Von Beethoven, Hegel und ­„virtuellen Zwillingen“

Sie beherbergen Bienen, engagieren sich für Wasserbüffel und geben Künstlern von Weltruf genauso eine Bühne wie den Vorständen von Aktiengesellschaften. Ein Gespräch über das Zusammenspiel zwischen traditioneller Architektur und ­moderner Technik sowie die Aufgabe, Veranstaltungen nachhaltig zu organisieren – mit 100% Ökostrom.

GoingPublic: Nur noch virtuell statt­findende Hauptversammlungen sind aktuell ein Thema, das alle Beteiligten bewegt. Ist diese Entwicklung auch für das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle eine Herausforderung, da Buchungen wegfallen?

Poweleit: Ganz im Gegenteil. Diese Entwicklung bietet uns ein hochinteressantes Neukundenpotenzial. Bisher waren wir aufgrund unserer Räumlichkeiten auf Hauptversammlungen mit maximal rund 2.000 Aktionären beschränkt. Nun müssen laut § 118a AktG nur noch der ­
Vorstand und die Mitglieder des Aufsichtsrats vor Ort sein. Hinzu kommt die gesamte Technik inkl. Personal. Das passt gut in ­unsere Säle.

Nun ist ein Teil Ihres Hauses bereits 1956 erbaut. Können Sie trotzdem die technischen Voraussetzungen bieten?

Wir haben tatsächlich den architek­tonisch und akustisch herausragenden Bereich rund um den Beethoven-Saal, der 1956 erbaut und 1986 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Der Beethoven-Saal selbst genießt großes Ansehen unter Künstlern von Weltrang. Die technischen Voraussetzungen sind hier vorhanden, ­jedoch ist die Nachfrage der Künstler so groß, dass er bereits fast jeden Tag ­bespielt wird.

Prädestiniert für Hauptversammlungen ist unser Kongressbereich rund um den Hegel-Saal. Dieser Gebäudeteil wurde bis 2021 komplett saniert und mit der ­neuesten Technik ausgestattet. Da auch andere Veranstaltungsformate wie Kongresse in den letzten Jahren vermehrt ­digitale Teilnahmen anbieten, haben wir beispielsweise einen virtuellen Zwilling erstellt und weitere Maßnahmen vorgenommen, um die besten Bedingungen für digitale Veranstaltungen zu schaffen.

Was bedeutet dieses Setting in der Praxis?

Die originalgetreue Nachbildung unserer Räumlichkeiten ermöglicht es, sich sowohl in der Planungsphase als auch während der Durchführung der Veranstaltung wie „live“ im Haus zu bewegen. Dadurch ­erhöht sich die Flexibilität für Veranstaltende und Teilnehmende enorm und die Reichweite einer Veranstaltung wird mit der Erweiterung um eine digitale Teilnahmemöglichkeit vergrößert.

Virtuelle Hauptversammlungen werden oft auch aus Gründen der Nachhaltigkeit Präsenz-HVs vorgezogen. Wie unterstützt Ihr Haus bei diesem Thema?

Ob virtuelle Hauptversammlungen tatsächlich nachhaltiger sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab und sollte individuell geprüft werden. Im Bereich der Mobilität liegen sicherlich bei jeder Veranstaltung große Einsparpotenziale. Wie nachhaltig die gesamte Technik, etwa die Server sind, hängt vom Veranstaltenden ab.

Grundsätzlich bietet das Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle die besten Voraussetzungen für klimaschonende Events. Die Innenstadtlage mit optimaler ÖPNV-Anbindung, das angeschlossene Maritim Hotel Stuttgart garantieren kurze Wege und klimafreundliche Mobilität. ­Zudem wird unser Haus zu 100% mit Ökostrom betrieben und bietet ein breites Spektrum an nachhaltigen Leistungen. Wir sind Mitglied der WIN-Charta, des Nachhaltigkeitsmanagementsystems des Landes Baden-Württemberg und kooperieren u.a. mit der Klimaschutzstiftung BW.

Neben diesen „Hard Facts“ gibt es einen weiteren entscheidenden Punkt: Wir beraten unsere Kunden kostenfrei und individuell anhand einer hausintern entwickelten Checkliste mit Best-Practice-Beispielen. Im Übrigen ist das Thema der Nachhaltigkeit auch in unserem Leitbild verankert.

Was heißt dies für Sie konkret in der täglichen Arbeit?

Wir haben ein „Green Team“ mit Repräsentanten aus jeder Abteilung, das für eine kontinuierliche Erweiterung unserer Maßnahmen in Sachen Nachhaltigkeit sorgt. Außerdem engagieren wir uns als Team auch aktiv für den Natur- und ­Umweltschutz. So wird ein Beweidungsprojekt mit Wasserbüffeln von uns tatkräftig, z.B. durch Freischneiden der Zäune, und mit unserem Know-how unterstützt. Auf dem Dach des Hegel-Saals beherbergen wir zudem zwei Bienenstöcke, die von ­unserem hauseigenen Imker und interessierten Kolleginnen und Kollegen betreut werden.

Von den Wasserbüffeln und Bienen wieder zurück zu den Hauptversammlungen. Erst vor Kurzem fand wieder eine Aktionärshauptversammlung in Ihren Räumlichkeiten statt. Für Sie als gefragte Veranstaltungslocation: Stellt diese Art von Veranstaltung Alltag oder Herausforderung dar?

Eine Hauptversammlung ist aufgrund der strengen Rahmenbedingungen immer ein interessantes Projekt für alle Kolleginnen und Kollegen. Da jede Veranstaltung ihre Besonderheiten hat, würde ich es jedoch eher als gewohnt mit ein bisschen Extraspannung betrachten.

Wo sehen Sie die besonderen Stärken im Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle für die Durchführung solcher Aktionärsversammlungen?

Entscheidend sind, wie immer und überall, neben den räumlichen und technischen Bedingungen die Menschen, die das Projekt umsetzen. Vor der Veranstaltung werden unsere Kunden von unseren Kollegen aus der Projektleitung beraten, die teilweise schon 25 Jahre im Unternehmen sind. ­Unser Technikteam besteht u.a. aus drei Meistern für Veranstaltungstechnik. Diese werden intern von knapp zehn Kollegen und extern von zwei Dienstleistern unterstützt, mit denen wir ebenfalls seit rund 30 Jahren zusammenarbeiten. Unser Partner in der Sicherheit ist sogar von Anfang an im Haus. Sie sehen, wir haben einiges an Erfahrung und langjährigem Wissen, worauf wir jederzeit zurückgreifen können, und alle Beteiligten sind eingespielt.

Und wirklich jeder Einzelne brennt für das Haus und die fast täglich stattfindenden Veranstaltungen. Neben allen anderen Vorteilen ist das sicherlich der wichtigste.

Vielen Dank für die interessanten Ein­blicke zu Bienen, Technik und Nachhaltigkeit rund um die Liederhalle.

Das Interview führte Simone Boehringer.

ZUR INTERVIEWPARTNERIN

Meike Poweleit leitet seit Januar 2022 das Kultur- und Kongresszentrum Lieder­halle in Stuttgart.