Kersten Schmitz, Leiter Equity Capital Markets, und Kay Steffen, Leiter ECM – Syndication & Corporate Broking, DZ BANK AG

Mittelständisch geprägte Familienunternehmen sind in ihrem Handeln durch langfristige und nachhaltige Unternehmensführung charakterisiert. Des Weiteren fokussieren sie in der Regel besonders auf den Erhalt ihrer Unabhängigkeit. Doch erfordert das globale Marktumfeld oftmals die Einbindung externer Kapitalgeber, um die notwendigen Investitionen und internationalen Wachstumsschritte zu finanzieren.

Zwar ist die klassische Bankfinanzierung nach wie vor das zentrale Finanzierungsinstrument, gleichwohl finden folgende Aspekte verstärkt Beachtung und führen zu einer stetigen Zunahme kapitalmarktorientierter Finanzierungsquellen:

  • Wahrung des unternehmerischen Einflusses und der Unabhängigkeit durch Diversifikation der Finanzierung bzw. der Gläubigerkreise
  • Vorbereitung auf mögliche bzw. tatsächliche Einschränkungen/Verteuerungen in der Kreditvergabe der Hausbanken (infolge Basel III, Branchenfokussierung oder strikter Kreditstandards z.B. hinsichtlich Reporting, Dokumentation, Besicherung)
  • besondere Finanzierungsanlässe wie Wachstumsinvestitionen oder Erschließung neuer Märkte.

Schuldscheine

So spielt heute bspw. der Schuldscheinmarkt eine wichtige Rolle. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass es inzwischen ein Bestandsvolumen von rund 60 Mrd. EUR gibt, für das Gesamtjahr 2012 rechnen Experten mit einem Platzierungsvolumen von bis zu 13 Mrd. EUR. Die Vorteile des Schuldscheinmarktes für Emittenten liegen auf der Hand: eine relativ schlanke Dokumentation sowie die Möglichkeit, zu attraktiven Margensätzen die Gläubigerbasis zu erweitern.

Alternative: Bonds

Auch der Mittelstandsanleihemarkt hat sich trotz seines erst kurzen Bestehens seit dem Jahr 2010 zu einem deutlich wahrnehmbaren Segment entwickelt. Inzwischen notieren an den Wertpapierbörsen gut 50 Emissionen mit einem kumulierten prospektierten Volumen von mehr als 3 Mrd. EUR. Rund ein Drittel der Emittenten in diesem Segment entfällt auf „klassische“ Familienunternehmen. Im Mittelstandsanleihensegment hat allerdings bereits ein deutlicher Ausleseprozess eingesetzt, infolgedessen Unternehmen präferiert werden, welche die klassischen Kriterien der Kapitalmarktfähigkeit nachhaltig erfüllen können und wollen:

  • stabiles Geschäftsmodell, kritische Größe
  • belastbare Managementstruktur
  • verlässliches internes und externes Reporting
  • Bereitschaft zur Transparenz und Kommunikation mit den Investoren

Die Emission einer Mittelstandsanleihe wird in der Regel als Eigenemission durchgeführt, also ohne Due Diligence einer kapitalmarkterfahrenen Bank sowie eingeschränkten Berichtspflichten. Hinzu kommen fehlende Mitspracherechte für die Investoren. Zusammengenommen bedeutet dies, dass ein Initial Bond Offering „IBO“ lediglich ein erster Schritt in Richtung Kapitalmarktfähigkeit im Sinne von Börsenfähigkeit ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es zwar zahlreiche börsennotierte Gesellschaften gibt, die das Mittelstandsanleihensegment genutzt haben, aber bislang noch kein Emittent einer Mittelstandsanleihe den Weg des IPOs beschritten hat.

Zwischen Eigen- und Fremdkapital

Neben der klassische Anleihe besteht das sog. Mezzaninesegment, das – wie der Name vermuten lässt – „zwischen“ Eigen- und Fremdkapital angesiedelt ist und daher gegenüber dem reinen Fremdkapitalcharakter eines Schuldscheindarlehens oder einer Anleihe zusätzlich gewisse (wirtschaftliche) Eigenkapitalaspekte aufweist wie formal unendliche Laufzeit, Verlustteilnahme, gewinnabhängige Zinszahlung und mehr. Dafür bieten diese Instrumente auch höhere Renditechancen für den Investor.

Dieses Segment hat sich jedoch weiterentwickelt. Die vor einigen Jahren aufgelegten sogenannten Standard-Mezzanine-Programme, die entweder gebündelt verbrieft oder in Fondsform bei Investoren vermarktet wurden, sind inzwischen eingestellt. Die noch laufenden Programme stellen viele der in ihnen enthaltenen Schuldner hinsichtlich Rückzahlung bzw. Anschlussfinanzierung vor maßgebliche Probleme. Das Feld besteht heute nahezu ausschließlich aus individuell vereinbarten Instrumenten, die aber für den Emittenten deutlich teurer sind sowie erheblich stärker die Mitbestimmung bei wichtigen Unternehmensentscheidungen festschreiben, als es bei den früheren Programmen der Fall war.

Ein Börsengang bietet den Vorteil von „echtem“ Wachstumskapital. Foto: PantherMedia / A Singkham

Wachstumskapital via IPO

Daher bietet gerade der Börsengang weiterhin eine interessante strategische Option im Hinblick auf die damit verbundene Eigenkapitalverstärkung. Die besonderen Vorteile sind: „echtes“ Wachstumskapital ohne Fälligkeit, Dividendenausschüttungen an die Investoren nur bei Unternehmenserfolg, Erschließung neuer Investorenkreise, Verbilligung nachfolgender Fremdfinanzierungen sowie Erhöhung der Verschuldungskapazität. Auch steigt die öffentliche Wahrnehmung bei Kunden und Lieferanten im In- und Ausland sowie bei Mitarbeitern. Darüber hinaus eröffnet ein Börsengang der Familie die Option zur privaten Vermögensdiversifikation sowie der nachhaltigen Regelung der Nachfolgethematik, auch mit Blick auf die Gewinnung externen Managements.

Die manchmal noch geäußerte Sorge, dass mit einem Börsengang auch die unternehmerische Unabhängigkeit verloren gehe, ist durch die Erfahrungen der börsennotierten Familienunternehmer entkräftet. Zudem hat sich inzwischen mit der Rechtsform der KGaA oder der SE bzw. AG & Co KGaA eine mit Blick auf Kapitalmarktakzeptanz und Börsenliquidität sinnvolle Alternative zur früher manchmal gewählten stimmrechtslosen Vorzugsaktie etabliert, um den Einfluss familienfremder Aktionäre zu begrenzen. Prominente Beispiele hierfür sind u.a. Drägerwerk, Fresenius, Henkel und Merck. Der entscheidende Unterschied in der Governance zu einer „normalen“ AG besteht darin, dass das alleinige Recht zur Geschäftsführung bei dem persönlich haftenden Komplementär liegt und dort satzungsmäßig verankert ist.

Fazit

Schließlich hat sich gezeigt, dass die notwendige Transparenz und der fortlaufende Diskurs mit familienfremden Investoren gerade von Mittelständlern, die bereits an der Börse notieren, als besondere Bereicherung für die Fortentwicklung des Unternehmens gesehen werden. Ein langfristig erfolgreicher Kapitalmarktauftritt kann jedoch nur gelingen, wenn die Bereitschaft zur Öffnung gegenüber Investoren besteht sowie professionelle und erfahrene Berater den Weg an die Börse und die Zeit nach dem Going Public begleiten.

Dieser Artikel ist erschienen im GoingPublic Magazin 12/2012.