Einige Wochen ist es nun her, da Wim Duisenberg seine ablehnende Haltung gegenüber möglichen Euro-Interventionen während eines Interviews kund tat. Durch die Finanzwelt ging ein Aufschrei der Empörung, der Euro rauschte mit noch höherer Geschwindigkeit in die Tiefe, und die Karriere des eigenwilligen Holländers schien beendet.
So schlimm der provozierte Vertauensverlust auch ist, die Sache scheint trotzdem eine positive Seite zu bekommen. Die aus Wirtschaft wie Politik offen vorgetragene Kritik am Verhalten der EZB scheint Früchte zu tragen. Die Währungshüter sind aufgewacht.
Nach der konzertierten Intervention Ende September versucht sich nun die Zentralbank im Alleingang an der Stützung des Euro. In den vergangenen Wochen wurden dabei rund 3 Mrd. Dollar gegen Euro eingetauscht. Der Erfolg dieser Aktionen ist jedoch bescheiden, betrachtet man die zwischenzeitliche Performance der Einheitswährung. Der Euro hat sich durch die Eingriffe nicht nennenswert von seinem Niveau bei 0,85 US-$ entfernen können. Kritik gab es daher von vielen Seiten. Moniert wurde vor allem, daß die sich die EZB mit ihren Aktionen gegen den Markt stemmen wolle, was wenig sinnvoll sei. Auch der Alleingang an sich erntete Kritik. Ohne Japan und USA fehle es an Durchschlagskraft.
Bei diesen Argumenten wird das psychologische Moment allerdings ausgeblendet. In dieser Beziehung scheint die EZB mit ihrer Strategie nämlich auf dem richtigen Weg zu sein. Mit Vehemenz wurde dem Markt eingehämmert: Bis hierher und nicht weiter. Bei 0,85 US-$ je Euro ist Schluß. Damit sollte nun eine Untergrenze geschaffen sein, an der weitere Abwärtsspekulationen enden.
Den Schwenk in der Strategie der Notenbank verdeutlicht noch mehr die Orientierung an der Inflationsprognose. Nachdem die amerikanische Federal Reserve mit diesem Instrument schon seit längerem erfolgreich arbeitet, soll sie nun auch in der alten Welt eingeführt werden. Für Dezember wird eine sogenannte bedingte Inflationsprognose erwartet. Darin wird unter Annahme weiter konstanter Zinsen eine Prognose über die zukünftige Preisentwicklung abgegeben. Würde sich bei der Inflationsprognose eine Abweichung vom geplanten Wert – derzeit gilt 2 % als Obergrenze – herauskristallisieren, käme die EZB unter öffentlichen Handlungsdruck. Der Vorteil dieser Prognose ist die Vereinfachung einer präventiven Geldpolitik, frühzeitiges Handeln kein Problem mehr.
Ob sich bei der Betrachtung der Inflation ebenfalls ein Strategiewechsel abspielt, ist bislang nicht gewiß. Thema ist die Um-Orientierung der Notenbank weg von der Gesamt-Inflationsrate hin zur Betrachtung der Kerninflation, die die Preise von Energie und Lebensmitteln außen vor läßt. EZB-Vizepräsident Christian Noyer und Direktoriumsmitglied Sirkka Hämäläinen deuteten mit ihren Äußerungen zwar in diese Richtung, von offizieller Seite wurde dies aber dementiert.
Festzustellen bleibt: Auch die Mühlen der Europäischen Zentralbank mahlen langsam. Trotzdem tut sich etwas. Die obersten Währungshüter haben erkannt, daß es an der Zeit ist, zu handeln. Und es geht in die richtige Richtung. Ob das dem Euro schon bald aus der Patsche hilft, ist alles andere als sicher. Aber längerfristig wurde neue Hoffnung geschürt.
Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.