Bildnachweis: kasto – stock.adobe.com, B&S multimedia solution, Velten, Copyright: ViStream, satis&fy.

Die „verschärften“ Vorgaben für virtuelle Hauptversammlungen haben auch die Technik­anbieter 2023 vor neue Herausforderungen gestellt. Sie müssen maßgeblich dafür sorgen, dass virtuelle Aktionärstreffen gesetzeskonform über die Bühne gehen. Das HV Magazin hat bei Dienstleistern nachgefragt, wie sie die zusätzlichen Anforderungen meistern.

Jens Sudars. Copyright: B&S multimedia solution
Jens Sudars. Copyright: B&S multimedia solution

„Streamen kann heute jeder. Ein MacBook und ein Handy reichen. Theoretisch könnte man damit eine HV digital in Echtzeit übertragen“, sagt Jens Sudars, Geschäftsführer des Neusser Veranstaltungstechnik­anbieters B&S multimedia solution. Doch die rechtssichere Umsetzung geht weit über Streaming hinaus. Denn die Herausforderungen des virtuellen Formats liegen darin, Ausfallsicherheit zu garantieren. „Sollte während einer HV ein Bagger eine Leitung beschädigen, darf das nicht zum Ausfall der kompletten Veranstaltung führen“, so Sudars. Deshalb seien Redundanzen nötig:

„Die wirkliche Kunst liegt in der Planung, in den Fähigkeiten der Mitarbeiter und in den Strukturen.“
Jens Sudars, B&S multimedia solution

Neue Rollendefinition

Marco Strehler. Copyright: Velten
Marco Strehler. Copyright: Velten

Seit Herbst 2022 gilt: Aktionäre müssen die Möglichkeit haben, bei einer virtuellen HV per Audio und Video live zugeschaltet zu werden und Fragen zu stellen. „Das verändert unsere Arbeit grundlegend“, sagt Marco Strehler, Leiter Projektgeschäft beim Mommenheimer Veranstaltungstechniker Velten. So müssen die technischen HV-Dienstleister nicht nur hinsichtlich Equipment, Software und Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter auf dem neuesten Stand sein; sie schlüpfen auch in eine neue, zusätzliche Rolle. Strehler: „Wir sind nun auch inhaltlich ein unabdingbarer Teil der HV. Dabei ist eine enge Abstimmung mit dem Backoffice notwendig.“ Damit steigt auch der personelle Aufwand. Strehlers Unternehmen hat eine eigene Crew aufgebaut, die sich um die Zuschaltungen der Aktionäre kümmert: „Das ist sozusagen ein eigenes technisches Gewerk.“

„Wir sind nun auch ­inhaltlich ein unabdingbarer Teil der HV.“
Marco Strehler, Velten

Darüber hinaus muss bei der digitalen HV sichergestellt sein, dass während der Veranstaltung die eingeladene Person und keine andere hinter dem heimischen Rechner sitzt. Eigentlich, sagt Patric Schmidt, ­Managing Director beim Live-Kommunikationsunternehmen satis&fy, könnte man diese Anforderung mit dem digitalen Personalausweis abdecken. Allerdings sei der bislang nicht flächen­deckend eingeführt. Deshalb laufe der Sicherheits-Check über zwei Zertifizierungs-Codes.

Streaming ist „daily business“

Auch wenn Streaming für die Technikanbieter heute „daily business“ ist, braucht es dafür entsprechende technische Voraussetzungen – so eine ausreichende Internet-Bandbreite, sofern die Veranstaltung aus den Räumen des Emittenten übertragen werden soll. Jens Spallek, Projektmanager für HVs beim Livestream-Anbieter ViStream, weist darauf hin, dass sich in diesem Punkt einiges getan hat. So gebe es heute die Möglichkeit der Bandbreitenoptimierung vor Ort. Zur Stabilisierung der Übertragung laufe die Verteilung zudem meist über verschiedene Rechenzentren.

„Sollte die ­hybride HV eines Tages kommen, sind wir bereit.“
Jens Spallek, ViStream

Die Herausforderungen beim Streamen lagen laut Spallek bislang vor allem darin, Sorgen sowohl auf Seiten der Emittenten als auch der Aktionäre auszuräumen. So sei für die Unternehmen die Stabilität der Übertragung und Rechtssicherheit wichtig. Für die Teilnehmer wiederum gebe es heute benutzerfreundliche, einfache Tools.

