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Der Weg der europäischen Life-Science-Startups von der ersten Seed-Finanzierung bis zum kommerziellen Durchbruch und dem Exit ist lang und steinig. Wie die Firmen mit einer überzeugenden Equity Story und klar kommunizierten Zielen die zugeknöpften Taschen der Investoren öffnen, wurde auf dem Finance Day der GoingPublic Media / Plattform Life Sciences am 23. Oktober 2025 in Leipzig von Branchenexperten und Firmengründern diskutiert. Von Stefan Riedel
„Wir brauchen weniger Angst vor Veränderung – und mehr Neugier auf das, was möglich ist.“ Die Empfehlung, die der Zukunftsforscher Johannes Kleske zum Abschluss des vom Going Public Verlag organisierten Finance Day 2025 den rund 160 Teilnehmenden mit auf den Weg gab, ist für die deutsche Life-Science-Branche Mutmacher und Appell zugleich. Dass es nicht an vielversprechenden Geschäftsideen und spannenden Produkten mangelt, zeigte sich bei allen Diskussionsrunden, Impuls-Vorträgen und Pitches auf dem Event, der zum zweiten Mal in Folge in der BioCity Leipzig stattfand. Die erfolgsentscheidende Frage bleibt letztendlich, wie deutsche Biotechunternehmen im aktuellen Marktumfeld ihre Finanzierung sicherstellen.
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Worauf es ankommt, um in Deutschland erfolgreiche Biotech-Cluster als Keimzellen für Forschung und Entwicklung aufzubauen, erläuterte Dr. Martin Heidecker, Chief Investment Officer des AMR Action Fund, in seinem Eröffnungsvortrag. Die Basis dafür sei das Zusammenspiel von wissenschaftlicher Expertise an Universitäten und lokalen Forschungseinrichtungen mit Branchen-Netzwerken, privaten und öffentlichen Kapitalgebern und politischen Entscheidungsträgern. Wie sich Cluster erfolgreich entwickeln, erläuterte Heidecker an den Beispielen von Martinsried, Basel und Leipzig.

Wie Firmengründer Geldgeber überzeugen
Mit welchen Qualitätsmerkmalen Startups bei potenziellen Investoren punkten, skizzierte Dr. Angelika Vlachou, beim Hightech-Gründerfonds (HTGF) Partnerin des Life Sciences & Chemie Investment Teams, gegenüber Plattform Life Sciences. Weil sich der HTGF häufig als erster institutioneller Investor an Startups beteilige, fokussiere die Due Diligence von potenziellen Portfoliofirmen die Qualität der Geschäftsidee, vorhandene Daten, Marktpotenzial und Wettbewerb. Letztendlich gilt für Vlachou: „Management is the key. Firmengründer und die Menschen, die das Unternehmen vorantreiben, vermitteln uns ihre Vorstellung davon, wo das Unternehmen in fünf oder zehn Jahren stehen soll. Unser Vertrauen gewinnen sie dann, wenn sie uns überzeugend erklären, dass sie die gesteckten Ziele auch wirklich umsetzen können.“ Die Anfangsfinanzierung des HTGF soll die Unternehmen zu ihren nächsten wesentlichen Wertsteigerungsschritten (Value Inflection Points) führen.

Die Firmengründer selbst müssen gleich zu Beginn die richtige Sprache finden für potenzielle Geldgeber. „Es geht nicht darum, Wissenschaft oder akademische Exzellenz an sich zu präsentieren, sondern klar aufzuzeigen, wie daraus ein Produkt oder eine Anwendung entsteht, die einen ungedeckten medizinischen Bedarf adressiert und das Leben von Patientinnen und Patienten signifikant verbessert“, rät VC-Expertin Dr. Vlachou. Zugleich empfiehlt sie allen Startups, frühzeitig mit potenziellen Käufern ihrer Technologien und Produkte in Kontakt zu treten.
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Es braucht mehr als Unicorns
Insgesamt vier Pitch Panels – jeweils eines für Investoren, Kapitalmarktexperten, lokale Startups aus der Biotechregion Sachsen und deutschlandweite Startups auf der Suche nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten – boten insgesamt zehn Startups und vier Kapitalgebern eine Plattform, um Geschäftsmodell und Investmentkriterien zu präsentieren. Welche strukturellen Faktoren die Bildung von mehr Unicorns in Deutschland hemmen und wer diese Startup-Unternehmen mit einer Bewertung von mehr als 1 Mrd. USD finanziert, war Gegenstand der ersten Podiumsdiskussion.

Aktuell gibt es in Deutschland branchenübergreifend 47 Unicorns. Mehr als die Hälfte davon hat ihren Firmensitz in Berlin. Einigkeit herrschte unter allen Panel-Experten, dass der Unicorn-Status ein starkes Marketinginstrument ist, indem er die jeweiligen Firmen bei den Investoren wie auch bei arbeitsuchenden Fachkräften in den Blickpunkt rückt. Erfolgsentscheidend für die Renditen von VC-Fonds sind sie jedoch nicht. „Nicht jedes Startup benötigt Unicorn-Potenzial. Der typische deutsche Exit Trade-Sale liegt zwischen 50 und 100 Mio. EUR“, meinte Eric Weber, Gründer von SpinLab Leipzig. Der Seed-Finanzierer unterstützt Startups bei Finanzierungen und Markteinführungen.

