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Der im TecDAX gelistete Biosimilarspezialist Formycon hat zusammen mit seinem Vermarktungspartner Fresenius Kabi für sein Produkt FYB202/Otulfi® die Zulassung in den USA als austauschbares Biosimilar erhalten. Die Börse reagiert auf die Nachricht mit deutlichen Kursgewinnen. Vorstandschef Dr. Stefan Glombitza erläutert im Interview mit Plattform Life Sciences die künftige Strategie des Unternehmens für die Produktvermarktung und das Marktumfeld in den USA für Biosimilars. Von Stefan Riedel
GoingPublic: Formycon und Vermarktungspartner Fresenius Kabi haben gerade für das zugelassene Stelara®-Biosimilar FYB202 von der US-Behörde FDA den Interchangeability-Status als austauschbares Biosimilar erhalten. Was bedeutet das für das Produkt?
Dr. Stefan Glombitza: Auf dem US-Markt ist dieser Status eine wichtige Voraussetzung, damit unser Produkt eine größere Akzeptanz bei den verordnenden Ärzten, Versicherungen und Gesundheitsdienstleistern bekommt. Zusammen mit dem Q-Code, dem Erstattungscode des Zentrums für Medicare & Medicaid-Dienstleistungen (CMS) für die Kostenübernahme, verbessern sich damit die Voraussetzungen, um mit möglichst vielen Partnern Lieferverträge abzuschließen und so eine hohe Zahl an Patienten zu adressieren.
Größere Patientengruppen in den USA mit Biosimilars zu adressieren ist angesichts des fragmentierten Marktes eine Herausforderung.
Es gibt eine Vielzahl von Akteuren, die wir berücksichtigen müssen. Pharmacy Benefit Manager, kurz PBM, die als Mittelsmänner mit den Pharmafirmen kommerzielle Verträge verhandeln, spielen in den USA eine wichtige Rolle bei der Preisbildung für verschreibungspflichtige Arzneien. Diese PBMs sind zum Teil mit großen Apothekenketten integriert. Dementsprechend stark ist ihre Verhandlungsposition. Daneben treten auch kommerzielle Versicherer als potentielle Kunden auf. Für die Produktauswahl sind viele unterschiedliche Komponenten wichtig, angefangen von der Erstattungsfähigkeit, der Produktqualität über die zuverlässige Lieferfähigkeit bis hin zu speziellen Faktoren wie die Haltbarkeit außerhalb des Kühlschranks. Interchangeability und Q-Code sind hier ganz wichtige Türöffner für Vertragsabschlüsse.
Kann Ihr Partner Fresenius Kabi mit diesen Türöffnern in Zukunft höhere Preise erzielen? Fakt ist, dass die US-Regierung die Medikamentenpreise deutlich nach unten drücken will.
Faktoren wie die Interchangeability wirken sich eher auf die Anzahl der abgeschlossenen Verträge und verkauften Einheiten eines Biosimilars aus, nicht auf den Preis. Sie zielen auf höhere Volumenanteile im Markt ab. Die jüngsten Ankündigungen der Trump-Administration zielen vor allem auf mehr Preisdisziplin bei den Referenzarzneimitteln während der Exklusivitätsphase ab. Anders als etwa in Europa existieren auf dem US-Markt kaum Regulierungen für Medikamentenpreise – mit der Folge, dass etwa AbbVie für sein Milliardenprodukt Humira® vor dem Patentablauf über 20 Mal die Preise erhöhen konnte. Durch diese exorbitante Preisentwicklung sind in den USA die Preise für innovative Medikamente um ein Vielfaches höher. Nehmen wir den Listenpreis von Stelara®, der in den USA bei über 27.000 USD liegt, während wir in Europa von Preisen um die 5.000 USD sprechen.
Werden die Biosimilarpreise weiter gedrückt?
Die Biosimilarpreise in den USA sind bereits auf europäischem Niveau, also da, wo sie die Trump-Administration gerne hätte. Was in den USA noch fehlt, ist die Übersetzung, dass die Preisreduktionen durch Biosimilars auch in den Gesundheitssystemen und bei den Patienten ankommen. Die bereits angesprochenen Strukturen im Pharmacy-Benefit-Management sind dafür das größte Hindernis und darüber hinaus verantwortlich für die niedrige Transparenz bei der Preisbildung.
