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Die Verovaccines GmbH entwickelt mit ihrer Unified Vaccine Platform neuartige Impfstoffe gegen gefährliche Tierseuchen. Das junge Biotech-Unternehmen setzt Maßstäbe in Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Kosteneffizienz – und positioniert sich als Wegbereiter einer neuen Ära in der Tiergesundheit. Urs Moesenfechtel
Die Blauzungenkrankheit (BTV-3) breitet sich seit Oktober 2023 rasant in Europa aus. Über 12.000 infizierte Tiere wurden bis Oktober 2024 registriert. Gleichzeitig bedrohen hochpathogene Vogelgrippeviren (HPAI) Geflügelbestände weltweit. Beide Seuchen verursachen nicht nur massives Tierleid, sondern gefährden auch die wirtschaftliche Existenz von Landwirten und erhöhen das Risiko zoonotischer Übertragungen auf den Menschen.
In dieser Lage positioniert sich das biopharmazeutische Unternehmen Verovaccines GmbH als Hoffnungsträger. Das Spin-off der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg entwickelt die proprietäre Unified Vaccine Platform, eine Impfstoff-Plattform, mit der optimierte, rekombinante Subunit-Impfstoffe außerordentlich schnell und kostengünstig entwickelt und in Kombinationsprodukten genutzt werden können. Das Unternehmen fokussiert auf die Entwicklung proprietärer Impfstoffe und Biologicals für die Tiergesundheit, sowie auf strategische Partnerschaften, um Produkte gemeinschaftlich zu entwickeln, herzustellen und Märkte weltweit zu erschließen.
Technologie und Plattformvorteile
Die Unified Vaccine Platform basiert auf rekombinanten Stämmen der Hefe Kluyveromyces lactis, in der bis zu fünf verschiedene Antigene pro Impfstamm rekombinant exprimiert werden können. Von der Herstellung bis zur Impfung verbleiben die Antigene immer innerhalb der Hefezellen; die Antigenkapsel ist damit gleichzeitig Delivery-Vehikel und stellt das durchgängige Prinzip dar, welches die Plattform über die gesamte Wertschöpfungskette (Deep Platform) standardisiert und hohe Synergien – selbst zwischen sehr unterschiedlichen Entwicklungsprogrammen (copy/paste zwischen Dossiers) – bietet. Produkte können daher ca. zwei Jahre früher am Markt sein als Wettbewerber. Außerdem können Antigene, mehr als 100-fach kostengünstiger hergestellt werden als konventionelle Antigene. Die Plattform positioniert sich ähnlich attraktiv wie mRNA-Impfstoffe, ist allerdings mit konkurrenzlos niedrigen Herstellungskosten und hohen Alleinstellungsmerkmalen ein signifikanter Durchbruch in der kostensensitiven Tiergesundheit.
Verovaccines adressiert mit seiner Plattform einen bisher stark unterbewerteten Bereich: die kontinuierlich neu entstehenden Erreger-Varianten. In diesem Segment besteht eine signifikante Vakzin-Lücke mit einem Potenzial von mehreren Milliarden Euro. Nur Impfstofftechnologien, die sowohl schnell als auch kostengünstig agieren, sind in der Lage, mit der Variantenentwicklung Schritt zu halten und aktuelle Impfstoffe rechtzeitig bereitzustellen. Verovaccines’ Subunit-Impfstoffe zeichnen sich durch First-to-Market-Potenzial, hohe Alleinstellungsmerkmale und die Möglichkeit zur Kombination zu Kombivakzinen aus. Sie bieten zudem wirtschaftliche Vorteile, da sie als inaktivierte Totvakzine nicht zur Entstehung weiterer Varianten beitragen – im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen – und gleichzeitig eine hohe Marge aufgrund niedriger Herstellungskosten erzielen. Damit sind sie ideal für die Anforderungen der preis- und versorgungsorientierten Tiergesundheit geeignet.

Blauzungenvirus: Proof of Concept
Im letzten Jahr entwickelte Verovaccines aufgrund eines Seuchenausbruchs in den Niederlanden – aus dem Stand heraus, innerhalb von nur 7,5 Monaten – den ersten, DIVA-fähigen, hitzestabilen, skalierbaren, rekombinanten Subunit-Impfstoff gegen das Blauzungenvirus Typ 3 (BTV-3). „Die rasend schnelle Entwicklung unseres Blauzungenvirus-Impfstoffs war für uns die Eintrittskarte in den Kreis der Vollentwickler. Wir nutzen die neuen technologischen, Unternehmens- und Team-Fähigkeiten für den massiven Einstieg in die Entwicklung neuer, attraktiver Produkte“, so Hanjo Hennemann, CEO von Verovaccines.
