Aktionärsansprache – persönliche Note fehl am Platz

Bereits aus diesem „Brief“ lassen sich wichtige Erkenntnisse über die wirtschaftliche Lage sowie die Aussichten herauslesen. Hier gilt es darauf zu achten, was gesagt wird, und eventuell auch darauf, was nicht gesagt wird: Gemeint sind die verschlüsselten Codes. In Einzelfällen (ProSiebenSat.1 und RWE) ersetzen Unternehmen den Aktionärsbrief durch ein Interview mit dem Vorstandsvorsitzeden. Eine solche Variante kann problematisch sein, weil der Stichwortgeber/Fragesteller aus leicht durchschaubaren Gründen anonym bleibt.

Zu bemängeln an den meisten Aktionärsbriefen ist vor allem der fehlende Adressatenbezug und ein persönlicher Ton, wie er in der Briefform angemessen wäre. Häufig liest sich der Brief wie ein verkürzter Lagebericht. Wirklich nur wenigen DAX-Unternehmen gelingt es, hier ihrem CEO einen glaubwürdig persönlichen und gewinnenden Auftritt zu verschaffen. „Mit Ihrer Anlageentscheidung setzen Sie auf unsere wegweisenden Technologien“ (Conti) und: „Unserem Unternehmen und unseren Mitarbeitern geht es gut.“ (SAP) – Das sind klare und verständliche Aussagen.

 

Finanzkommunikation – nicht immer aussagekräftig

In keinem Bereich lauert die Falle der Beliebigkeit mehr als bei der Vermittlung des USPs, das eng mit Mission und Geschäftsmodell des Unternehmens zusammenhängt und den Kern der Equity Story bildet. Hingegen hat die Qualität der Prognosen bei vielen DAX-Konzernen stetig zugenommen: Eine bemerkenswerte Anzahl von Unternehmen wagt es, ihre künftigen Ergebnis- und Kostenziele in Zahlen zu gießen und sich dadurch messbar zu machen.

Bei den wichtigen Kennzahlen (KPIs) ist die Kluft zwischen den Vorreitern, die ihre Schlüsselzahlen wirksam präsentieren, und dem Gros der Berichte, die Zuflucht in einer unübersichtlichen Tabelle suchen, besonders groß. Anders sieht es beim Unternehmensumfeld aus: Gesamtwirtschaftliche Darstellungen sind in der Regel solide ausgearbeitet; dies gilt nicht bei Branchenuntersuchungen. Hier trennt sich der Spreu deutlich vom Weizen. Ganz rar sind gute Wettbewerbsanalysen und noch rarer die Unternehmen, die ihre Wettbewerber nennen und sich mit ihnen quantitativ messen.

 

Nonfinancials – immer wichtiger

Dieser Teil des Geschäftsberichts hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen: Unternehmen müssen im Rahmen des DRS 20 über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren berichten. Neu hinzugekommen ist die CSR-Richtlinie, wonach Großunternehmen eine nichtfinanzielle Erklärung ab dem Geschäftsbericht 2017 veröffentlichen müssen.

Bei den nichtfinanziellen Indikatoren zeigt sich bereits: Kohärenz und Branchenbezug bleiben oft auf der Strecke. Dies gilt vor allem bei Human Resources (HR); das Kapitel besteht in der Regel aus einer unsortierten und wenig pointierten Ansammlung von Zahlen und schönfärberischen Aussagen. Dafür sind die Nachhaltigkeitsberichte gut strukturiert, da viele Unternehmen sich nach den GRI-Standards richten. Unternehmen wie Deutsche Post und SAP haben gut ausgearbeitete und nachvollziehbare Leistungsindikatoren.

Im Bereich Marketing sind die Angaben – auch bei markenorientierten Unternehmen – oft erstaunlich spärlich. Dabei gehören Markenwert und Kundenorientierung zu den wichtigsten Nonfinancials und zeichnen für einen großen Teil der Differenz zwischen Buchwert und Marktkapitalisierung verantwortlich. Management im Sinne von Strategie, Geschäftsmodell, Innovationsaktivitäten usw. ist weit besser bestückt.

Fazit

Aufgrund zahlreicher neuer Berichtsformate wird es immer schwieriger, sich in vernünftiger Zeit einen pointierten Einblick in die Geschäftsentwicklung zu verschaffen. Den klassischen Geschäftsbericht gibt es nicht mehr – elektronische Formate wie Online-Versionen, HTML-Berichte mit Zusatzfunktionen, PDF-Dateien als Download sowie z.T. auch als E-Book oder über eine Dokumenten-App abrufbare Berichte dominieren. Insgesamt lässt sich die externe Berichterstattung 2016 im Hinblick auf die ab diesem Jahre anzuwendende EU-Richtlinie als ein Jahr des Übergangs charakterisieren.

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