Hauptversammlungen sind das Forum, auf dem Aktionäre und Unternehmensführung aufeinandertreffen und sich austauschen. Doch dieser Dialog scheint zunehmend an Attraktivität zu verlieren; HV-Beobachter stellen seit geraumer Zeit fest, dass die Präsenzen zurückgehen. Vor allem junge Menschen finden offenbar nur wenig Gefallen an der Abarbeitung rechtlicher Formalia und den nicht selten monotonen Redebeiträgen. Insbesondere seit der Coronapandemie und der Implementierung virtueller HVs wird die Diskussion unter Experten immer lauter, wie die Hauptversammlung der Zukunft strukturell und inhaltlich aussehen könnte oder sollte, damit sie bei allen Beteiligten wieder mehr Begeisterung weckt. Von Thorsten Schüller
Die Hauptversammlung ist ein gesellschaftsrechtliches Muss, doch sie scheint von niemandem wirklich geliebt zu werden – weder von den börsennotierten Unternehmen, die damit ihrer AG-Pflicht nachkommen und teils kritischen, manchmal auch bissigen Aktionären Reden und Antwort stehen müssen. Noch von den vielen Aktionären selbst, bei denen sich die Begeisterung für das Tête-à-tête mit Vorständen und Aufsichtsräten in Grenzen zu halten scheint, wie abnehmende Besucherzahlen zeigen.
„Die Leute, für welche die HV eher ein gesellschaftliches und weniger ein aktienrechtliches Event darstellt, werden immer älter und weniger. Jüngere Aktionäre können dem gesellschaftlichen Teil der HV nichts abgewinnen und mit dem überbordenden Formalismus der heutigen HV nichts abfangen“, stellt beispielsweise Bernhard Orlik, Vorstand beim HV-Dienstleister HCE Consult, fest. „Die emotionale Verbundenheit der Aktionäre mit ihrer Gesellschaft nimmt ab. Dies lässt, in Kombination mit einem dringend reformbedürftigen HV-Format, die Besucherzahlen schwinden.“
Bernhard Orlik HCE Consult
„Die emotionale Verbundenheit der Aktionäre mit ihrer Gesellschaft nimmt ab.“
Diese Entwicklung registriert auch Franziska Randt, Vice President Investor Relations beim börsennotierten Leasingunternehmen GRENKE: „Das ist in der Tat etwas, was wir selbst beobachten. Die Teilnehmeranzahl nach Corona hat rapide abgenommen.“ So kommt es, dass sich beispielsweise auf der diesjährigen HV der Deutsche Grundstücksauktionen AG Anfang Juli in Berlin lediglich 23 % der Aktionäre einfanden.
Kaum attraktiv
Hauptversammlungen stehen nicht gerade im Ruf, besonders attraktiv zu sein. Zwar kann es auf der einen Seite bei Anträgen, den Redebeiträgen der Aktionäre und der entsprechenden Erwiderung durch den Vorstand durchaus spannend werden, doch auf der anderen Seite wirken die umfangreichen und wiederkehrenden Formalia wenig anregend: Feststellung der Präsenz, Bericht des Aufsichtsrats, Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, Neuwahl des Aufsichtsrats, Wahl des Abschlussprüfers – diese Tagesordnungspunkte sorgen nur selten für Begeisterungsstürme. Auch der Neuigkeitswert der Informationen, die auf HVs verkündet werden, hält sich in der Regel in Grenzen. Wirtschaftliche Kennzahlen, strategische Überlegungen und der Ausblick auf das Ende des Geschäftsjahres wurden meist bereits Wochen vorher mit Vorlage des Geschäftsberichts bekannt gegeben, oft in Kombination mit einer Presse- und Investorenkonferenz des Vorstands. Auch beim Gedanken an die Abstimmungen macht sich bei vielen Kleinaktionären Ernüchterung breit: das Wissen, dass sie mit ihren geringen Anteilen kaum einen bzw. keinen Einfluss auf das Votum der Mehrheitsaktionäre haben, motiviert nicht gerade, sich mehrere Stunden Zeit für die Teilnahme an einer HV zu nehmen.
