Volk verteilt. Im Sommer und Herbst sitzen die Bienen jedoch locker und über den gesamten Stock verteilt, sodass die Säure selbst bei einer Verdampfung nicht zuverlässig alle Milben erreicht. Und er wirkt nur bei Milben, die auf den Bienen aufsitzen – nicht denen in der Brut. Daher sind im Spätsommer/Herbst teils bis zu sieben Behandlungen im Abstand von drei bis vier Tagen notwendig – was ebenfalls einen enormen Arbeitsaufwand darstellt. Eine in der Regel zusätzlich erfolgende „Winterbehandlung“ zur Restentmiblung, die üblicherweise mit Oxalsäure durchgeführt wird, erfordert das Öffnen dieses Bienenstocks während der kalten Jahreszeit. Das birgt das Risiko, das Volk in einer sensiblen Phase zu stören, in der Energieverbrauch und Wärmehaushalt besonders kritisch sind.

Varroa destructor auf Biene aufsitzend. Copyright: Klaus Nowottnick - stock.adobe.com
VVarroa destructor auf Biene aufsitzend. Copyright: Klaus Nowottnick – stock.adobe.com

Synthetische Akarizide wiederum können zwar ganzjährig eingesetzt werden und wirken auch in kühleren Jahreszeiten zuverlässig, doch zeigen sich in mehreren Regionen bereits Resistenzen der Milben gegen solche Wirkstoffe. Es ist gerade diese Resistenzbildung gegen das Akarizid „Amitraz“, die in den vereinigten Staaten zu den eklatanten Völkerverlusten geführt hat – und auch in Südeuropa wird viel mit synthetischen Akariziden gearbeitet. Die Tatsache, dass die synthetischen Wirkstoffe als lipophile Komponenten in Wachs akkumulieren, begründet zusätzlich die Resstenzbildung – Der Wirkstoff tritt niedrig konzentriert kontinuierlich aus den Waben aus – ein sicherer Weg zur Erzeugung von Resistenzen. Ein weiterer Ansatz ist die Zucht von Bienen, die den Varroa-Milbe-Befall besser erkennen und bekämpfen können. Doch diese Eigenschaften sind nicht in allen Zuchtlinien stabil ausgeprägt und lassen sich nicht beliebig mit anderen wichtigen Merkmalen wie Sanftmut oder Honigertrag kombinieren. Hinzu kommt, dass die Verfügbarkeit entsprechender Königinnen regional sehr unterschiedlich ist. Die Zucht Varroa-sensitiver Bienen ersetzt daher bisher keine verlässliche Behandlung. Damit bleiben bisherige Varroa-Behandlungsverfahren anspruchsvoll.

Der Ansatz von Varolis: Systemische Wirkung über Lithiumcitrat

Einen neuen Ansatz zur Milbenbekämpfung verfolgt die Varolis GmbH mit dem Produkt „LIMITEX“, dessen Wirkmechanismus auf dem anorganischen Salz Lithiumcitrat basiert. Die Bienen nehmen den Wirkstoff in definierter Konzentration über die Fütterung mit Zuckerwasser oder Zuckersirup auf; die Milben gelangen beim Saugen an den Bienen direkt an den Stoff, was zu ihrem Absterben führt. Die Verteilung im Volk erfolgt damit systemisch – also über den Stoffwechsel der Bienen selbst und nicht über äußere, kontaktbasierte Verfahren.

Varroa destructor) an einer Puppe im Bienenstock. Copyright: mirkograul - stock.adobe.com
Varroa destructor) an einer Puppe im Bienenstock. Copyright: mirkograul – stock.adobe.com

Damit können bisherige Behandlungsformen – je nach Befall – deutlich reduziert oder in bestimmten Fällen vollständig ersetzt werden. Besonders in Kombination mit einer guten imkerlichen Praxis, etwa dem Drohnenbrutschneiden oder einer gezielt herbeigeführten brutfreien Phase bis in den Spätsommer, kann eine LIMITEX-Behandlung im Spät­sommer oder Herbst dazu führen, dass die übliche Winterbehandlung entfällt. Nach aktuellen Hinweisen verbleibt dann nur noch eine so geringe Milbenzahl im Volk, dass sie im Winter keine kritische Belastung mehr darstellt.

