Vorstände und Aufsichtsräte bekommen auf Hauptversammlungen zunehmend Gegenwind zu spüren. Das liegt vor allem an den Stimmrechtsberatern, deren Dienste von immer mehr professionellen Anlegern geschätzt werden. Bei Vergütungsfragen und Managerverfehlungen haben sie großen Einfluss auf die Unternehmen. Da weltweit nur zwei große Player den Markt beherrschen, ist die Rolle der Stimmrechtsberater jedoch nicht unumstritten.

Zwei große Player weltweit

Haben Stimmrechtsberater deshalb schon zu viel Macht? „Wenn solche Empfehlungen ‚blind‘ übernommen werden, sollte sich der Vorwurf gegen die Investoren richten“, ­fordert Schmid. Positiv für den Aktienmarkt sei auf jeden Fall, dass jetzt institutionelle Anleger im In- und Ausland ihre Pflichten auf HVs viel häufiger erfüllten. Negativ zu bewerten ist sicherlich der geringe Wett­bewerb unter den Beratern – der Markt wird von nur zwei Akteuren mit einem weltweiten Anteil von 90% dominiert. „Dass immer mehr große Investoren über Stimmrechtsberater abstimmen, schränkt den direkten Dialog zwischen Unternehmen und Aktionären stark ein“, kritisiert Kirchhoff-Partner Schlegtendal. Und wegen drohender Inte­ressenkonflikte ist es problematisch, wenn die Berater eine Doppelrolle spielen. „Teilweise beraten sie nicht nur Investoren, sondern auch die Emittenten selbst – wie die anstehenden Beschlüsse ‚durchgehen‘ könnten“, kritisiert Schmid.


„Viele passive Investoren nutzen sie“
Frage an Henning Gebhardt, Leiter Wealth and Asset Management, BERENBERG

 

 

Ist der Einfluss der Stimmrechtsberater in den letzten zwei Jahren weiter gestiegen?

Gebhardt: Nicht merklich. Allerdings nutzen inzwischen viele passive Investoren die Beratungsangebote, was in meinen Augen der allgemeinen Entscheidungsfindung hilft. Ihre professionelle Herangehens­weise führt eher zu besseren Ergebnissen.


Mutterhäuser im Kapitalmarkt aktiv

Noch weitere Interessenkonflikte sind denkbar: ISS gehört der Private-Equity-­Firma Vestar Capital Partners, Glass Lewis den kanadischen Fonds OTPP und AIMCo. Möglich wäre, dass Stimmrechtsberater bei Unternehmen, an denen ihre Eigentümer beteiligt sind, Empfehlungen nach deren Wünschen aussprechen. Nach Angaben von Glass Lewis haben allerdings OTPP und ­AIMCo keinen Einfluss auf etwaige Empfehlungen. Zudem gebe es in den Analysen Hinweise, wenn einer der Eigentümer am Unternehmen beteiligt ist.


„Oftmals fehlen institutionelle Investoren“
Frage an Dominik Glier, Corporate Markets, BankM

Wie bewusst ist kleinen und mittleren Unternehmen der Einfluss der Stimmrechtsberater?

Glier: Bei solchen Unternehmen ist häufig eine Aktionärsmehrheit durch Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder vorhanden, die Gründer sind bzw. einer Familie zuzurechnen sind. Bei KMU mit hohem Free Float könnten sie deutlich aktiver sein, da oftmals keine einheitliche Vertretung der Aktionärsinteressen erfolgt. Meistens mangelt es in dem Bereich jedoch an einer hohen Anzahl institutioneller Investoren, sodass kleine Unternehmen für Stimmrechtsberater oftmals nicht interessant genug sind.