VC-Investoren und Exits gesucht
Ein zentrales Thema der Diskussion war der Mangel an Kapital in Deutschland. Dr. Rainer Strohmenger, Managing Partner bei der VC-Gesellschaft Wellington, kritisierte dabei, dass regulatorische Vorgaben in Deutschland den Zugang zu Venture Capital erschweren. Anders als in anderen europäischen Ländern seien kleinere Anlagen in Venture Capital in Deutschland weitgehend verboten. Während spekulative Anlagen wie Kryptowährungen oder Sportwetten frei zugänglich sind, ist der Einstieg in VC-Fonds oft erst mit hohen Summen erlaubt. Die Folge: Kapital für Biotechfirmen fließt ins Ausland und hier vor allem in die USA ab. „Das Problem ist nicht mangelnder Mut von Seiten der Investoren – sie dürfen in vielen Fällen schlicht nicht investieren“, konstatierte Dr. Strohmenger.
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Regulatorische und finanzielle Silberstreife
Zumindest was die Beschleunigung von regulatorischen Prozessen angeht, haben sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für klinische Studien verbessert. Dr. Manja Epping, Beraterin für Healthcare-Unternehmen bei der Wirtschaftskanzlei Heuking, erläuterte in ihrem Vortrag die entsprechenden Neuerungen im Medizinforschungsgesetz (MFG). Die im Juli 2025 von der Bundesregierung beschlossene Hightech Agenda Deutschland habe sich wiederum im Bereich Biotechnologie zum Ziel gesetzt, verschiedene Projekte fördern, unter anderem den Ausbau eines Translationszentrums für Gen- und Zelltherapie in Berlin und von Kapazitäten für die Genomsequenzierung für personalisierte Diagnostik und Therapien.
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Europa holt auf
In welchem Umfang die europäische Healthcare-Industrie bei den Finanzierungsvolumina gegenüber den USA nachzieht, erklärte Mathias Klozenbücher, Managing Director bei FCF Fox Corporate Finance. Stand Juli erfasste der aktuelle Venture Capital Healthcare & Life Sciences Venture Capital Monitor der Gesellschaft für die USA mit 21,55 Mrd. EUR ein 13% unter dem Vorjahr liegendes Gesamtvolumen. Dagegen sind die Volumina in Europa um 18% auf fast 6,7 Mrd. EUR gestiegen.

Zugleich kommen die größten Investoren in Europa aus den USA. Klozenbücher zufolge eröffnet sich im aktuellen Marktumfeld für die europäische Healthcare-Industrie die Chance, sich international zu positionieren: „Die Bewertungen sind in den USA teilweise drei- bis fünffach über ihren europäischen Pendants. Gleichzeitig sehen wir seit etwa 2024, dass sich immer mehr US-Investoren Europa zuwenden. Europäische Biotechs arbeiten kapitaleffizient, die Investoren bekommen hier mehr für ihr Geld. US-Investoren stellen teilweise Beträge von 100 Mio. USD und mehr zur Verfügung, europäische VC-Investoren springen dann auf diese Konsortien auf.“ Sein Fazit: „Wir brauchen in Europa mehr tatkräftige Fonds mit tiefen Taschen und einheitliche europaweite Regulatorien, die das Investieren in Firmengründungen vereinfachen. Es fehlt an Investoren, die sich auf Life Sciences einlassen, speziell an effektiven Geldgebern für Serie-A bis Serie-C-Finanzierungen.“

Die Kunst des richtigen Exits
Dieser Appell war die ideale Überleitung zur abschließenden Expertenrunde über Finanzierungs- und Exitstrategien für Biotech und Pharma. Christopher Guddat von der Münchener Finanzberatung WRS Advisory rät allen Unternehmen, mögliche Exit-Strategien mindestens zwei Jahre vor dem beabsichtigten Zeitpunkt mit Investoren durchzugehen. Auf Sicht der nächsten zwölf Monate öffne der Kapitalmarkt ein Fenster für Exit-Transaktionen. Um Exit-Optionen überhaupt ins Auge fassen zu können, müssten die Unternehmen nochmals überprüfen, ob sie alle rechtlichen Aspekte erfüllen, mahnte Stefanie Greifeneder, Rechtexpertin für Belange der biopharmazeutischen Industrie bei der Kanzlei Heuking.
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Patentrechtliche Fragen, Studienergebnisse und Gesellschafterverträge müssten seit dem Zeitpunkt der Firmengründung lückenlos und transparent dokumentiert sein. Hinsichtlich der Exit-Optionen rät Greifeneder, bis zum Ende flexibel zu bleiben, gerade vor dem Hintergrund, dass sich die Dauer von komplexen M&A-Prozessen mittlerweile von sechs auf neun Monate in die Länge ziehe.


Wie ein Startup den langen Weg von der Gründung bis zum Exit durch Übernahme erfolgreich meistert, erläuterte Carsten Fietz, Vorstandsmitglied des Leipziger Enzymherstellers c-LEcta. Der Betriebswirt Fietz stieß 2004 zu c-LEcta, organisierte 2006 die erste VC-Runde und war an den Verhandlungen zum Verkauf an die Kerry Group, einen irischen Hersteller von Geschmacksmitteln und Nährstoffen, für 137 Mio. EUR im Jahr 2022 beteiligt. Erfolgsentscheidend für Fietz war neben dem Netzwerk der Deutschen Börse die Fähigkeit, die eigene Equity Story an breites Spektrum potenzieller Investoren glaubwürdig zu präsentieren.

Mit seinen Räumlichkeiten an der Alten Messe Leipzig war c-LEcta auch Gastgeber für die sich dem Event anschließende Abendveranstaltung. Dort hatten alle Teilnehmenden im informellen Rahmen reichlich Raum für das Netzwerken und weitere Diskussionen über die tagsüber diskutierten Themen.

Der Finance Day 2025 in Leipzig wurde unterstützt von:
Autor/Autorin

Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.
 
             
		