„Bei der Verwendung von LIMITEX müssen Imkerinnen und Imker ihren Arbeitsalltag und ihr Behandlungsregime nicht neu denken – im Gegenteil. LIMITEX wirkt deutlich effizienter und arbeitsökonomischer als bisherige Behandlungsverfahren und Wirkstoffe“, so Stefan Hannus, CEO von Varolis. „Mit nur einer klar definierten Behandlung können Imkerinnen und Imker den jährlichen Entwicklungszyklus der Milben wirksam unterbrechen. LIMITEX folgt einem Grundgedanken, der sowohl biologisch als auch imkerlich sinnvoll ist: weniger Behandlungen, keine synthetischen Rückstände und möglichst keine Eingriffe während der Winterruhe.“

Präklinische Daten aus zwei etablierten Forschungsstandorten der Bienenwissenschaft – der Universität Hohenheim und der Fachstelle für Bienengesundheit an der LWG Veitshöchheim – zeigen Wirkraten von über 95 Prozent innerhalb weniger Tage. Beide Einrichtungen bestätigten eine gute Verträglichkeit für adulte Bienen, keine Hinweise auf Resistenzentwicklung und keine Nachweisbarkeit im Honig oder Wachs über natürliche Hintergrundwerte hinaus.

Insgesamt fügt sich LIMITEX damit in eine Richtung ein, die auch züchterisch verfolgt wird: die Belastung der Völker möglichst gering zu halten. Ansätze zur Förderung eines ausgeprägten Hygieneverhaltens – etwa VSH (Varroa Sensitive Hygiene)-Linien, die befallene Brut selbst ausräumen – zielen auf weniger Interventionen und robustere Völker ab. LIMITEX unterstützt diesen Grundgedanken, weil es eine einmalige, klar definierte Herbstbehandlung ermöglicht und synthetische Rückstände vermeidet. So entstehen Synergien aus guter imkerlicher Führung, züchterischem Fortschritt und einem Wirkstoff, der ohne zusätzliche Belastungen in der Winterruhe auskommt.

Regulatorische Roadmap und wissenschaftliche Entwicklung

Die finale Zulassung erfordert nun mehrere Schritte: Scientific Advice bei der EMA, eine toxikologische Gap-Analyse, Rückstandsstudien, GMP-konforme Herstellung und eine klinische Wirksamkeitsstudie. Varolis ist derzeit im engen Austausch mit der EMA. Eine pivotale Studie könnte ab 2026 realistisch werden. Der regulatorische Weg ist damit klar strukturiert, aber noch nicht abgeschlossen.

Marktpotenzial, Skalierung und Finanzierung

Weltweit werden über 100 Millionen Völker imkerlich geführt. Bei jährlichen Behandlungskosten von etwa 20 Euro pro Volk ergibt sich ein Markt von mehr als 500 Millionen Euro. Lithiumcitrat ist kostengünstig, leicht skalierbar und benötigt nur geringe Wirkstoffmengen. Varolis kalkuliert konservativ mit einer Marktdurchdringung von mindestens 30 Prozent innerhalb von sechs Jahren. Finanziell steht Varolis derzeit auf einer Seed-Basis von rund 420.000 EUR, ergänzt durch Fördermittel des Bundes und des Freistaats Bayern. „Nun benötigen wir für das Scale-up weitere ‚Summen fürs Summen‘. Für die GMP-Produktion und klinische Studien planen wir eine Series-A-Runde über 1,5 Millionen Euro“, so Hannus.

Fazit

LIMITEX unterscheidet sich grundlegend von bisherigen Verfahren – vor allem durch seine systemische Wirkweise und das fehlende Auftreten von Resistenzmechanismen. Die bisherigen präklinischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass etablierte Behandlungsverfahren in ihrem Umfang künftig deutlich reduziert werden könnten. LIMITEX hat das Potenzial, die Varroa-Bekämpfung erheblich zu vereinfachen und damit zur Stabilisierung von Bienenvölkern und ihrer Bestäubungsleistung weltweit beizutragen.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.