Dr. Alexander Thomas Osborne Clarke
„Hauptversammlungen sind vielfach nicht mehr das, was sie sein sollten, nämlich eine Stätte eines offenen sowie konstruktiven Dialogs.“
Entsprechend sieht auch Dr. Alexander Thomas, Rechtsanwalt der Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke, bei Aktionärstreffen in ihrer heutigen Form Schwächen: „Hauptversammlungen sind sehr von Formalien geprägt, mit der Folge, dass Unternehmen oft nur darauf den Blick haben und zugleich wenige Aktionäre offenbar einzig der Frage nachgehen, ob es formale Angriffspunkte gibt. Manche notwendigen Berichte tragen zugleich nicht zu einer Verbesserung der Transparenz bei, sondern bewirken mitunter das Gegenteil. Die hohen Formalien bewirken zugleich, dass einige Passagen, die der Versammlungsleiter vorträgt, ermüdend sind. Das manchmal unangemessen störende Auftreten weniger Aktionäre trägt auch nicht zu einem sinnvollen Miteinander bei. Dies alles hat zur Folge, dass Hauptversammlungen vielfach nicht mehr das sind, was sie sein sollten, nämlich eine Stätte eines offenen sowie konstruktiven Dialogs.“
Auch Sven Erwin Hemeling, Leiter Aktienrecht beim Deutschen Aktieninstitut (DAI), beobachtet, dass die Hauptversammlung in Deutschland seit Jahren in der Kritik steht: „Aktionäre und Unternehmen wünschen sich einen offeneren und lebendigeren Austausch, doch die Realität ist nach wie vor geprägt von Formalismus und Vorsicht. Unabhängig vom Format empfinden Aktionäre und ihre Vertreter sie als eintönig, langatmig und unattraktiv. Ursache hierfür ist vor allem das im internationalen Vergleich sehr strikte Beschlussmängelrecht.“ Bereits kleine Fehler oder Unvollständigkeiten bei der Beantwortung von Fragen könnten in Deutschland zur rückwirkenden Nichtigkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung führen. Die Folge sei, dass juristisch vorab geprüfte, lange und standardisierte Antworten über Stunden in der Hauptversammlung verlesen werden. Hemeling: „Für eine lebendige Debatte ist kein Raum.“
Angesichts dieser wenig prickelnden Gemengelage rechnet HV-Experte Orlik damit, dass diese Veranstaltungsform weiter an Bedeutung verlieren wird. Gegebenenfalls, so sein ernüchterndes Fazit, wird sie sogar ganz abgeschafft. Während Hauptversammlungen in Zeiten, als mittags die Börsenkurse noch ins Fenster der Bankfiliale gepinnt wurden, durchaus zeitgemäß gewesen seien, wirkten sie heute überholt. Das gelte beispielsweise für den Aspekt Rechenschaft: „Es gibt einen permanenten Nachrichtenfluss der Unternehmen an die Öffentlichkeit: Quartal-Calls, Presse- und Analystenkonferenzen, Capital Market Days, Zwischen- und Geschäftsberichte, Corporate News und Ad-hoc-Mitteilungen etc. Der Rechenschaftsbericht in der HV ist dann eher Wiederholung von lange Bekanntem ohne neuen Erkenntnisgewinn für die Aktionäre.“
Auch bei der Aussprache ist die HV laut Orlik nicht mehr zeitgemäß: „Der wichtige, kritische Austausch zwischen Gesellschaft und Aktionär finde nicht auf der HV, sondern in ‚privaten‘ Räumen am Rande anderer Formate statt. Wenn Larry Fink (CEO von Blackrock) einen offenen Brief veröffentlicht, hat dies mehr Einfluss auf das Verhalten der Gesellschaften als alle auf der HV vorgetragene Kritik.“ Und: „Der Nachwuchs an guten HV-Rednern fehlt. Das ist mit ein Grund, weshalb die Presse die Berichterstattung zu HVs reduziert hat.“
Nicht zuletzt ist laut Orlik der Abstimmungsmodus wenig einladend: „Ein bis drei Tage vor der HV steht mit hoher Wahrscheinlichkeit fest, ob Beschlüsse angenommen oder abgelehnt werden. Überraschende Abstimmungsergebnisse als Ergebnis der vorangegangenen Aussprache sind faktisch ausgeschlossen. Die Abstimmung am Ende der HV dient eher der exakten Ermittlung von Nachkommastellen.“