Was bedeutet das für Formycon bei der aktuellen Suche nach einem Vermarktungspartner für FYB203 in den USA?
Kenntnisse der lokalen Marktstrukturen sind elementar. Deshalb geht die Tendenz eher dahin, bei der Vermarktung auf starke regionale Player zu setzen. Die Vertriebsleute in den USA müssen mit den wichtigen Spielern in den Vertriebskanälen gut vernetzt sein. FYB203 wird im zweiten wichtigen Vertriebskanal, dem sogenannten Medical Benefit oder „Buy and Bill“-Segment, vermarktet. Hier kaufen die Ärzte die Produkte selbst über Einkaufsgemeinschaften ein, applizieren diese und erhalten dann die Kosten erstattet. In dieser Kategorie sind unsere Produkte FYB201 (Lucentis®-Biosimilar) und FYB203 (Eylea®-Biosimilar) in der Augenheilkunde wie auch FYB206 (Keytruda®-Biosimilar) in der Onkologie einzuordnen. Künftige Partner müssen reichlich Erfahrung mitbringen, wie sich bei den Vertragsabschlüssen der beste Preis-Volumen-Mix mit diesen Einkaufsgemeinschaften erzielen lässt.
Formycon plant noch dieses Jahr den Start für die kommerzielle Auslizenzierung von FYB206, ein Biosimilar für das weltweit meistverkaufte Krebsmedikament Keytruda, das ab 2028 seinen Patentschutz verlieren wird. Wie soll FYB206 in dem Wettrennen der Biosimilars um das größte Stück am Kuchen ganz vorne landen?
Für uns ist der sogenannte Phase-3-Waiver ein immenser Vorteil. Die Rückmeldung der FDA stellt in Aussicht, dass die vorliegenden und noch geplanten analytischen Daten zusammen mit den Daten aus der gerade laufenden Phase-1-Studie ausreichen, um die therapeutische Vergleichbarkeit von FYB206 mit Keytruda® zu belegen. Eine Phase-3-Studie ist für die Zulassung somit aus unserer Sicht nicht erforderlich. Damit werden wir über 75 Mio. EUR an Forschungs- und Entwicklungskosten einsparen. Aktuell sprechen wir international mit über 30 Firmen, um rechtzeitig vor den Patentabläufen die richtigen Kommerzialisierungspartner zu finden.
Was ist der frühestmögliche Zeitpunkt für den Zulassungsantrag von FYB206?
Wir erwarten für Mitte 2026 erste Ergebnisse der Phase-1-Studie. Parallel müssen wir Stabilitätsdaten aus dem Herstellungsprozess generieren, ehe wir 2027 den Zulassungsantrag stellen wollen, um rechtzeitig vor den Patentabläufen den Dialog mit Merck&Co, dem Hersteller des Referenzprodukts, über den Zeitpunkt der Markteinführung führen zu können. Für Biosimilarspezialisten wie Formycon ist es dabei unerlässlich, auf die juristische Expertise von US-Patentspezialisten zurückzugreifen.
Kommen wir abschließend zurück in die Gegenwart. Wie will Formycon in diesem Jahr und darüber hinaus wieder steigende Einnahmen mit seinen drei zugelassenen Produkten erzielen?
In den letzten Monaten haben wir viel Zeit dafür verwendet, den Finanzmärkten eine schlüssige Erklärung für die gesenkten Umsatzerwartungen zu liefern. Zugleich sind wir durch den Gegenwind im US-Markt, den wir zuletzt spüren, nicht in Schockstarre verfallen. Stattdessen arbeiten wir verstärkt daran, unsere Produkte gemeinsam mit unseren Partnern in weiteren Ländern einzuführen und die Marktpenetration zu erhöhen. Parallel arbeiten wir konstant daran, die Produktkosten wie auch unsere Entwicklungskosten zu optimieren. Der im Februar erreichte Phase-3-Waiver ist ein wichtiger Baustein. Unser erklärtes Ziel bleibt, bis 2027 und idealerweise schon 2026 auf EBITDA-Basis schwarze Zahlen zu schaffen.
Sehr geehrter Dr. Glombitza, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Stefan Riedel.
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.