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Die Vorbereitungen für die nächste HV-Saison laufen zum Jahresende an. Und auch die beliebtesten HV-Wochen kristallisieren sich langsam heraus: Die Woche ab dem 20. Mai sowie die erste Juniwoche 2024 stehen für HV-Termine besonders hoch im Kurs. Ein Gespräch über Formatfragen, die Herausforderungen mit Inhaberaktien und eine kleine Retrowelle Richtung Papier und Präsenz.

HV Magazin: Frau Bader, nach der HV ist bekanntlich vor der HV. Wann beginnt idealerweise die Vorbereitung für die HV-Saison 24?

Bader: Bei unseren Kunden beginnt die Vorbereitung meist rund ein Jahr vor der HV mit der Abstimmung des HV-Termins, zu dem nicht nur Vorstand und Aufsichtsrat, sondern auch Veranstaltungsort, Steno­grafen und alle weiteren die HV begleitenden Dienstleister verfügbar sein müssen. Unterjährig bleiben wir mit unseren Kunden in Kontakt, um Neuerungen oder ­Anpassungen für die kommende HV zu ­besprechen und zu planen. Die aktive Vorbereitung beginnt dann vier bis fünf Monate vor der Versammlung.

Früher waren es einmal die (Catering-) Kosten und die Speisekarte, in der ­Pandemie waren dann vor allem die Coronagesetzgebung und natürlich die Übertragungstechnik die drängendsten Themen, welche die ­Emittenten beschäftigten. Was sind derzeit und in Richtung HV 2024 die wichtigsten Herausforderungen?

Für viele Gesellschaften stellt sich zuallererst die Frage des richtigen Formats. Für die virtuelle HV wird es darum gehen, die Erfahrungen der ersten Saison auszuwerten und Prozesse ggf. anzupassen. Nach wie vor ist auch das Anmeldeprozedere ­eines der Themen, nicht zuletzt für Gesellschaften mit Inhaberpapieren, da sich die Kreditinstitute hier mehr und mehr zurückziehen.

Was ist Ihre Schätzung: Wie wird sich das Verhältnis von virtuellen Haupt­versammlungen zu Präsenzveranstaltungen weiterentwickeln?

Die virtuelle HV hat ihren Platz gefunden und ihr Anteil wird steigen, da auch kleinere Versammlungen in diesem Format technisch komfortabel, sicher und kostengünstig durchgeführt werden können – das hat bereits die erste Saison gezeigt. Dennoch wird die Präsenzversammlung in Deutschland weiterhin ihren Platz haben, auch wenn sie sich diesen mit der bisweilen etwas sachlicheren und konzentrierteren Form der virtuellen HV teilen müssen wird.

Sie sind seit 25 Jahren im HV-Business. Wo liegt das größte Routinepotenzial, welche Vorgänge sind immer gleich geblieben und wo haben sich Abläufe in der HV oder auch in der Vorbereitung von Aktionärsversammlungen (stark) verändert?

Das Rahmengerüst ist geblieben, in der Vorbereitung wie im Ablauf der HV. Alles andere hat sich verändert. Es wäre ein ganzes HV Magazin nötig, um die Änderungen zu benennen. Nur ein Beispiel: Meine erste HV-Einladung habe ich dem Bundesanzeiger noch per Fax übermittelt – heute wird sie im Portal des Verlags hochge­laden. Die Vorbereitung der HV wurde Stück für Stück digital, von der Zurver­fügungstellung von Informationen über die Abstimmung bis hin zur virtuellen HV. Die Publizitätspflichten wurden erweitert, der gesamte Vorbereitungsprozess wurde komplexer. Gesetzesänderungen sind an der Tagesordnung, daher tritt an die Stelle einer Routine die Erfahrung. Am wenigsten deutlich hat sich noch der Ablauf der HV geändert. Die Berichterstattung ist ausführlicher, das Backoffice größer, die ­Abstimmung erfolgt nicht mehr per Akklamation. Das Catering ist reduziert und es werden in der Regel keine Geschenke mehr gereicht. Die Hauptversammlung ist wesentlich komplexer, technischer und professioneller geworden.

Sind Sie zufrieden mit der Gesetzgebung zur virtuellen HV in Deutschland? Wenn nicht: Wo müsste nachgebessert werden?