Trotz dieser ernüchternden Bilanz gibt es für GRENKE-Managerin Randt keineAlternative zur Hauptversammlung: „Rein formell ist die Hauptversammlung das zentrale Entscheidungsorgan der Aktionäre einer jeden AG. Sie entscheidet über richtungsweisende Maßnahmen wie Kapitalia und Personalia im Aufsichtsrat, die wiederum den Vorstand bestellen. Als Eigentümer der Aktiengesellschaft sollte es im ureigensten Interesse sein, entweder aktiv daran teilzunehmen und auch Fragen zu stellen – denn so nah kommt man sonst nie wieder an den Vorstand/Aufsichtsrat – oder zumindest sein Stimmrecht und damit sein Mitentscheidungsrecht zu nutzen.“
HV-Diskussionen auf Being Public Conference
Dass die Frage nach der Zukunft der Hauptversammlung die Fachleute bewegt, wurde auch auf der BeingPublic Conference von GoingPublic Media am 3. Juni 2025 in Frankfurt am Main deutlich. Die Veranstaltung widmete diesem Aspekt gar einen eigenen Tagesordnungspunkt, und die HV-Experten tauschten sich leidenschaftlich aus, wie ebendiese Zukunft konkret aussehen könnte oder sollte. So stellte Torsten Fues, Geschäftsführer von Link Market Services und Vorstand bei Better Orange, fest, dass die Veranstaltung „neu gedacht“ und „in eine modernere Form“ überführt werden müsse. Rechtsanwalt Dr. Thomas wies darauf hin, dass Kritik auf Hauptversammlungen erlaubt sein und akzeptiert werden müsse. Zugleich liege es an den Unternehmen selbst, „durch eine informative Präsentation nebst guter Fragenbeantwortung Aktionäre für sich zu gewinnen und die angemessene Transparenz zu schaffen“. HCE-Consult-Manager Orlik plädierte ebenfalls dafür, das Format „grundsätzlich neu“ zu denken; es brauche mehr als „nur kosmetische Veränderungen“.
Übrigens: Dass die Hauptversammlung einen Relaunch braucht, ist nicht wirklich neu. Bereits um die Jahrtausendwende, also zur Frühzeit des digitalen Zeitalters, stellten sich HV-Kenner die Frage, welche Veränderungen die damals neuen Technologien für Hauptversammlungen mit sich bringen würden und wie Aktionärstreffen künftig aussehen könnten. So stellte eine namentlich nicht näher bezeichnete wissenschaftliche Arbeit an der Humboldt-Universität zu Berlin damals fest: „Auch die Hauptversammlungen unserer börsennotierten Gesellschaften werden sich in der Zukunft unter dem Einfluss der neuen Kommunikationstechnologie verändern. Unter welchen Voraussetzungen soll es künftig möglich sein, die Versammlung im Internet zu übertragen? Soll es möglich sein, Hauptversammlungen an mehreren Orten gleichzeitig, möglicherweise auf mehreren Kontinenten abzuhalten? Werden wir in weiterer Zukunft vielleicht virtuelle Hauptversammlungen haben, die nur noch im Cyberspace ohne realen Versammlungsort stattfinden und zu denen sich Aktionäre aus allen Winkeln der Welt online zuschalten können?“
Markus Kienle SdK
„Eine Steigerung der Attraktivität von Hauptversammlungen wäre gut – es darf aber nicht auf Kosten der Aktionärsrechte passieren.“
Zukunft: Weniger formal, mehr digital
Die Weiterentwicklungen digitaler Technologien beeinflussen HVs heute so stark wie nie zuvor. Vor diesem Hintergrund plädiert Osborne-Clarke-Rechtsanwalt Dr. Thomas dafür, dass die Hauptversammlung der Zukunft wesentlich mehr digitale Elemente beinhalten sollte. „Auch könnte erwogen werden, wesentliche Formalien in einer Geschäftsordnung festzulegen, damit diese Hinweise nicht mehr ermüdend vorgetragen werden müssen. Manche Berichte, wie z.B. die Vorstandsberichte zur Möglichkeit des Bezugsrechtsausschlusses, die ohnehin rechtlich recht allgemein gefasst werden dürfen, sollten abgeschafft werden.“
