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Der Wert von digitalen Gesundheitsdaten für die Gesellschaft ist enorm. Doch Deutschland hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Dies ist eine Aussage der Studie „Standortfaktor Gesundheitsdaten” der bayerischen Cluster für Medizintechnik und Biotechnologie zusammen mit der „ZD.B Themenplattform Digitale Gesundheit und Medizin“.

Die Erhebung zeigt nach Aussagen der Verantwortlichen, dass Gesundheitsdaten deutscher Patientinnen und Patienten eine hohe Bedeutung für die Produktzyklen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Gesundheitswirtschaft haben. Jedoch seien zu wenige dieser Daten in Deutschland vorhanden und verfügbar. Dies stelle aktuell einen erheblichen Standortnachteil dar. Damit Unternehmen ihre Aktivitäten nicht ins Ausland verlagern und Deutschland ein Standort für medizinische Innovationen bleibt, sei eine stärkere Digitalisierung und Verfügbarkeit der Gesundheitsdaten zwingend notwendig. Dies erfordere die Anpassung von Gesetzen und eine übergreifende digitale Kommunikation im Gesundheitswesen.

Daten: Bedeutung von „Big Data“

Die Erhebung und Auswertung von „Big Data“ liefern, auch unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz, einen zunehmenden Beitrag für die Entwicklung von Medizintechnik und den wachsenden Industriebereich „Digital Health“. Gesundheitsdaten von Patienten tragen als kritischer Faktor dazu bei, passgenauere und wirksamere Produkte zu entwickeln und gleichzeitig die Geschwindigkeit (time to market) zu erhöhen und Entwicklungskosten zu senken. Die Bevölkerung profitiert somit direkt und indirekt durch eine bessere Gesundheitsversorgung und Wirtschaftlichkeit.

Die deutsche industrielle Gesundheitswirtschaft sei volkswirtschaftlich bedeutsam und stehe mit hoher Dynamik im internationalen Wettbewerb: „Wie können Produkte und Dienstleistungen für die Gesundheit weiterhin und verstärkt aus Deutschland kommen? Inwieweit können diese spezifisch auf eine deutsche und europäische Bevölkerung entwickelt werden, wenn die Datenlage unzureichend ist?“ Die bayerische Studie „Standortfaktor Gesundheitsdaten” hat 106 Vertreter von Unternehmen in Deutschland befragt, welche Rolle der Datenzugang für ihre Unternehmensentwicklung aktuell und zukünftig spielen wird.

Der Zugang zu Gesundheitsdaten ist ein kritischer Standortfaktor mit hohem Handlungsbedarf

Die Befragten sehen für alle Phasen des Produktlebenszyklus einen hohen Bedarf an externen Gesundheitsdaten, von der Grundlagenforschung über die Entwicklung bis hin zu After-Market-Kontrollen. Jedoch gaben nur rund 20 % der Befragten an, in Deutschland den benötigten Zugriff auf relevante Gesundheitsdaten zu erhalten. Aus der Sicht von ca. vier von fünf Unternehmensvertretern entspricht der derzeitige Zugang somit nicht dem Unternehmensbedarf. Als Gründe für diesen Mangel werden generell beschränkte Verfügbarkeit, ein stark eingeschränkter Zugang zu vorhandenen Daten sowie die strengen Vorgaben der DSGVO und anderer Datenschutzverordnungen genannt. Als weitere erhebliche Hürde in Deutschland wird der hohe zeitliche Aufwand gesehen, den Zugriff tatsächlich zu realisieren.

Attraktivität des Standorts Deutschland für die industrielle Gesundheitswirtschaft steigern

Basis für eine erfolgreiche Gesundheitswirtschaft und insgesamt verbesserte Versorgung müsse eine stärker digital hinterlegte Patientenversorgung auf Basis strukturierter und interoperabler Daten sein. Dies beinhalte insbesondere die, aktuell mit den bundesdeutschen Gesetzentwürfen Digitalgesetz (DigiG) und Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) vorangetriebene, elektronische Patientenakte (ePA), aber auch eine übergreifende digitale Kommunikation im Gesundheitswesen für die Primärnutzung der Daten.

„Eine notwendige Voraussetzung für den Fortschritt in der industriellen Gesundheitswirtschaft durch Daten ist ein Fundament aus maschinenlesbaren, digitalen Patientendaten. Hier besteht in Deutschland im internationalen Vergleich enormer Aufholbedarf in der strukturierten Datenerhebung, Dokumentation und der Interoperabilität von Systemen. Nur wenn die Digitalisierung der Daten in der Gesundheitsversorgung, also für die Primärdatennutzung, etabliert ist, kann der Standort Deutschland zukunftsfähig für Innovation in der Medizintechnik, im Bereich digitale Gesundheitsanwendungen und der Biotechnologie bleiben“, sagt Dr. Jörg Traub, Leiter Gesundheit der Bayern Innovativ GmbH.

Für die Sekundärnutzung, das heißt, die Nutzung der Daten durch die Gesundheitsindustrie, sei es zudem elementar, einen rechtssicheren, transparenten und niedrigschwelligen Datenzugang einerseits und eine Zusammenarbeit mit Einrichtungen in der Gesundheitswirtschaft andererseits zu etablieren und kontinuierlich auszubauen. Die Bundesländer und wichtige lokale Datenerhebende vor allem Kliniken und öffentliche Forschungsinstitutionen, können die gegenwärtige Situation zumindest kurzfristig verbessern, indem auf verstärkte Dialogbereitschaft, Erleichterungen in bürokratischen Prozessen, gezielte und überlegte Nutzung von Ressourcen oder gar entsprechende Projekte gesetzt wird.

„Der industrielle Zugang zu Gesundheitsdaten in Deutschland muss effizient und nachhaltig möglich sein. Dafür ist auf Bundesebene die entsprechende Anpassung bestehender Gesetze sowie die Ausgestaltung neuer Gesetze wie z. B. das Gesundheitsdaten-Nutzungsgesetz unter Einbeziehung der Wirtschaft notwendig. Deutschland sollte sich zudem in Europa entsprechend stark bei der Gestaltung des Europäischen Gesundheitsdatenraums (European Health Dataspace, EHDS) engagieren.“, ergänzt Dr. Jens Wiehler, Projektpartner BioM und DigiMed Bayern.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.