Technikexperte Strehler schildert, dass in einigen Fällen auf virtuellen HVs für die Video- und Audiostatements gängige Programme wie Teams oder Zoom benutzt werden. Er empfiehlt allerdings, Plattformen zu verwenden, die vollständig in die Aktionärsportale integriert sind. Die Teilnehmer könnten damit bei Wortbeiträgen aus dem geöffneten Browser heraus in die Veranstaltung geschaltet werden und müssten kein weiteres Fenster öffnen. Zudem könnten sie während der Zeit im digitalen Warteraum die Veranstaltung kontinuierlich in Bild und Ton verfolgen.

Virtueller Wortmeldetisch ­bildet echten Tisch ab

Eine wichtige Funktion kommt bei der digitalen HV dem virtuellen Wortmeldetisch zu. Dieser bildet den realen Wortmeldetisch ab. Dabei gibt der Aktionär über das HV-Portal seinen Wunsch für ein Statement ab. Dieser wird vom Backoffice aufgenommen, von dort wird der Aktionär in den digitalen Warteraum geladen. Ein Techniker prüft meist noch die Ton- und Bildqualität, ehe der Versammlungsleiter den Aktionär aufruft und das Computer-Mikrofon des Redners freigeschaltet wird.

Jens Spallek. Copyright: ViStream
Jens Spallek. Copyright: ViStream

ViStream-Manager Spallek weist darauf hin, dass während dieses Vorgangs die Dokumentation der digitalen Kommunikation wichtig sei. So könne das Unternehmen im Zweifelsfall nachweisen, dass man versucht habe, den Aktionär aufzurufen und ihm das Wort zu erteilen.

Hybride HV: Anbieter sind ­vorbereitet

Keine wirkliche Rolle spielt bislang die hybride HV, bei der Aktionäre sowohl in Präsenz als auch gleichzeitig virtuell teilnehmen, sprechen, nachfragen, Anträge stellen und auch abstimmen könnten. Nichtsdestotrotz bereiten sich Technikdienstleister darauf vor: Spallek: „Wir haben dafür Ideen und Konzepte. Sollte die hybride HV eines Tages kommen, sind wir bereit.“

„Wir müssen einen hohen ­technischen Aufwand betreiben.“
Patric Schmidt, satis&fy

Die besondere ­Herausforderung

Patric Schmidt. Copyright: satis&fy
Patric Schmidt. Copyright: satis&fy

Unabhängig von der Technik auf physischen und virtuellen Hauptversammlungen gibt es Situationen, die auch für erfahrene Technikanbieter ungewöhnlich sind. So veranstaltet satis&fy nach den Worten Schmidts für ein Unternehmen aus dem Rüstungsbereich die jährliche HV. Da in diesem Fall mit Demonstrationen gerechnet werden müsse, wähle der Emittent eine Location aus, die zwar eine Abschirmung gegen Störer biete, technisch aber nicht unbedingt für eine HV ausgelegt sei. „Das stellt uns vor besondere Herausforderungen“, sagt Schmidt: „Um in dem Fall eine rechtssichere HV mit entsprechenden Redundanzen durchführen zu können, müssen wir einen hohen technischen Aufwand betreiben.“

Fazit

Die seit 2023 geltenden gesetzlichen Vorgaben an die virtuelle Hauptversammlung stellen Technikanbieter vor zusätzliche Herausforderungen. Teilweise übernehmen sie damit eine neue inhaltliche Rolle, die über rein technische Aspekte hinausgeht. Nach anfänglichen Learnings, beispielsweise zur Interaktion mit dem Backoffice oder zur Integration von Streamingsystemen in die gängigen HV-Plattformen, kommen die „Techniker“ mit den neuen Aufgaben mittlerweile recht gut zurecht. Wichtiges Kriterium im Rahmen der virtuellen HV sind rechtssichere Abläufe für Emittenten und Aktionäre, aber bei aller Technik auch die einfache Handhabung für die Teilnehmer. Gerade der virtuelle Wortmeldetisch hat sich bereits in einer HV-Saison mehr als etabliert.

Autor/Autorin

Thorsten Schüller

Thorsten Schüller ist freier Wirtschafts- und Finanzjournalist für GoingPublic Media.