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Die Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre ist unter rechtlichen Gesichtspunkten eine Herausforderung. Dies gilt in besonderem Maße, wenn die
Hauptversammlung nicht direkt über den Bezugsrechtsausschluss beschließt, sondern ein genehmigtes Kapital schafft und in diesem Zuge der Vorstand ermächtigt werden soll, allein oder mit Zustimmung des Aufsichtsrats über den Bezugsrechtsauschluss zu entscheiden. Konkret geht es dabei um die Frage, welche Handlungsspielräume dem Vorstand eingeräumt werden dürfen und wie der Schutz der Aktionäre vor einer unverhältnismäßigen Verwässerung ihrer Vermögens- und Verwaltungsrechte sicherzustellen ist.

Bereits im Jahr 1997 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) eine Entwicklung angestoßen, die darauf hinausläuft, die formellen und inhaltlichen Anforderungen an den Beschluss der Hauptversammlung mit der Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss abzubauen und den Schwerpunkt der rechtlichen Prüfung bei der konkreten Ausübungsentscheidung des Vorstands anzusiedeln. Seit der Entscheidung aus dem Jahr 1997 („Siemens/Nold“) sind weitere Entscheidungen des BGH wie auch der Instanzgerichte ergangen, die das neue Schutzkonzept konkretisieren. Gleichwohl gibt es nach wie vor Gestaltungen, deren Zulässigkeit noch nicht abschließend geklärt ist.

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Zu den in rechtlicher Hinsicht noch immer problematischen Gestaltungen zählt die sog. Vorratsermächtigung. Hierunter versteht man eine Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss, die an keine besonderen Bedingungen geknüpft und auch nicht auf besondere Fallgestaltungen beschränkt ist. Dem Vorstand wird durch solche Vorratsermächtigungen der größtmögliche Entscheidungsspielraum eingeräumt. Dementsprechend groß ist das Risiko der Aktionäre, dass der Vorstand eine fehlerhafte Entscheidung trifft, die nur noch schwer korrigiert werden kann.

Bericht an die Hauptversammlung

Bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss muss der Vorstand einen Bericht erstellen, in dem unter anderem die Gründe für den Ausschluss des Bezugsrechts darzustellen sind (§ 186 Abs. 4 Satz 2 AktG). Ein solcher Bericht ist auch erforderlich, wenn ein genehmigtes Kapital mit Ermächtigung des Vorstands zum Bezugsrechtsausschluss beschlossen werden soll. Bei einer Vorratsermächtigung stellt sich dann allerdings die Frage, über welche Gründe hier berichtet werden soll, wenn diese noch gar nicht feststehen und dem Vorstand auch keine Vorgaben erteilt werden sollen.

Urteil des OLG Nürnberg

In dem vom OLG Nürnberg entschiedenen Fall hatte die Gesellschaft die Frage der Berichtspflicht dahingehend gelöst, dass in abstrakter Form mögliche Szenarien eines Bezugsrechtsausschlusses skizziert wurden, allerdings nur beispielhaft („insbesondere“) und nicht im Sinne eines abschließenden Katalogs. Das OLG Nürnberg ließ die Vorgehensweise des Vorstands unbeanstandet und stellte bei seiner Entscheidung heraus: Sofern und solange der Vorstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung keine konkreten Pläne für eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss hat, ist es ausreichend, wenn der Bericht in abstrakter Form mögliche Fälle eines Bezugsrechtsausschlusses schildert, in denen der Bezugsrechtsausschluss im Interesse der Gesellschaft liegt.

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Vorratsermächtigungen begegnen grundsätzlich keinen Bedenken. Insbesondere ist es nicht erforderlich, die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auf bestimmte Fallgruppen zu begrenzen. Eine Vorratsermächtigung steht auch nicht im Widerspruch zu § 186 Abs.3 Satz 4 AktG, da dort nur exemplarisch und im Sinne einer Vermutungsregel bestimmt wird, in welchen Fällen ein Bezugsrechtsausschluss sachlich gerechtfertigt ist. Das bedeute nicht, dass ein Bezugsrechtsausschluss in anderen Fällen automatisch rechtswidrig sein müsse.

Mit Blick auf gegenläufige Meinungen in Rechtsprechung und Literatur zum Inhalt der Berichtspflicht hat das OLG Nürnberg die Revision zum BGH zugelassen.

Fazit

Die Entscheidung bestätigt die in der Literatur noch vielfach mit Vorsicht befürwortete Möglichkeit sog. Vorratsermächtigungen. Insoweit wird mit Spannung zu beobachten sein, ob der Fall tatsächlich dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung vorgelegt wird. Praxis bleibt die Frage, ob es nicht weiterhin sinnvoll ist, die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auf die klassischen Fallgruppen (Spitzenbeträge, Sacheinlagen, Fälle des erleichterten Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) zu beschränken. Neben dem Aspekt der Rechtssicherheit, der bis zu einer Entscheidung durch den Bundesgerichtshofhöchstrichterlichen Klärung relevant bleibt, dürfte auch das Risiko von gerichtlichen Auseinandersetzungen im Kontext der Ausübungsentscheidung sowie das korrespondierende Haftungsrisiko der Vorstände und Aufsichtsräte geringer sein, wenn sich die handelnden Personen bei ihren Entscheidungen in den Bahnen definierter Fallgruppen bewegen können.

Autor/Autorin

Dr. Thomas Zwissler

Rechtsanwalt Dr. Zwissler berät bei gesellschafts-, bank- und kapitalmarktrechtlichen Fragen sowie in allen Fragen der Unternehmensfinanzierung.

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