Sinneswandel

Nach nicht ganz acht Tagen hatten die Investorenvorstellungen von „enttäuschend“ und „nicht den Erwartungen entsprechend“ auf „sehr aufgeschlossen“ und „ermutigend“ gedreht. Nach den Entwicklungen der Tage zuvor „durchaus eine Überraschung“, so Talanx-CEO Herbert Haas im kurzfristig anberaumten Conference Call – auf eine IPO-Pressekonferenz wurde derweil verzichtet. Bei einem Platzierungsvolumen von 600 Mio. EUR stellt Talanx nur noch einen mittelgroßen Börsengang dar, zumal verglichen mit Ambitionen >5 Mrd. EUR Mitte letzten Jahrzehnts. Nein, „wir haben die Bedingungen nur etwas angepasst“ zum IPO, so Haas, es habe sich doch gar nicht so viel verändert. Er mag das sogar tatsächlich glauben – die zahlreichen Journalisten im Conference Call hatten ihre Schwierigkeiten damit. Etwas fehlgeleitet wurden mehrere Fragen nach einem innerdeutschen „Club Deal“ beim IPO gestellt, da Berenberg im Status neben Deutsche Bank auf Co-Lead avancierte. Das ist eher zweifelhaft, sogar im Gegenteil: Wie bei Kabel Deutschland (99%) dürften Angelsachsen die potenziellen Hauptabnehmer einer nicht vorhandenen Equity Story darstellen.

Fazit

In Ermangelung an IPO-Pressekonferenz, Investorenpräsentation, IPO-Research – ganz gleich welcher der ca. zehn beteiligten Institute – oder Investment Story müssen wir auf eine analytische Einschätzung verzichten. Deutsche Privatanleger werden allen Erfahrungen zufolge ohnehin keinerlei Rolle spielen. Bei einem Streubesitz von maximal 12% wäre eine weitere Kapitalmaßnahme oder Umplatzierung obligatorisch, um (mindestens) in den MDAX zu gelangen – damit bleibt der Börsengang halbgar wie in all den Vorjahren.

Chronik des Talanx-Börsengangs, stark verkürzte Fassung* 12/1997 Talanx-Chef Baumgartl schließt einen Börsengang der HDI Beteiligung, später: Talanx, nicht aus 07/1999 Talanx hält nach dem Scheitern der Fusion mit der HUK Coburg am geplanten Börsengang fest 12/2002 Talanx soll 2005 an die Börse, „Mittel für die Weiterentwicklung“ 07/2003 49,9% von Talanx sollen frühestens 2005 an die Börse gebracht werden

12/2003 Talanx sei „schon heute börsenfähig

01/2004 Börsengang erfolge bei einer Akquisition von mehr als 1,5 Mrd. EUR

09/2004 Baumgartl will einen Nachfolger vor dem Börsengang präsentieren, der Zeitpunkt sei aber offen

11/2004 Baumgartl: „Talanx kann in drei bis vier Monaten an die Börse“, aber erst nach einer Trennung von der Hannover Rück 11/2005 Nach dem Kauf von Gerling Börsengang nur noch „eine von mehreren Optionen“

12/2005 Talanx: „Kein Börsengang ohne Plan für Mittelverwendung

12/2006 Baumgartl-Nachfolger Haas: Börsengang nur bei sinnvoller Verwendung für die Mittel – theoretisch könne Talanx binnen sechs Monaten an der Börse platziert sein

06/2007 Börsengang nur noch eine Frage des Wann, nicht des Ob

12/2007 Talanx: Börsengang „wenn der Zeitpunkt richtig ist

12/2008 Talanx: „Börsengang bleibt auf der Agenda“

06/2010 Talanx: „Börsengang denkbar, sobald Märkte wieder aufnahmefähiger“

12/2010 Talanx: „Wir machen uns knopfdruckfähig für den Börsengang“. Plan drittes Quartal 2011

05/2011 Haas: „Talanx könnte nächstes Jahr an die Börse gehen“ 03/2012 Haas: „Keine Neuigkeiten zum Börsengang, das Umfeld ist aber günstig

06/2012 Talanx kauft eigene Anleihen, Börsengang offenbar abgebrochen

03.07.2012 Talanx: „Wegen der unsicheren Lage auf den Kapitalmärkten Thema Börsengang vorerst erledigt

09/2012 Talanx: „Noch im Herbst an die Börse, wenn die Rahmenbedingungen stabil bleiben“

13.09.2012 Talanx: „Die Höhe des von den Investoren geforderten Abschlags auf den Unternehmenswert weder für unsnoch für unsere Anteilseigner akzeptabel

19.09.2012 Talanx: „Nach den ermutigenden Signalen von Investoren mehr denn je überzeugt, mit dem Börsengang Wert für künftige Aktionäre schaffen zu können“

*) Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung (eine vollständige Übersicht in „Ein Börsengang als Lachnummer“ von Martin Hock, FAZ, vom 20.09.), DGAP, Unternehmensangaben und eigene Recherchen

Autor/Autorin