Der Leitfaden für den Versammlungsleiter stellt das zentrale Element zur Steuerung der Abläufe der Hauptversammlung dar. Er ist Drehbuch, Sprechzettel und „quasi-Geschäftsordnung“ in einem und stellt daneben die Grundlage des notariellen Protokolls dar. Die unreflektierte Übernahme des Textes aus den Vorjahren ist ebenso wenig anzuraten wie die schlichte Verwendung allgemeiner Mustertexte. Neben diesem Appell zu sorgfältiger Erarbeitung lassen sich Leitplanken herausarbeiten, die für das Gelingen der Versammlung von entscheidender Bedeutung sind.

Inhaltliche Anforderungen
Mit dem Leitfaden werden zum einen Bestimmungen zur Versammlung getroffen, zum anderen organisatorische Abläufe erläutert. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass sowohl Bestimmungen als auch Erläuterungen zu dem jeweils logisch sinnvollsten Zeitpunkt erfolgen. Dass die Versammlung mit ihrer Eröffnung beginnt und mit ihrem Schließen endet, ist evident. Ebenso, dass die Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung zu Beginn der Versammlung zu treffen ist und die Feststellung, dass keine Wortmeldungen mehr vorliegen, gegen Ende der Debatte. Allerdings finden sich durchaus Leitfäden, in denen das Abstimmungsverfahren zu Beginn der Versammlung erläutert wird und ein zweites Mal kurz vor den Abstimmungen. Auch sind gelegentlich Formulierungen anzutreffen, die nach dem Ende der Generaldebatte erneut zu Wortmeldungen zu den Tagesordnungspunkten aufrufen. Derartige Dopplungen sind unnötig und erlegen sowohl dem Versammlungsleiter als auch dem Auditorium vermeidbare Mühen auf – von den Risiken der Eröffnung neuer Debatten ganz zu schweigen.

Auch eine Überprüfung auf juristische wie technische Aktualität ist sinnvoll. Nicht nur das Aktiengesetz ist Änderungen unterworfen, für börsennotierte Gesellschaften sind die Empfehlungen des Corporate Governance Kodex von ähnlicher, zentraler Bedeutung. Der Hinweis, dass Tonbandaufnahmen der HV nicht gestattet seien, mag vor 15 Jahren angemessen gewesen sein, wirkt heute jedoch eher antiquiert.

Bestimmungen des Versammlungsleiters sollten als solche klar erkennbar sein, besonders wichtige können durchaus mit der Aufforderung zur Protokollierung unterstrichen werden.

Für den als normal prognostizierten Ablauf wird üblicherweise ein Hauptleitfaden vorbereitet, für eventuelle Sonderfälle jeweilige Sonderleitfäden. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass Haupt- und Sonderleitfäden miteinander korrespondieren. Soll z.B. von vornherein eine Einzelentlastung stattfinden, erübrigen sich Sonderleitfäden zu Einzelentlastungsbegehren.

Sprachliche Anforderungen
Mit dem Leitfaden sollen u.a. komplexe Vorgänge erläutert werden, wobei eine größtmögliche Verständlichkeit anzustreben ist. Gleichzeitig sollen die Sprechzettel der juristischen Sicherheit dienen. Diese kann zwar durch das wörtliche Zitat der zugrunde liegenden Rechtsnormen hergestellt werden. Rechtsnormen adressieren allerdings eher das Fachpublikum. Zentrale Herausforderung ist somit das „Übersetzen“ der rechtlichen Anforderungen in allgemeinverständliches Deutsch.

Mit der Anforderung der Verständlichkeit korrespondiert die Anforderung der Verlesbarkeit – gut zu verlesende Texte sind per se auch gut zu verstehen, schwer verlesbares Geschwurbel zaubert dem Auditorium allenfalls Fragezeichen ins Gesicht. Somit sollten eher kurze Sätze mit in sich geschlossenen Sinneinheiten gebildet werden – Bandwürmer sind nicht nur im Tierreich eine unschöne Erscheinung. Schachtelsätze, deren Inhalt sich erst beim dritten Lesen erschließt, sind für die geneigte Zuhörerschaft ebenso unerträglich.

Vorsicht ist auch bei der Verwendung von Fachbegriffen, Fremdwörtern und Anglizismen geboten. Die Hauptversammlung ist nicht das geeignete Forum zur Präsentation von Altgriechisch- oder Lateinkenntnissen. Ebenso wenig allgemeinverständlich stellen sich englische Begriffe oder auch sehr spezifische Abkürzungen dar. Die Vermeidung solcher Vokabeln ist kein Ausdruck weltfremder Deutschtümelei, sondern dient der Verständlichkeit.

Bei der Ansprache des Auditoriums gilt es eine sinnvolle Balance zwischen der gebotenen Sachlichkeit auf der einen Seite und der angemessenen Höflichkeit auf der anderen Seite zu finden. Ein Versammlungsleiter, der sich für jede Maßnahme mit orientalisch anmutenden Schmeicheleien entschuldigt, kann recht schnell unsicher wirken. Andererseits können sehr kurze, knappe Ansagen leicht als Kasernenhofton aufgefasst werden, welcher dem Umgang mit den Eigentümern des Unternehmens nicht angemessen ist.

Technische Anforderungen
Zur Verlesbarkeit des Leitfadens gehört insbesondere die Darstellung in einer gebräuchlichen Schrifttype mit einer gut lesbaren Schriftgröße. Zu betonende Sachverhalte sollten hervorgehoben werden, zur Vermeidung versehentlichen Verlesens sollten Regiehinweise und mögliche Optionen vom Verlesetext gut unterscheidbar dargestellt werden.

Überschriften, Gliederung und Inhaltsverzeichnis sowie Registerblätter erhöhen die Auffindbarkeit insbesondere von Sonderleitfäden und die Rückkehr zum Hauptleitfaden.

Bei den meisten Gesellschaften erhält der Versammlungsleiter sowohl den Hauptleitfaden als auch die Sonderleitfäden von Anfang an quasi im Paket. Der Versammlungsleiter hat dann von vornherein sämtliche diesbezüglichen Sprechtexte verfügbar, muss aber im Fall des Falles auch selbst suchen – mit der Gefahr, dass er den passenden Sprechtext nicht zügig auffindet.

Andere Gesellschaften reichen dem Versammlungsleiter ausschließlich den für ihn relevanten Sprechtext zu. Hier übernimmt meist ein Jurist die Kontrolle der zuzureichenden Texte. Zur Aktualisierung setzt Computershare hierbei das intelligente Textverarbeitungssystem HV EGuide ein, das die Auswirkungen bestimmter Optionen im gesamten Text durchgängig aktualisiert – der Anwender bestimmt die jeweilige Option nur ein einziges Mal, die Software erledigt zuverlässig den Rest.

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