Was früher eher die beachtete Ausnahme war, gehört heute fast schon zum Alltag:
Die ­Verwaltung schlägt der Hauptversammlung vor, einzelne Mitglieder von Vorstand oder ­Aufsich­tsrat nicht zu entlasten.

Wie gehen die Stimmrechts­berater damit um?

Wie wird die vorgeschlagene Nichtentlastung auf den Abstimmplattformen der Stimmrechtsberater dargestellt? Hierzu lässt sich feststellen, dass die Stimmrechtsberater grundsätzlich der Logik „Ja bedeutet Stimme im Sinne der Verwaltung“ folgen, also der hier vorgestellten Variante b). In jedem Fall sollte jedoch vor Finali­sierung der Proxy Card mit den großen Stimmrechtsvertretern Kontakt aufgenommen und das Vorgehen in derartigen Fällen im Einzelfall abgesprochen werden, um keine unliebsamen Überraschungen bei der Auswertung der eingegangenen ­Weisungen oder – noch schlimmer – bei ­Ermittlung des Abstimmungsergebnisses zu erleben.

Unterschiede zwischen Additi­ons- und Subtraktionsverfahren

Schon bei der Formulierung des Beschluss­antrags sollte das voraussichtlich auf der HV gewählte Abstimmungsverfahren ­berücksichtigt werden, denn es hat unterschiedliche Auswirkungen:

Beim Subtraktionsverfahren würden Aktionäre, die dem Verwaltungsvorschlag ­folgen wollen, mit Nein stimmen. Beim ­Subtraktionsverfahren werden typischerweise in einem Sammelgang die Stimmen gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung eingeholt. Aktionäre, die den Vorschlägen der Verwaltung inhaltlich zustimmen, geben keine Stimme ab. In Variante a) müssen nun Aktionäre, die der Empfehlung der Verwaltung zu Verweigerung der Entlastung folgen wollen, bei der Einzel­entlastung teilweise Nein-Stimmen abgeben. Um die Erläuterungen zu dieser ­Abstimmung nicht zu verkomplizieren, kann erwogen werden, über diejenigen ­Organmitglieder, die nach Empfehlung der Verwaltung nicht entlastet werden sollen, dann in einem weiteren Sammelgang im umgekehrten Subtraktionsverfahren mit Einsammlung der Ja-Stimmen abzustimmen. In jedem Fall dürfte die Abstimmung im Subtraktionsverfahren bei Variante a) einige Zeit in Anspruch nehmen und fehleranfällig werden.

Eine gesonderte Abstimmung im Subtraktionsverfahren ist in Variante b) nicht angezeigt. Wollen Aktionäre der Empfehlung der Verwaltung folgen, stimmen sie immer mit Ja.

Bei Anwendung des Additionsverfahrens stimmen die Befürworter der Nichtentlastung in Variante a) mit Nein; in Variante b) würden sie mit Ja dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zustimmen.

Hieraus lässt sich die Empfehlung ableiten, bei dem Beschlussvorschlag in Variante a) das Additionsverfahren zu verwenden, weil es transparenter und logischer ist. Bei ­Variante b) können die Vorteile des Subtraktionsverfahrens genutzt werden.

Beide Varianten sind jedoch fraglos zu ­erklären. Hierzu sollten klarstellende Hinweise auf die Proxy Card gedruckt werden.


Zu den Personen

Bernhard Orlik
Geschäftsführer,
Link Market Services GmbH

bernhard.orlik@linkmarketservices.de

Steffen Carl
Rechtsanwalt und Partner,
Gleiss Lutz

steffen.carl@gleisslutz.com

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