Darüber hinaus schlägt er vor, dass Aktionäre, die viele Fragen stellen wollen, diese im Vorfeld einreichen sollten. „Aus meiner Sicht sollte man auch darüber nachdenken, den Abwahlantrag des Versammlungsleiters nicht mehr zuzulassen. Sollte ein Aktionär sich in der Versammlungsleitung in seinen Rechten wesentlich beschnitten sehen, könnte er dies rechtlich überprüfen. Wieso sollte es nicht erlaubt sein, das Rederecht der Aktionäre ausschließlich auf die Generaldebatte zu begrenzen, um so (störende) Beiträge außerhalb der Generaldebatte zu vermeiden?“ Insgesamt stellt Dr. Thomas fest: „Mehr digitale Elemente, weniger Formalien und zugleich ein stärkeres Gewicht auf die Vorstandspräsentation sowie die Qualität der Generaldebatte.“
Für DAI-Experte Hemeling wäre es zudem wichtig, das Beschlussmängelrecht zu reformieren. „Insbesondere das Auskunftsrecht sollte so ausgestaltet werden, dass nur wesentliche, also schwerwiegende Fehler die Anfechtung eines HV-Beschlusses rechtfertigen. Nur so kann der Austausch zwischen Aktionären und Unternehmen offener, lebendiger und konstruktiver gestaltet werden.“
Allerdings mahnt Markus Kienle, Rechtsanwalt und HV-Experte der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: „Eine Steigerung der Attraktivität von Hauptversammlungen wäre gut – es darf aber nicht auf Kosten der Aktionärsrechte passieren.“
Auch in den IR-Abteilungen von börsennotierten Unternehmen sieht man Bedarf für Veränderungen. So sagt Dr. Manas Human, Co-Founder & CEO des Münchner Technologieberaters Nagarro, auf Anfrage: „Die Hauptversammlung der Zukunft sollte sich stärker an dem orientieren, was wir heute von Kapitalmarkttagen kennen. Sie sollte die Kluft zwischen dem Engagement institutioneller und privater Investoren überwinden. Die ideale Hauptversammlung bietet überzeugende Inhalte sowie eine ausgewogene, konstruktive Interaktion zwischen Aktionären und Unternehmen. Dafür braucht es einen regulatorischen Rahmen, der Substanz klar vor Formalitäten stellt.“
GRENKE-IR-Managerin Randt weist außerdem auf organisatorische Fragen hin, die berücksichtigt werden sollten, um die Attraktivität von Hauptversammlungen zu steigern. So dürfe man nicht vergessen, dass eine HV immer unter der Woche, sprich an einem ganz normalen Arbeitstag stattfindet. Will man daran teilnehmen, müssten dies die Lebensumstände zulassen. Berufstätige müssten sich hingegen Urlaub nehmen. Eine Alternative wäre, HVs auf Wochenenden zu legen. „Das würde aber für die Gesellschaft teurer werden, da die Belegschaft, die dabei eingebunden ist, dafür abgestellt werden müsste“, so Randt.
„Die Zukunft wird hybrid sein“
Wenn es um die Zukunft der Hauptversammlung geht, stellt sich zwangsläufig auch die seit Corona immer wieder virulente Frage, in welchem Format die Veranstaltung künftig stattfinden sollte. Elke Strothmann, Geschäftsführende Gesellschafterin des HV-Dienstleisters AAA HV Management, beobachtet, „dass die Frage nach Präsenz- oder virtueller HV inzwischen deutlich strategischer getroffen wird – auch jenseits der Kostenüberlegungen. Je nach Tagesordnung wird die Aussprache zu bestimmten Themen in Präsenz vorgezogen, ohne dass dies eine Grundsatzentscheidung für alle kommenden Jahre sein muss.“
Quelle: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater PartGmbB
SdK-Mann Kienle bremst allerdings Erwartungen, dass Aktionärstreffen künftig ausschließlich digital sein werden: „Die Hoffnungen auf eine rein virtuelle Hauptversammlung werden sich eher nicht erfüllen. Die Zukunft der Hauptversammlung wird hybrid sein“, lautet vielmehr seine Einschätzung. Auch laut Randt wäre eine hybride Hauptversammlung die Königsdisziplin, um eine möglichst breite Masse an Aktionären anzusprechen und zu versammeln. Zugleich weist sie darauf hin, dass sich diese Form aufgrund unzureichender gesetzlicher Klarstellungen, satzungsrechtlicher oder Kosten- bzw. Techniküberlegungen in der gängigen Praxis noch nicht durchgesetzt hat.