Ich finde die Regelungen weitestgehend gelungen. Natürlich besteht aus Sicht ­eines HV-Dienstleisters oft Verbesserungspotenzial. Die Formulierung zum Teilnehmerverzeichnis in § 129 Abs. 1 ist vermeintlich klar, aber in der Praxis wirft sie doch Fragen auf. Und das Instrument der vorab eingereichten Stellungnahme – vielleicht noch der COVID-HV geschuldet, in der es Aktionären nicht möglich war, sich in der Versammlung zu Wort zu melden – wird in der Praxis von Aktionären kaum bis gar nicht wahrgenommen.

Inwiefern hat sich die Präsenzver­sammlung verändert, seit es die feste Alternative einer virtuellen HV gibt?

Nachdem sich die Aktionäre während der Pandemie an die Nutzung von Onlineportalen gewöhnt haben, werden diese nun auch für die Präsenz-HV öfter eingesetzt, soweit möglich, unter anderem für den ­Anmeldeprozess oder die Stimmabgabe. Die HV-Internetseite der Gesellschaft hat insgesamt eine größere Relevanz und Sicht­barkeit. Die reine Präsenzversammlung hat sich aufgrund der virtuellen HV kaum geändert.

Ist der Aufwand, den Unternehmen für eine HV betreiben, durch die vielen ­technischen Fortschritte größer oder tatsächlich kleiner geworden?

Der Aufwand hat sich verlagert, ist aber tendenziell größer. Einsparungen aufgrund elektronischer Abwicklung z.B. im Onlineportal (Anmeldung, Weisungserteilung) werden kompensiert durch neue Anforderungen, etwa die Bereitstellung weiterer Informationen auf der HV-Internetseite der Gesellschaft.

Gesetzesänderungen sind an der Tagesordnung, daher tritt an die Stelle einer Routine die Erfahrung.

Wie gestaltet sich aus Sicht eines Aktio­närs eine bestens durchgeführte HV? Und unter welchen Umständen können Sie Ihren Job am besten machen?

Hierüber ließe sich trefflich diskutieren. Aus Aktionärssicht sind wir schnell bei der hybriden HV, die eine Wahl zwischen physischer und virtueller Teilnahme ermöglicht. Sie ist aber mit deutlich höheren Kosten sowie umfangreicheren Vorbereitungen, komplexeren Abläufen und rechtlichen Fragestellungen die aufwendigste Variante. Darüber hinaus sind die Anforderungen der Aktionäre unterschiedlich, aber durchaus realisierbar: eine gute ­Organisation (Erreichbarkeit des Veranstaltungsorts, freies WLAN, leicht zu bedienendes Onlineportal …), aber eben auch der intensive, offene Austausch mit dem Vorstand. Für die Unternehmen hingegen steht etwa die formal korrekte und störungsfreie Durchführung im Fokus und heutzutage immer auch das Budget – jede Maßnahme wird auf ihre Relevanz geprüft.

Wir können unsere Kunden am besten unterstützen, wenn wir von Beginn an in alle Bereiche eingebunden werden und so ­unsere Erfahrung in die einzelnen Themenbereiche einbringen können.

In vielen Bereichen des täglichen Lebens findet eine Rückbesinnung auf alte Gepflogenheiten, Produkte etc. statt. Gibt es so etwas wie eine Retrowelle auch bei HVs?

Ich würde es nicht unbedingt Retrowelle nennen, aber es ist eindeutig erkennbar, dass es nach dem Ende der durch die ­Pandemie in vielen Bereichen zwingenden virtuellen Phase ein großes Bedürfnis ist, sich physisch wiederzubegegnen und auszutauschen. Sehr auffällig ist auch der Wunsch nach papierhaften Einladungen und Geschäftsberichten auf der Versammlung.

Können Sie schon absehen, wann die vollste HV-Woche insgesamt werden wird?

Erfahrungsgemäß könnte es die Woche ab dem 20. Mai werden. Hoch im Kurs steht aber auch die erste Juniwoche 2024.

Frau Bader, herzlichen Dank für das Interview.

Das Interview führte Simone Boehringer.


Zur Interviewpartnerin

Nicola Bader

Geschäftsführerin,
BADER & HUBL GmbH

nicola.bader@baderhubl.de

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.