Plattformeinsatz und Skalierung
Zusammen mit einem Partner etablierte Verovaccines eine vollständige Produktion unter GMP für Impfstoffe der Unified Vaccine Platform bis zur Abfüllung. DIVA steht für „Differentiating Infected from Vaccinated Animals“ („Unterscheidung infizierter von geimpften Tieren“). Ein DIVA-fähiger Impfstoff erlaubt die Unterscheidung von Seuchenausbreitung und Impfmaßnahmen durch einen Differenzialtest im Labor. Diese Eigenschaften machen die Technologie besonders attraktiv für den Einsatz in Regionen mit begrenzter Infrastruktur und für die schnelle Reaktion auf neue Seuchenausbrüche. Die Eigenschaften der von Verovaccines entwickelten Impfstoffe weisen die gleichen breiten Nutzungsmöglichkeiten auf, die von mRNA-Impfstoffen bekannt sind (schnell, flexibel, standardisiert, „Same for All“) – und machen sie für den gesamten Tiergesundheitsmarkt verfügbar. Zusammen mit den einzigartig niedrigen Herstellungskosten ergibt sich für uns eine Breakthrough-Situation! Diese ökonomischen Vorteile schaffen die Grundlage für sogenannte High-Profit-Vakzine: Impfstoffe mit hohem Deckungsbeitrag, schneller Marktreife und strategischem Potenzial zur Verdrängung älterer Vakzine am Markt. Die Plattform wird genutzt, um alle sechs Monate ein neues Impfstoffprogramm zu starten. Dadurch ist ein sehr schneller Portfolioaufbau möglich. Die Produktentwicklungen zielen je Produkt auf Gesamtmärkte von 200-800 Millionen EUR.
Wettbewerb und Positionierung
Produktkonkurrenten sind derzeit die Top10 Pharmaunternehmen (z.B. Zoetis, B. Ingeheim, Merck (Intervet), Elanco, Ceva, Virbac). Deren rekombinante Plattformen bieten jedoch bisher nicht die gleichen Vorteile entlang der gesamten Wertschöpfungskette wie die Unified Vaccine Platform von Verovaccines. Die erfolgreiche Entwicklung des BTV-3-Impfstoffs in Rekordzeit demonstrierte die Leistungsfähigkeit des Unternehmens und eröffnet Potenziale für weitere Impfstoffe gegen verschiedene Tierseuchen.
Finanzierung und Investoren
Verovaccines hat sich in den letzten Jahren eine solide finanzielle Basis geschaffen. Das Unternehmen konnte bislang insgesamt rund 14 Millionen Euro einwerben – eine Mischung aus nicht-verwässernden Fördermitteln und privatem Risikokapital. Über 7 Millionen Euro stammen aus non-dilutive Grants, darunter das derzeit einzige GO-Bio-Projekt in Sachsen-Anhalt, was die wissenschaftliche Exzellenz und Innovationskraft des Unternehmens unterstreichen. Parallel dazu flossen etwa 7 Millionen Euro an Investitionen von institutionellen und privaten Geldgebern. Zu den aktuellen Investoren zählen der High-Tech Gründerfonds (HTGF), die Beteiligungsgesellschaft Sustainable & Invest (VC) sowie mehrere Business Angels. Für das Jahr 2025 plant Verovaccines eine weitere Finanzierungsrunde im Umfang von 5 bis 10 Millionen Euro, um die nächste Wachstumsphase einzuleiten. Ein erster Corporate Investor hat bereits konkretes Interesse bekundet. Die Mittel sollen in die intensive Produktentwicklung sowie die Weiterentwicklung der proprietären Technologieplattform fließen, insbesondere mit dem Ziel, zusätzliche Marktsegmente zu erschließen und das Anwendungsspektrum der Technologie zu erweitern.
Ausblick und strategische Expansion
Derzeit stimmt das Unternehmen Plattformkomponenten für die schnelle und ressourcenschonende Impfstoffentwicklung „am Fließband“ ab. Ebenso werden die unternehmenseigenen Technologien im Bereich Biologics evaluiert und weiterentwickelt, um das Geschäftsfeld perspektivisch zu erweitern und die Aktivitäten von Europa auf USA, Asien, Japan (und perspektivisch BRIC) mit strategischen Partnern auszubauen. Sven-Erik Behrens, Verovaccines CSO zu dieser Entwicklung: „In den letzten 3 Jahren war unsere Entwicklung explosionsartig. Die Tatsache, dass wir bis Ende 2024 in der Lage waren, ein vollständiges (Notfall-) Dossier für BTV-3 zu erarbeiten, das dann als Antrag bei den Behörden eingereicht werden konnte, war noch 2023 nicht denkbar gewesen. Wir werben gerade aktiv strategische Kooperationen ein, um gemeinschaftlich die weitere Entwicklung von Impfstoffen voranzutreiben sowie die Herstellung und Distribution und den Zugriff auf weltweite Märkte gewährleisten zu können. Eine neue internationale Kooperation steht kurz vor dem Abschluss“.
Basic-Facts:
Gründungsdatum: 17.07.2017
Anzahl Mitarbeiter: 14
MarketCap: N/A
Branche: Tiergesundheit/Biologicals/Impfstoffe
Rechtsform: GmbH
Standorte: Halle (Saale)
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.