Unterhaltungswert steigern
Letztlich geht es bei Hauptversammlungen auch um einen Softskill, der helfen würde, mehr Aktionäre zur Teilnahme zu motivieren – um den Unterhaltungswert. Branchenexperte Fues: „Der Unterhaltungswert ist deswegen wichtig, weil junge Anlegergruppen gelinde gesagt nicht mehr zur HV kommen. Warum? Weil Hauptversammlungen sehr formal sind. Diese Formalien sollten möglichst gekappt werden. Zudem sollten sich die Vorstände und Aufsichtsräte trauen, freier zu reden. Mein Appell ist: Traut Euch, im Rahmen der formalen HV-Anforderungen so viel wie möglich spontan und es so attraktiv wie möglich zu machen. Das spricht junge Leute an – der Unterhaltungswert nimmt damit deutlich zu, alle werden mehr Freude haben. Damit wird hoffentlich auch die junge Generation das Thema Hauptversammlung für sich entdecken.“
GRENKE-Managerin Randt ist zudem davon überzeugt, dass vor allem digitale Formate insbesondere die jüngere Generation ansprechen: „So könnte man beispielsweise Onlineticker einsetzen, die auf bestimmte Zeitpunkte während der HV hinweisen, die interessanter sind als das formaljuristische Drumherum, das es nun einmal auch immer geben muss und wird.“ Zusätzlich schlägt sie vor, Meet-and-Greet-Formate mit dem C-Level-Management als Incentivierung für jüngere Teilnehmer zu verlosen sowie mehr auf Snippets und Videoeinspieler als auch Chatfunktionen während der Generaldebatte zu setzen, um diese interaktiver zu gestalten. All das würde allerdings enorme Personalkapazitäten aufseiten der Emittenten sowie ein gut durchdachtes technisches Setup erfordern.
In diesem Sinne könnte man auch die Vorstandsreden thematisch untergliedern und mit Tickern versehen, sodass sich junge Aktionäre nur jene Inhalte anschauen, für die sie sich wirklich interessieren – „Stichwort ‚short attention span‘ aufgrund von Social-Media-Konsum“. Nicht zuletzt ließen sich die Reden mit kleinen Filmsequenzen „aus dem Maschinenraum“ ausgestalten – im Falle von GRENKE wäre dies beispielsweise ein vertiefter Blick auf den Vertrieb und dessen Funktionsweise.
Randt: „Aus meiner Sicht wäre eine Hauptversammlung, die auch gerade jüngeres Publikum ansprechen soll, keine reine Pflichtveranstaltung mit der liebgewonnen Naturaldividende mehr, sondern vielmehr eine Art Erlebnis ähnlich einem Capital Markets Day. Über lebhaftes Storytelling, das über den klassischen Rückblick hinausgeht und das Geschäftsmodell erlebbar macht, kann aus der reinen Pflicht eine Kür werden.“
Torsten Fues Link ServiceS / Better Orange
„Mein Appell ist: Traut Euch, im Rahmen der formalen HV-Anforderungen so viel wie möglich spontan und es so attraktiv wie möglich zu machen.“
Fazit
Hauptversammlungen in der aktuellen Umsetzung zeigen deutliche Ermüdungserscheinungen. Für Emittenten sind sie vielfach eine Last, für Aktionäre selten ein Quell der Freude. Vor allem junge Menschen bleiben mittlerweile vielfach weg. Mit den Ansprüchen einer Generation, die mit den Möglichkeiten, Besonderheiten und Konsumgewohnheiten der digitalen Welt erwachsen wird, wächst auch die Notwendigkeit, Hauptversammlungen an deren Bedürfnisse anzupassen und den Veranstaltungen wieder mehr Leben einzuhauchen. Dabei gibt es zahlreiche Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. Um diese zu bedienen, braucht es nicht nur den Mut und die Kreativität der börsennotierten Unternehmen, sondern auch den Willen des Gesetzgebers, mehr Spielraum zu gewähren, ohne die Aktionärsrechte auszuhebeln.
Autor/Autorin
Thorsten Schüller
Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist
Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist. Für GoingPublic Media betreut er das viermal jährlich erscheinende HV Magazin.