Prof. Dr. Matthias Schüppen, Partner, GRAF KANITZ, SCHÜPPEN & PARTNER
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Der Kläger war CFO der U AG, sein Gehalt betrug 188.000 EUR p.a. zzgl. einer Tantieme von 1,5% des Betriebsergebnisses nach Steuern sowie den üblichen Nebenleistungen (Versicherungen, Dienstwagen). Nachdem die Gesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, wurde der Kläger am 31.12.2011 abberufen und freigestellt; Bezüge wurden ab Januar 2012 nicht mehr bezahlt. Am 06.02.2012 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und forderte die Aufsichtsratsmitglieder unter Hinweis auf § 87 Abs.2 AktG auf, die Vergütung der Vorstände zu begrenzen. Der Aufsichtsrat beschloss daraufhin am 15.03.2012, die Bezüge aller Vorstandsmitglieder herabzusetzen.

Nachdem das Insolvenzverfahren am 30.03.2012 eröffnet war, kündigte der Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tage den Anstellungsvertrag des Klägers zum 30.06.2012. Mit seiner Klage macht der ehemalige Vorstand seine Gehaltsansprüche in der vertraglichen Höhe und einen Schadensersatzanspruch („Verfrühungsschaden“) wegen der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsvertrages geltend; er verlangt die Feststellung des Gehalts für Januar bis März 2012 und des Schadensersatzanspruche (als Insolvenzforderungen) zur Insolvenztabelle sowie die Zahlung (als Massekosten) des Gehalts für April bis Juni 2012.

Entscheidung des BGH

Nach Auffassung des II. Senats erfasst der Anwendungsbereich des § 87 Abs.2 AktG auch die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Anders als das OLG Stuttgart in der Vorinstanz gemeint habe, sei die dem Insolvenzverwalter gem. § 113 InsO eingeräumte Möglichkeit der Kündigung des Anstellungsvertrages keine den § 87 Abs.2 AktG verdrängende Spezialregelung, beide Gestaltungsrechte seien kumulativ und voneinander unabhängig. Das ergebe sich schon aus der Begründung des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), wonach im Falle der Insolvenz das Tatbestandsmerkmal einer Verschlechterung der Lage der Gesellschaft stets erfüllt sei. Auch aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergebe sich nichts anderes. Der Aufsichtsrat solle mit § 87 Abs.2 AktG unter Abweichung von dem Grundsatz, „pacta sunt servanda“ die Möglichkeit haben, den Vorstand im Rahmen von dessen Treuepflicht am Schicksal der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Eine Privilegierung gerade für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei nicht angezeigt.

Der vor Insolvenzeröffnung gefasste Aufsichtsratsbeschluss beziehe sich auch auf die Zeit danach. Ob das Recht aus § 87 Abs.2 AktG für die Zeit nach Insolvenzeröffnung vom Aufsichtsrat oder vom Insolvenzverwalter auszuüben sei, brauche vorliegend nicht entschieden zu werden, da der Aufsichtsratsbeschluss mit Zustimmung des Beklagten als vorläufigem Insolvenzverwalter zustande gekommen sei und dieser ihn im Verfahren verteidige. Nach Treu und Glauben könne sich daher keiner der Beteiligten auf eine etwa fehlende Zuständigkeit des Aufsichtsrats berufen.